Personen, die getestet, geimpft oder genesen sind, stellen nur ein geringes epidemiologisches Risiko dar. Trotzdem können auch sie das Virus übertragen.

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Sie ist ein Kernkonzept des österreichischen Pandemiemanagements: die Drei-G-Regel. Nur wer geimpft, getestet oder genesen ist, hat Zugang zu bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens. Der Gedanke dahinter ist einfach: Von diesen Personen, so nimmt es der Gesetzgeber an, geht nur ein geringes epidemiologisches Risiko aus. Angesichts des Corona-Clusters beim "Austria goes Zrće"-Festival stellt sich die Frage, wie treffsicher die Zugangsbeschränkung tatsächlich ist. Ein Überblick.

Frage: Wo gilt die Drei-G-Regel?

Antwort: Die Drei-G-Regel gilt als Zugangsbestimmung in der Gastronomie, bei körpernahen Dienstleistern, in Freizeiteinrichtungen und in weiten Teil der Kultur. Für die Nachtgastronomie gibt es strengere Bestimmungen: Dort gilt seit kurzem die Zwei-G-Regel. Das heißt: Es dürfen nur Geimpfte und PCR-Getestete rein, nicht aber Genesene oder Personen, die einen Antigentest gemacht haben.

Frage: Wie konnte es trotz Drei-G-Regel zu Ansteckungen kommen?

Antwort: Noch kann das nicht abschließen beantwortet werden. Es könnte dafür mehrere Gründe geben: Einerseits könnte die Kontrolle nicht ausreichend funktioniert haben. Das wird vom Veranstalter aber bestritten.

Aber auch mit Kontrollen hat das Konzept Lücken: Erstens können auch Geimpfte das Virus weiterhin übertragen. "Aus bisherigen Studien wissen wir, dass rund 30 Prozent das Virus nach wie vor weitergeben können, jedoch kürzer und weniger intensiv durch niedrigere Viruslast", sagt Infektiologe Herwig Kollaritsch vom Nationalen Impfgremium (NIG). Im Fall der Delta-Variante könnte sich dieser Prozentsatz etwas vergrößern. Ebenso können auch Genese das Virus weiterhin übertragen – genaue Prozentzahlen dazu gibt es nicht. Da Genesene im Allgemeinen aber einen niedrigeren Antikörperspiegel als Geimpfte haben, könnte das Risiko bei ihnen noch höher sein.

Zweitens stellen vor allem Antigentests eine große Schwachstelle dar: "Damit lassen sich nur gut 40 Prozent der asymptomatisch Infizierten herausfischen", sagt der Komplexitätsforscher Peter Klimek. Deshalb wurde kürzlich auch die Zwei-G-Regel für Clubs eingeführt.

Ab 15. August wird zudem die erste Teilimpfung nicht mehr als Drei-G-Nachweis reichen, eine vollständige Immunisierung wird nötig. Beide Verschärfungen kamen beim Festival, das von 17. bis 24 Juli stattfand, nicht zur Anwendung.

Frage: Auch Vollimmunisierte haben sich infiziert. Wie kann das sein?

Antwort: Grundsätzlich ist das nicht überraschend. Denn: Keine Impfung wirkt zu hundert Prozent. Bei der Delta-Variante hat die Wirksamkeit des Impfschutzes vor einer symptomatischen Infektion zusätzlich abgenommen – das zeigten erst kürzlich Daten aus Israel. Demnach liegt die Wirksamkeit des Impfstoffes von Biontech/Pfizer in dieser Hinsicht bei 40 bis 60 Prozent. Erhebungen aus Schottland und Großbritannien geben für den Impfstoff einen etwas höheren Schutz vor symptomatischen Infektionen an – dort liegt er bei 79 bzw. 88 Prozent. Dem Vakzin von Astra Zeneca attestieren diverse Studien eine Schutzwirkung vor symptomatischen Infektionen zwischen 60 und 67 Prozent.

Für die Impfstoffe von Moderna und Johnson und Johnson gibt es dazu noch wenig belastbare Daten: Erhebungen aus Großbritannien und Kanada haben den Schutz vor einer symptomatischen Infektion nach einer Dosis des Impfstoffes von Moderna untersucht: Er lag im Fall der Delta-Variante bei 72 Prozent.

Wie hoch der Schutz gegen eine symptomatische Infektion beim Impfstoff von Johnson und Johnson ist, lässt sich noch nicht beantworten. Herwig Kollaritsch geht davon aus, dass der Impfstoff im Fall der der Delta-Variante vor symptomatischen Infektionen mit einer Impfung ähnlich gut schützt wie das Vakzin von Astra Zeneca nach zwei Impfungen: "Die Wirksamkeit des Impfstoffes in dieser Hinsicht dürfte bei 60 bis 66 Prozent liegen."

Frage: Wie viele solcher Impfdurchbrüche gibt es in Österreich?

Antwort: Bis 23. Juli wurden dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) 376 Impfdurchbrüche gemeldet. Darunter fasst die Behörde symptomatische Infektionen – etwa mit Fieber, Kurzatmigkeit oder Husten –, die mindestens sieben Tage nach der zweiten Teildosis oder im Fall des Einzeldosis-Vakzins von Johnson und Johnson mindestens 28 Tage nach der Impfung auftreten.

"Bei gut 4,4 Millionen vollständig Geimpften liegt das im erwartbaren Rahmen, da die Impfstoffe bekanntermaßen Schutzraten von 75 bis 90 Prozent gegen milde bis mittelschwere Erkrankungen bieten. Weitaus höher liegt dagegen der Schutz vor schweren und lebensbedrohlichen Krankheitsverläufen", sagt Kollaritsch.

Asymptomatische Infektion bei vollständig Geimpften werden derzeit nicht erfasst, da die zugelassenen Covid-19-Impfstoffe zur Verhinderung von Erkrankungen entwickelt wurden, heißt es in den Berichten des BASG.

Frage: Braucht es eine Verschärfung der Regelungen?

Antwort: Der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter erachtet die Drei-G-Regel für Restaurantbesuche als sinnvoll, bei Großveranstaltungen stoße das Konzept aber an seine Grenzen. Bei einer großen Menge an Personen, die über einen langen Zeitraum miteinander feiern, könne das nur zu einem hohen Infektionsgeschehen führen.

Auch der Infektiologe Kollaritsch bewertet Großveranstaltungen als "epidemiologische Supergaue", hält die bestehenden Regelungen abseits davon aber für ausreichend. Voraussetzung dafür ist, dass sie auch kontrolliert werden. "Ich glaube, darin besteht zurzeit das größte Problem", sagt Kollaritsch.

Laut Peter Klimek sollte anstelle von Antigentests in Zukunft auf die genaueren PCR-Test gesetzt werden, auch abseits der Nachtgastronomie. Verschlechtert sich die epidemiologische Lage, sei zusätzlich auch eine Rückkehr zur Maskenpflicht in geschlossenen öffentlichen Räumen denkbar. (Eja Kapeller, 29.7.2021)