Generalsbewerber Roland Weißmann sieht im ORF "viel Macht an der Spitze konzentriert".

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Wien – Beim Pressegespräch über seine Bewerbung für die ORF-Generaldirektion vermied Roland Weißmann Kritik an Alexander Wrabetz, mehrfach betonte der Herausforderer die über Jahre hinweg gute Zusammenarbeit mit dem amtierenden ORF-Chef. In seinem Bewerbungskonzept aber findet sich eine kritische Abrechnung mit der Unternehmenskultur und den Strukturen, die Wrabetz als ORF-General seit 2007 geprägt hat. Wrabetz' Namen nennt er nicht.

  • DER STANDARD arbeitet sich schrittweise durch die Konzepte der ORF-Bewerber und berichtet über Zugänge, Themen, auch Details aus den schriftlichen Vorstellungen der Kandidatinnen und Kandidaten. Einen ersten sehr groben Konzeptüberblick finden Sie hier. Mehr über die Pläne für die Führungsstruktur unter dem Generaldirektor finden Sie in diesem Überblick zum Direktorium.

"Parallelstrukturen" und "Sackgassen"

"Große Herausforderungen, wenig Mut", betitelt Weißmann in seinem Konzept den Befund über die Lage des ORF. Er würdigt das hohe Vertrauen in die Information, an diesem Maßstab werde man auch seine Arbeit messen können, schreibt er. Die Erfolge des ORF und seiner Information würden aber "von den Schwächen des Unternehmens getrübt", die Weißmann etwa so beschreibt:

"Entscheidungen zu wichtigen Zukunftsthemen sind immer noch nicht gefallen. Seit Jahren wird der Bereich des multimedialen Arbeitens aufbereitet, erörtert, diskutiert und ausprobiert. Echte Festlegungen zur Zusammenlegung von Redaktionen wurden ausgespart, die dahinter liegenden Konflikte vertagt. "

Und: "Die Online-Agenden sind trotz ihrer Relevanz nicht angemessen in der Geschäftsführung verankert. Parallelstrukturen mit Tochterunternehmen und übergeordneten Projektstrukturen machen das koordinierte strategische Agieren in diesem Zukunftsbereich kompliziert. Eine Vielzahl von taktisch motivierten Maßnahmen hat für zersplitterte Zuständigkeiten und eine uneinheitliche Infrastruktur gesorgt: Unterschiedliche Asset-Management-Systeme im TV-Bereich etwa erschweren die Zusammenarbeit von Redaktionen. Seit Jahren wird das Defizit einer zentralen Verantwortung für Meta- und Userdaten beklagt. Oft landen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Fragen und Ideen in Sackgassen, ohne Zuständigkeiten und Verantwortungen. Innovation und Kreativität finden nur schwer einen Raum, geschweige denn eine Förderung."

"Verantwortungsvakuum"

In seinem Konzept sieht er "unklare strategische Vorgaben und ineffiziente operative Umsetzung", Kompetenzkonflikte sowie "strukturelle Unzulänglichkeiten" in der Verantwortlichkeit von Führungskräften. Verantwortung werde "an mehrere Stellen übertragen", zu viele Agenden hätten "keine klaren Zuständigkeiten". Es gebe "frustrierenden und zeitraubenden Abstimmungsbedarf"; einigen sich die befassten Stellen nicht, "wird die Entscheidung notgedrungen der höheren Führungsebene vorbehalten – die aber weder formell noch inhaltlich zuständig sein sollte".

Weißmann: "In besonderem Maße betrifft das die Generaldirektion: Viel zu oft werden Entscheidungen der Generaldirektion vorbehalten, in dem Glauben, dass sie dort entschieden werden können." Das führe zu "verschleppten Entwicklungsprozessen und Frustration" bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Der harte Befund: "Die Konzentration von Entscheidungsverantwortung in der Generaldirektion sorgt für ein Verantwortungsvakuum in den darunter liegenden Führungsebenen. Bei allem Verständnis für konsensuale Entscheidungsfindungen: Sie können auch ein Zeichen von Mutlosigkeit sein und führen zu Verschleppung und Stillstand."

"Viel Macht an der Spitze konzentriert"

Naturgemäß verspricht Weißmann in seinem Konzept "entschiedenere" und "kreativere" Unternehmensführung: Entscheidungen von Führungskräften müssten "nachvollziehbar" sein, die Kriterien dafür "transparent" und damit "für die Belegschaft berechenbar". Verantwortung sei "zu tragen – und vor allem abzugeben". Der bisherige Vize-Finanzdirektor versichert, er werde "klare Verantwortlichkeiten schaffen", "sichtbare Entscheidungsverantwortung" für Führungskräfte": "Zu starke Aufsplitterung von Kompetenzen und Zuständigkeiten hat viel Macht an der Spitze konzentriert und gleichzeitig die Entwicklung des Unternehmens gebremst."

Mehr als ein Viertel seines Konzepts widmet Weißmann der internen Organisation und Führung, Kommunikation, Arbeitsabläufen, Gleichstellung, auch in der Bezahlung, Diversität in der Belegschaft – also grob umrissen der Unternehmenskultur.

Weißmann verweist auf die nach der Generalswahl 2016 festgelegte Geschäftsordnung für die ORF-Führung, wonach "wesentliche" Entscheidungen die Geschäftsführung (also General und Direktoren) treffe.

Zugleich aber sieht das ORF-Gesetz bisher einen Alleingeschäftsführer vor – den Generaldirektor.

Bisher ist der General Informationsdirektor

Weißmann will die bisherige Direktionsstruktur vorerst fortsetzen, erklärt er in seinem Konzept. In dieser Struktur ist bisher der ORF-Generaldirektor zugleich für die Information zuständig.

Weißmann kündigt eine spätere Anpassung der Direktionsbereiche an, wenn Ö1 und Ö3 auf den Küniglberg gezogen sind und der multimediale Newsroom läuft – ohne die geplante Änderung zu detaillieren. Über die bisherige Zuständigkeit des ORF-Generals für die Information gibt es im Konzept keine ersichtlichen Angaben oder Änderungspläne. Für den Newsroom kündigt er ein Führungsteam an. (fid, 30.07.2021)