Die Bewerber mit den aus heutiger Sicht größten Chancen auf den Generalsjob ab 2022: Roland Weißmann, Alexander Wrabetz, Lisa Totzauer.

Fotos: APA, Jäger/Hendrich/Irene Kernthaler-Moser

Wien – Die drei Bewerber mit den aus heutiger Sicht größten Chancen auf den Generalsjob ab 2022 stellen naturgemäß die sogenannte digitale Transformation in den Vordergrund, also den Weg vom Rundfunkunternehmen mit – schon jetzt starken – Onlineaktivitäten zum digitalen Medienunternehmen, das allerdings auf Sicht weiterhin auf seine (auch für die Werbeeinnahmen) wichtigen linearen Kanäle in TV und Radio setzen muss. Die TV-Kanäle ORF 2 und ORF 1 sind die reichweitenstärksten im Land, der Radiotest bescheinigte den ORF-Radios wieder einen Marktanteil von gewaltigen 74 Prozent aller gehörten Radiominuten.

Weißmanns Werte

"Lust auf Zukunft" betitelt Roland Weißmann sein Bewerbungskonzept. Er sieht den ORF vor "großen Herausforderungen", aber heute "wenig Mut".

Der als Favorit der ÖVP-nahen Mehrheit im Stiftungsrat gehandelte ORF-Vizefinanzdirektor kündigt in seiner Executive Summary an, er wolle den ORF "in ein digitales Unternehmen transformieren", er verspricht eine "neue Unternehmenskultur" mit "drei Werten" – er nennt "Verlässlichkeit, Verantwortung und Transparenz", er werde "die Gleichstellung vorantreiben". Als Punkt drei seines Zehn-Punkte-Programms verspricht er: "Unabhängigkeit sichern, Pluralismus ausbauen".

Weißmann möchte neue Angebote für junge Zielgruppen schaffen (dafür braucht er, wenn es grundlegender wird, die Zustimmung der Medienbehörde oder ein neues ORF-Gesetz). Die linearen Kanäle des ORF wolle er "gezielter positionieren" und TV, Radio und Online aufeinander abstimmen.

Als ein Signal an – auch im Stiftungsrat vertretene Länder – kündigt er an, "die Autonomie der Landesstudios auszubauen". Als Signal an die Mitbewerber im Medienmarkt kündigt Weißmann zudem an, "den Medienstandort Österreich durch Kooperationen zu stärken".

Zugleich will der Generalsbewerber auf die Lockerung von Werbebeschränkungen für den ORF drängen, die den Mitbewerbern wenig brächten. Das Verbot von Apps und Chats im Gesetz solle fallen.

Und der ORF solle künftig auch GIS-Gebühren für Streamingangebote verlangen können. Das sehen auch die übrigen Bewerberinnen und Bewerber aus dem ORF-Management so.

Totzauers Gütesiegel

ORF-1-Managerin Lisa Totzauer betitelt ihr Konzept mit "Offen. Relevant. Fortschrittlich".

Sie will die Flottenstrategie der Ausspielkanäle "zumindest jährlich auf den Prüfstand stellen", im Interview mit dem STANDARD hat sie zuletzt auch Positionierungsbedarf bei ORF 3 und FM4 gesehen.

Totzauer will "vorzeigen, wie sich ein öffentlich-rechtlicher Dienstleister in der digitalen Zeit neu erfindet". Das Alleinstellungsmerkmal für den ORF sei "Österreich", "Regionalität steht für Originalität und hat nichts mit Provinzialisierung oder gar Selbstverzwergung zu tun".

Die Marke ORF müsse "in Zukunft ein Gütesiegel für Wahrheitswert, Qualitätsanspruch und Vertrauenswürdigkeit sein", schreibt Totzauer in ihrem Bewerbungskonzept. Und: "Unsere innere Unabhängigkeit zeigt sich in unserer nach außen gekehrten Objektivität."

Der ORF müsse Vertrauen durch Transparenz stärken, schreibt Totzauer, "Glaubwürdigkeit und Vertrauen entstehend über Gesichter und Transparenz". Diese Transparenz gelte auch und ganz für den ORF und seine Finanzierung, Personalpolitik und Produktion. "Der ORF wird von der geschlossenen Anstalt zur offenen Plattform", kündigt Totzauer an, es gehe um "die Fähigkeit, mit unserem Publikum auf Augenhöhe zu diskutieren".

Totzauer äußerte sich kritisch zum Newsroom für alle ORF-Medien, der gerade fertiggebaut wird. Aber auch sie will ihn naturgemäß besiedeln, er sei "Raum und Werkzeug" für die ORF-Information.

Totzauers sieht als Einzige unter den Bewerbern aus dem Management eine Infodirektion vor, darunter je einen Chefredakteur für TV, Radio und Online (mehr zu den Führungskonzepten unten.)

Wrabetz’ Leadership

Alexander Wrabetz sieht das Unternehmen nach seinen ersten 15 Jahren an dessen Spitze vor "entscheidenden Jahren für den ORF". Er betitelt sein Konzept mit "Leadership", Untertitel: "Die digitale Transformation managen".

Er gliedert seiner Bewerbung in fünf "New"-Themenbereiche:

  • "New Focus" auf junge Zielgruppen, den Medienstandort, digitale Innovation, Zugangsmanagement für ORF-Angebote, eine Datenstrategie und die Streamingplattform ORF-Player.
  • "New Content" unter anderem in Hinblick auf Regionalität, Channel-Strategien und "Content-Leadership".
  • "New Culture" für Unternehmenskultur, Gender-Equality, Diversität und Corporate Social Responsibility.
  • "New Work" mit dem multi medialen Newsroom, einer Personalentwicklung wegen hunderter Pensionierungen in den nächsten Jahren und mit günstigerer Produktion.
  • "New Framework" meint nachhaltige Finanzierung – und eine Unternehmensstruktur für die Zukunft.

Einen Teil der Arbeit am Bewerbungskonzept hat Wrabetz ja schon 2020 in Zusammenarbeit mit Stiftungsräten sowie Experten aus dem ORF wie Georg Spatt und Robert Ziegler und von außerhalb wie Martin Radjaby-Rasset vorgezogen. Das daraus entstandene Strategiekonzept 2025 für den ORF füllt denn auch die Seiten 95 bis 117 von Wrabetz 118-seitigem Bewerbungskonzept.

(Harald Fidler, 29.7.2021)