Sage niemand, Elisabeth II. sei nicht ums Klima besorgt. Legendär waren in früheren Jahren die Berichte aus dem Buckingham-Palast: Regelmäßig sei Windsors sparsame Hausfrau abends durch die langen Korridore gestiefelt, um wenigstens in einigen Dutzend der 775 Räume das Licht zu löschen. Energieverschwender zogen sich leicht den Zorn der Monarchin zu.

Zuletzt sah man die mittlerweile betagte Queen im Gespräch mit ihrem Altersgenossen Sir David Attenborough, dem weltweit berühmten Naturfilmer, durch den wunderbaren Garten ihrer Londoner Niederlassung wandern. Gemeinsam bewunderte das Duo die Platanen, die Elisabeths Vorfahre, der Prinzgemahl Albert (1819–1861), vor mehr als 150 Jahren gepflanzt hatte. Der Spaziergang diente als Werbung für eine Öko-Initiative des Staatsoberhauptes von 16 Staaten weltweit: "The Queen's Commonwealth Canopy" soll Wälder rund um den Globus verbinden und gewissermaßen als Beschirmung für das Weltklima dienen.

Königin Elisabeth II. ist grün, weiß jedoch ihre eigenen Interessen zu wahren.
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Klimaschutzgesetz

Wehe aber, wenn der Klimaschutz einmal mit handfesten Interessen "der Königin, ihrer Erben und Nachfolger", wie es im Schwur für Neubürger heißt, kollidiert. Dann handelt die 95-Jährige – wie wohl die meisten Bewohner westlicher Industrienationen – nach dem Motto: Das Hemd meines eigenen Wohlstands ist mir allemal näher als der idealistische Klimarock.

Das eklatanteste Beispiel hat jetzt eine Mitarbeiterin der Liberaldemokraten zutage gefördert, wie der "Guardian" berichtet. Das neue Klimaschutzgesetz der schottischen Regionalregierung fördert den Bau von Wärmeleitungen, damit die häufig schlecht isolierten Häuser im kühlen Norden umweltfreundlicher beheizt werden können. Für diesen Zweck müssen die Interessen von Grundstückseigentümern zurückstehen, notfalls kann die Regierung deren Land sogar enteignen. Betroffen sind alle Grundbesitzer, mit einer Ausnahme: Elisabeth II.

Queen's Consent

Die Chefin über das gewaltige Landgut Balmoral mit insgesamt 29.500 Hektar machte sich ein Relikt aus feudalen Zeiten zunutze. Auf der Insel können Gesetze von den Parlamenten in London und Edinburgh nur mit Zustimmung der Monarchin ("Queen’s Consent") beschlossen werden. Ausdrücklich sind die Minister Ihrer Majestät, so deren offizieller Titel, dazu verpflichtet, dem Palast neue Gesetzesentwürfe vorzulegen, damit diese von den Hofschranzen auf etwaige Interessenkonflikte abgeklopft werden können. Recherchen des "Guardian" zufolge geschah dies in den vergangenen Jahrzehnten mehr als tausend Mal.

Extrawurst

Zu Jahresbeginn wandte sich der Privatsekretär der schottischen Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon wegen des Klimaschutzgesetzes an Elisabeths Chefberater. Und siehe da: Die Monarchin wollte eine Extrawurst. Prompt änderte der zuständige Energieminister das Gesetz, gegen den Protest einer Handvoll grüner und unabhängiger Abgeordneter.

Dabei hat die in Edinburgh regierende Nationalpartei SNP mit der Monarchin eigentlich noch eine Rechnung offen. Vor dem Unabhängigkeitsreferendum 2014 hatte der damalige SNP-Ministerpräsident Alex Salmond loyal beteuert, die Queen werde auch im Fall der Abspaltung Schottlands Staatsoberhaupt sein. Elisabeth II. wollte aber doch lieber Chefin des Vereinigten Königreichs bleiben: Wenige Tage vor der Abstimmung verlieh sie ihrer Hoffnung Ausdruck, ihre schottischen Untertanen würden "genau nachdenken" – subtil genug, um nicht der Einmischung in die Tagespolitik bezichtigt zu werden, gleichzeitig eindeutig. Prompt entschied sich das Wahlvolk mit 55:45 Prozent für den Zusammenhalt.

Skeptische Schotten

Unionsweit sind die Zustimmungsraten für Elisabeth II. und ihre Familie weiterhin sehr gut – die Schotten gehören aber schon immer eher zu den Skeptikern, vor allem dem Herzog von Rothesay gegenüber, wie Thronfolger Charles, der englische Herzog von Cornwall, im britischen Norden genannt wird. Der Konflikt zwischen dem Königshaus und dem neuerdings in Kalifornien lebenden Prinzen Harry förderte zudem einen Generationenkonflikt zutage. Je jünger die Befragten waren, desto größere Sympathie empfanden sie für den Sechsten der Thronfolge und seine Gattin Meghan Markle.

Viel zu erben

Was die junge Generation wohl zur beinharten Interessenpolitik ihrer Monarchin zu sagen hat? Von der Queen weiß man seit Jahrzehnten, dass sie – wie andere europäische Hochadelige – vollkommen rücksichtslos handelt, wenn es um ihre eigenen Interessen geht. Mit jahrzehntelanger Zähigkeit kämpfte sie etwa gegen die Erhebung von Einkommenssteuer. Immer wieder habe "die normalerweise milde Monarchin die dynastische Position kompromisslos verteidigt wie eine hartgesottene Gewerkschaftssekretärin", urteilte Queen-Biograf Robert Lacey. Erst nach den schweren Krisen des "annus horribilis" 1992 – gescheiterte Ehen ihrer Kinder, das verheerende Feuer in Schloss Windsor – sah sich die Monarchin veranlasst, "freiwillig", in Wirklichkeit aber widerstrebend der Besteuerung zuzustimmen. Der Einkommenssteuer, wohlgemerkt. Von der Erbschaftssteuer bleiben die Royals weiterhin befreit.

Das wird Charles und die nachfolgenden Generationen erleichtern, gibt es doch allerhand zu erben. Die gut informierten Rechercheure der "Sunday Times" schätzten das Vermögen der Monarchin im vergangenen Jahr auf 350 Millionen Pfund (411 Mio. Euro). "To have and to hold", "Haben und festhalten", witzeln Kenner, sei das eigentliche Motto des Königshauses, nicht etwa das vornehme "Dieu et mon droit" (frei übersetzt: "Ich bin nur Gott verantwortlich"). Dem globalen Klima gegenüber sieht sich, so scheint es, die 95-Jährige nur sehr begrenzt verantwortlich. (Sebastian Borger aus London, 29.7.2021)