Katharina Rogenhofer und Florian Schlederer waren von Anfang an bei Fridays for Future in Österreich dabei und haben das Klimavolksbegehren mit auf die Beine gestellt. Ihre Erfahrungen und den Austausch mit Politik, Wissenschaft und Wirtschaft haben sie in einem Buch zusammengetragen. In "Ändert sich nichts, ändert sich alles" versuchen sie trotz vieler Hürden, eine positive Zukunftsvision aufzuzeichnen.

STANDARD: Als Sie die ersten Klimademos geplant haben, war Ihre Kritik an die türkis-blaue Regierung gerichtet. Gibt es in der türkis-grünen Koalition weniger Grund zu demonstrieren?

Rogenhofer: Nein. Aber es gibt viele Menschen, die das glauben. Das war auch eines der Probleme, die wir beim Klimavolksbegehren hatten. Viele haben gefragt: Warum soll ich das unterschreiben, wenn die Grünen eh in der Regierung sind? Es wird jetzt viel über das Klima geredet, aber noch nicht genug auf den Boden gebracht. Das einzige große Vorhaben, das durchgegangen ist, ist das Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz. Ein Klimaschutzgesetz und die Ökosteuerreform gibt es noch nicht.

In Österreichs Klimapolitik geht nicht genug weiter, meinen Buchautorin Rogenhofer und Autor Schlederer.
Foto: Robert Newald

Schlederer: Dabei sind die gesellschaftlichen Wünsche nirgends so sichtbar, wie wenn sie auf der Straße geäußert werden. Deshalb wäre der Druck enorm wichtig, um etwas voranzubringen.

STANDARD: Ihr Buch ist gewissermaßen eine Abrechnung mit Österreichs Klimapolitik. Was halten Sie vom aktuellen Kurs?

Rogenhofer: Das Regierungsprogramm legt wichtige Punkte fest, in der Abarbeitung ist aber noch sehr wenig passiert. Ich glaube, dass es zum Teil sowohl am Willen zur Umsetzung mangelt als auch am Wissen um die Dringlichkeit. Noch gibt es viele Blockierer, wie zum Beispiel die Wirtschaftskammer, die jeglichen Vorstoß im Klimaschutz als "ideologische Bestrafungsfantasien" abtut. Und einen Kanzler, der sagt, wir seien auf dem Weg zurück in die Steinzeit, und selbst steinzeitliche Maßnahmen vorschlägt.

STANDARD: Die ÖVP wird nicht am Klimaschutz gemessen werden, die Grünen schon. Setzen sie sich ausreichend durch?

Rogenhofer: Es ist ein Bohren harter Bretter, weil wir 30 Jahre verfehlter Klimapolitik aufzuholen haben. Dennoch wäre es wichtig, dass die Grünen kompromissloser vorgehen. Es ist nicht nur ein Bremsen der ÖVP. Die Grünen müssen mehr Gewicht in die Waagschale werfen. Trotzdem will ich die ÖVP nicht ausnehmen – denn auch unter ihren Wählerinnen und Wählern war Klimaschutz ein bestimmendes Thema. Mutige Klimapolitik wäre also im Sinne beider Parteien.

STANDARD: In Ihrem Buch kritisieren Sie, dass über Corona klarer kommuniziert wurde als über die Klimakrise. Wie erklären Sie sich das?

Schlederer: Corona wirkte im ersten Moment akuter. Man dachte, in der nächsten Woche geht die Welt unter. Das Klimathema wirkt weiter entfernt. Außerdem war bei Corona allen politischen Parteien klar, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt. Dementsprechend wurde kommuniziert – auch in den Medien. Beim Klimaschutz gibt es eine Altlast, er wird von manchen Parteien nicht ernst genommen.

Rogenhofer: Außerdem sind die Zeitspannen, in denen wir denken, viel zu lang. Klimaneutralität 2040 hört sich noch weit entfernt an – in Wirklichkeit müssen wir aber jetzt handeln.

STANDARD: Klimaaktivisten bekommen oft Gegenwind. Warum trifft das Thema einen offenbar wunden Punkt?

Rogenhofer: Das Klimathema wurde lange Zeit stark auf die individuelle Ebene reduziert – da nehme ich die Klimabewegung nicht aus. Da wurde der erhobene Zeigefinger ausgepackt und gesagt: Du darfst nicht einen Kilometer mit dem Auto fahren, du musst nachhaltig einkaufen – sonst bist du ein Umweltsünder. Ich glaube, diese Betroffenheit wird jetzt bewusst genutzt. Viele Leute denken sich dann, dass Klimaschutz eine Selbstkasteiung ist.

STANDARD: Also mussten auch Klimaschützer das Narrativ ändern?

Rogenhofer: Die große Aufgabe der Umweltbewegung ist es, ein Gegennarrativ zu schaffen. Wir sind nicht Propheten des Untergangs und des Verzichts. Es geht um eine Umgestaltung der Welt und im besten Fall um eine bessere Zukunft. Wir müssen Optionen aufzeigen, die Lust auf diese Zukunft machen.

Schlederer und Rogenhofer halten beide nichts von dem Argument, Österreich könne als kleines Land im Klimaschutz nichts beitragen.
Foto: Robert Newald

STANDARD: Viele Politiker argumentieren, dass Österreich so klein ist und im Klimaschutz nichts bewegen kann. Was sagen Sie dazu?

Schlederer: Das Argument ist fingiert. Dann würde nie jemand beginnen, weil alle zu klein sind. Man könnte China in lauter Stücke mit der Einwohnerzahl Österreichs aufteilen – dann würde übrigens jedes Mini-China deutlich weniger emittieren als Österreich. Die könnten dann auch alle sagen, sie sind so klein, sie müssen nichts tun.

Rogenhofer: Außerdem bringt uns Klimaschutz vor Ort im besten Fall mehr Lebensqualität: Wir haben Grünraum in Städten, kommen öffentlich gut von A nach B und beziehen Energie aus Sonne und Wind.

STANDARD: Das kostet alles auch.

Rogenhofer: Gewisse Sachen werden zum Beispiel durch eine CO2-Steuer teurer werden. Die Frage ist, wie klug die Politik das angeht. Durch die Steuer werden auch geringverdienende Haushalte mehr belastet, man kann sie aber durch einen Klimabonus entlasten. Es kommt zu einer Umverteilung: Die, die wirklich viel CO2 produzieren, also Haushalte mit großen Häusern und zwei Autos, tragen dann auch die größeren Lasten. Es ist absurd, dass wir derzeit in einer Welt leben, in der klimafreundliches Verhalten ein Privileg ist, weil wir viel Zeit dafür aufwenden müssen.

STANDARD: Kanzler Sebastian Kurz meint, Klimaschutz sei ohne Verzicht möglich. Stimmen Sie dem zu?

Schlederer: Verbote und Verzicht sind eine Taktik, um Angst davor zu machen, Klimaschutz zu betreiben. Wenn wir bei einer roten Ampel stehen bleiben, damit Kinder queren können, regen wir uns auch nicht über das Verbot auf. In einer Gesellschaft braucht es bei gewissen Dingen Verbote, um das gemeinsame Leben zu strukturieren. Es funktioniert nicht, wenn man nur an die Freiwilligkeit appelliert.

Rogenhofer: Um auf Kurz’ Aussagen zur Innovation zurückzukommen: Es gibt fast nichts Besseres, um Innovation anzustoßen, als gewisse Verbote einzuführen. Hätten wir beim Verbrennungsmotor schon früher ein Aus-Datum gesetzt, wäre die Wirtschaft angesprungen und hätte nach Alternativen gesucht. Jetzt ist es der Markt, der das entscheidet.

STANDARD: Bei wem liegt die Verantwortung?

Schlederer: Verantwortung haben alle: wir als Zivilgesellschaft, um Druck aufzubauen und die richtigen Parteien im Sinne des Klimaschutzes zu wählen. Und die Politiker selbst müssen einen Plan machen, wie die Klimawende in den nächsten 20 Jahren funktionieren kann, und die Wirtschaft vorbereiten.

Rogenhofer: Wenn wir uns klimafreundlich verhalten wollen, stoßen wir oft an Grenzen – ob als Unternehmen oder vor dem Supermarktregal. Es liegt an der Politik, die Rahmenbedingungen zu schaffen, damit klimafreundliches Verhalten das einfachste und billigste ist. (Nora Laufer, 30.7.2021)