Statt sich in der Apotheke Substitutionstabletten gegen Opioid-Sucht zu holen, gibt es seit 2018 die Möglichkeit einer monatlichen Spritze. Die Ärztekammer kritisiert aber, dass diese Möglichkeit vielen verwehrt bleibe, weil die Kasse auf der Bremse stehe.

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Seit 2018 ist in Europa eine monatliche Spritze zur Opiat-Substitution zugelassen, die meisten Betroffenen in Österreich müssen sich jedoch wie bisher täglich in Apotheken ihre Tabletten holen. Grund dafür sei die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK), die die fünf- bis sechsmal so teure Drogenersatztherapie nicht bezahlen möchte, übte die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien Kritik. Sie forderte eine Berücksichtigung der gesamtgesellschaftlichen Kosten.

Schwere Folgen

Das innovative Medikament Buvidal (Buprenorphin) wird zur Behandlung der Abhängigkeit von Opioiden wie Heroin und Morphin verwendet. Der Preis für die Therapie liegt bei "ungefähr 500 Euro im Monat", erläuterte Gabriele Fischer, Leiterin der Drogenambulanz, Suchtforschung und Suchttherapie an der Medizinischen Universität am AKH Wien. "Das ist wahnsinnig günstig im Vergleich zu anderen Medikamenten, die psychisch Kranke bekommen", sagte sie.

Dass die Kasse auf der Bremse steht, habe nicht nur individuelle Nachteile für Betroffene, sondern auch für die Gesamtbevölkerung, da sich die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls hin zu illegal erworbenen Opioiden vergrößere und sich insgesamt die "indirekten" Kosten für die Gesellschaft erhöhen würden – etwa durch Kriminalität, Arbeitslosigkeit oder Inhaftierungen. "Es herrscht eine Zweiklassenmedizin, da das Medikament für Vermögende durch Selbstzahlermodalität problemlos erwerbbar ist. Österreich ist 2020 eines der reichsten Länder der EU, eine Monatsdosierung kostet pro Patient ca. 500 Euro – im Vergleich zu anderen Medikationskosten vernachlässigbar gering –, zudem ist die Zahl der Betroffenen äußerst überschaubar", übt Fischer scharfe Kritik.

Vorteile für Betroffene

Laut Fischer kommen etwa 50 Prozent der Betroffenen infrage, die Spritze zu bekommen. Derzeit gibt es rund 17.000 Patientinnen und Patienten im Opiat-Substitutionsprogramm in Österreich, berichtete Norbert Jachimowicz, Leiter des Referates für Opioid-Substitutionsangelegenheiten der ÖÄK. Für die, die Buvidal bekommen könnten, falle mit dem täglichen Gang in die Apotheke gleichzeitig eine Stigmatisierung weg. Die Verabreichung nur einmal im Monat würde zudem eine größere Bewegungsfreiheit über einen längeren Zeitraum und vor allem Vorteile für Berufstätige bringen.

Die ÖGK habe ein "Rundschreiben an alle niedergelassenen Ärzte geschickt, dass das nicht bewilligt wird", berichtete Jachimowicz. "Damit wird vielen Patienten eine wesentliche Erleichterung bei der Therapie vorenthalten." Er sei im Jänner mit der Gesundheitskasse in Kontakt getreten, erläuterte Jachimowicz. Damals habe es geheißen, sie müssten "mit der Firma ums Geld verhandeln". Im Juni habe Jachimowicz einen Brief an die ÖGK geschrieben und keine Antwort erhalten, nun geht die Ärztekammer an die Öffentlichkeit.

Parlament änderte extra Verordnung

Buvidal ist von der EU-Arzneimittelbehörde EMA zugelassen und in Österreich in vielen Spitalsambulanzen und Gefängnisapotheken verfügbar, hielt Jachimowicz fest. Diese seien nicht von den Budgets der ÖGK abhängig. Auch in den Haftanstalten sei die monatliche Spritze beim Gefängnisarzt eine Erleichterung im Vergleich zur bisherigen Therapie. Das Parlament habe wegen des neuen Medikaments vor eineinhalb Jahren die Suchtgiftverordnung geändert. Buvidal dürfe also verordnet werden, "aber die ÖGK widersetzt sich", sagte Jachimowicz.

Bei der Gesundheitskasse will man die Vorwürfe nicht auf sich sitzen lassen, diese seien nämlich nicht korrekt: "Buvidal ist in der Suchttherapie für bestimmte Patientengruppen sinnvoll, das sieht auch die ÖGK so und führt daher seit Jahresbeginn – gemeinsam mit den anderen Sozialversicherungsträgern und dem Dachverband – Gespräche mit führenden Suchtexpertinnen und -experten, wie das Medikament optimal und zielgerichtet eingesetzt werden kann", sagt Chefarzt Andreas Krauter. Diese Gespräche würden im Herbst fortgesetzt, um eine bestmögliche Versorgung für die Betroffenen sicherzustellen. (APA, red, 28.7.2021)