Die Einlagen der Commerzialbank bei anderen Instituten betrugen laut Bilanz um die 300 Millionen Euro. Der allergrößte Teil davon war freilich erfunden.

Foto: Matthias Cremer

Einer der Knackpunkte in der Causa Commerzialbank Mattersburg dreht sich um die erfundenen Guthaben des Instituts bei anderen Banken. Die gefakten sogenannten Interbankeinlagen erreichten um die 300 Millionen Euro, die Saldenbestätigungen dafür haben die Exbanker gefälscht und an den jeweiligen Standorten der Institute aufgeben lassen. Das haben Exbankchef Martin Pucher und seine Kollegin K. gestanden, für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Der Abschlussprüfer des Instituts, die damalige TPA, müsste diese Bestätigungen eigentlich selbst einholen, sie fühlt sich aber selbst durch die Malversationen der Banker getäuscht; Anzeigen wurden trotzdem erstattet und es laufen Ermittlungen. Pucher sagte dazu einmal aus, er habe sich selbst gewundert, dass man mit den selbstgebastelten Bestätigungen nicht aufgeflogen ist.

Briefpapier-Werkstatt

Das Papier für die Bestätigungen, so ergibt sich aus Aussagen von Frau K., ließen die Banker zunächst in einer Druckerei herstellen, später habe sie das selbst am Computer erledigt. So besorgten sich die Bankchefs das "Originalpapier" von insgesamt acht Konkurrenzbanken, der Druckerei habe man erklärt, dass man aus technischen Gründen Vorlagen brauche. Hinterfragt habe das der Druckereibesitzer nie. Bezahlt wurde übrigens aus jenem Geld, das die Beschuldigten heute den "nicht realen Geldkreislauf" nennen.

Um den Überblick zu bewahren, welche Bestätigungen erfunden waren und welche auf tatsächliche Einlagen bei Banken beruhten (zum Schluss war das eine), machten K. und Pucher handschriftliche Vermerke auf den Unterlagen: "unsere" und "echt".

Viel davon lässt sich in den Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen rund 30 Beschuldigte nachvollziehen: K., die sich nicht einmal an höchsten Feiertagen frei nahm, hat alles penibel dokumentiert.

Unterschriften zum Abpausen

Und wie kamen die Mattersburger an die Unterschriften auf den Bankbestätigungen? Die haben sie laut K. aus Musterzeichnungen und anderen Dokumenten im Firmenbuch genommen, mitunter stellten sie Anfragen an andere Banken. Freilich nur, um aus den Antwortschreiben Unterschriften zu lukrieren. Fürs Fälschen selbst war dann Pucher zuständig, wie sein Anwalt Norbert Wess bestätigt.

Dem Einfallsreichtum bei der Unterschriftengewinnung schienen kaum Grenzen gesetzt, auch Weihnachten wurde genützt. So fanden die Ermittler Grußkarten von Konkurrenzbanken, mit Post-its war das jeweilige Jahr darauf vermerkt. "Ja", auch diese Weihnachtskarten habe man für die Unterschriften "aufgehoben", so die Exbankerin. Wozu die Jahreszahl? "Um sicherzustellen, dass Pucher nicht Unterschriften von Personen fälscht, die zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr in der Bank arbeiteten", erklärte K. laut ihrem Einvernahmeprotokoll.

Dicke Mustermappe

Auch die Muster für Unterschriften wurden gut aufgehoben, in einer mehrere Zentimeter dicken Mappe in einem Safe im Vorstandsbüro. Wobei manche der gefälschten Unterschriften recht krakelig gewesen sein dürften, wie K. zugestand. Sie führte das auf Puchers Erkrankung zurück. Wie es mit den Bestätigungen laut K. weiter ging: Sie kontrollierte die Fälschungen, steckte sie in von ihr frankierte Kuverts, das Verschicken an die TPA organisierte dann Pucher.

Beim Abschlussprüfer und bei den Kontrollen durch die Aufsicht fiel all das nicht auf. K. auf die Frage, ob man nicht befürchtet habe aufzufliegen bei einem Vergleich mit den anderen Banken, die Einlagen der Commerzialbank ja auch verbuchen hätten müssen? "Das Risiko, dass wir bei einem Vergleich auffliegen hat immer bestanden."

Kein Thema in Vor-Ort-Prüfung

Bei ihrer Vor-Ort-Prüfung 2015 zum Thema Steuerung des Gesamtbankrisikos streiften die Aufseher von der Nationalbank auch das Thema Interbankenforderungen. Insgesamt waren damals (vermeintlich) 255 Mio. Euro bei acht Banken angelegt, bei fünf davon je rund 43 Mio. Euro, bei einer 38 Mio. Die entsprechenden Linien bestünden "auskunftsgemäß seit Jahren", hielten die Prüfer in ihrem Bericht fest. Kritisiert haben sie damals nur das Fehlen einer "nachweislichen Risikoüberwachung" und der "Nachvollziehbarkeit der Ratingeinstufung".

Die Bilanzsumme des Mattersburger Instituts betrug damals rund 650 Mio. Euro, sehr hohe 40 Prozent davon entfielen laut Bericht der Aufsicht auf Interbankeinlagen. Aber: Die waren bei dieser Prüfung nicht das Thema. (Renate Graber, 29.7.2021)