Wolfgang Fellner wies jegliche Vorwürfe wegen sexueller Belästigung als "frei erfunden" zurück. In den Vorwürfen von seinen Ex-Mitarbeiterinnen Raphaela Scharf und Katia Wagner sieht er eine Kampagne des "Krone"-Imperiums.

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Wien – Die Liste an Prozessen gegen Medienmacher Wolfgang Fellner wegen Vorwürfen der sexuellen Belästigung wird immer länger: Nun klagen "Krone" und ihr Herausgeber, Christoph Dichand, persönlich die Tageszeitung "Österreich" und "Oe24". Insgesamt sind bereits fünf Klagen wegen der Berichterstattung der beiden Medien über die laufenden Gerichtsprozesse in der Belästigungscausa eingebracht worden, eine weitere dürfte folgen. Fellner, der jegliche Vorwürfe wegen sexueller Belästigung vehement bestreitet, könnte in den Verfahren mit weiteren Anschuldigungen in der Sache konfrontiert werden: Drei weitere mutmaßliche Opfer werden als Zeuginnen angeführt, die auch von Fellner sexuell belästigt worden sein sollen.

Eine Frau soll laut Klage in den 1990er-Jahren von Fellner belästigt worden sein, eine weitere Betroffene war Moderatorin bei oe24.tv, und eine dritte Frau arbeitete im Marketing für die Mediengruppe Österreich. Auch ein langjähriger Mitarbeiter in Führungsposition aus der Fellner-Gruppe ist als Zeuge nominiert. Er soll mehrere Beschwerden über sexuelle Belästigungen von damaligen Mitarbeiterinnen erhalten haben.

Fellner weist in seiner Stellungnahme darauf hin, dass die Zeuginnenliste bereits vor dem laufenden Verfahren gegen Ex-Oe24.tv-Moderatorin Raphaela Scharf, die die Causa ins Rollen gebracht hatte, vorgebracht und abgewiesen wurde. Die Liste sei "absurd", keine der Genannten sei eine Zeugin gegen ihn. Fellner sieht dahinter die Handschrift des Medienanwalts Michael Rami, der im gegenständlichen Fall Dichand und "Krone", aber auch Scharf und Katia Wagner als weitere Betroffene vertritt: "Nach monatelanger Suche durch Herrn Rami hat sich kein einziger Fall gefunden, in dem mir eine sexuelle Belästigung nachgewiesen werden kann. Alle von ihm in die Welt gesetzten Vorwürfe sind wie Seifenblasen zerplatzt und wurden durch Zeugen widerlegt."

"Krone" sieht Wettbewerb verletzt

Die Zeuginnen und Zeugen wurden von Dichand und "Krone" nominiert, um Fellners Interpretation der Vorwürfe wegen sexueller Belästigung als "Krieg" oder "Kampagne" des Konkurrenzmediums "Krone" zu entkräften. Geklagt werden zwei wortidente Artikel, die Anfang Juni in der Tageszeitung "Österreich" und auf "Oe24" erschienen sind. In den Artikeln werde suggeriert, dass "Krone" und Dichand persönlich hinter den Vorwürfen wegen sexueller Belästigung stünden, so die Klage. Außerdem entstehe der Eindruck, dass "Krone" und Dichand daran beteiligt gewesen wären, als einer Oe24.tv-Mitarbeiterin angeblich Geld geboten worden sein soll, um Vorwürfe gegen Fellner zu erheben.

Die "Krone" klagt die beiden Fellner-Medien am Handelsgericht Wien wegen mutmaßlicher Herabsetzung eines im Wettbewerb stehenden Unternehmens. Durch diese Behauptungen sei das Ansehen der "Kronen Zeitung" beschädigt, weil Leserinnen und Leser sowie Anzeigenkunden einen falschen Eindruck erhalten würden, so die Argumentation in der Klage. Geklagt wird auf Unterlassung, Anspruch auf Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz.

Dichand klagt wegen Fotos

Dichand geht auch persönlich gegen die Berichterstattung vor: Er klagt die Mediengruppe "Österreich" und "Oe24" wegen der Veröffentlichung seines Bildes zu den zwei Artikeln. An sich gilt Dichand als Person öffentlichen Interesses, der Herausgeber und Chefredakteur der "Krone" beruft sich aber auf den Bildnisschutz. Seine Rechte seien verletzt worden, weil unter dem Bild die oben angeführten, mutmaßlich ehrenbeleidigenden und kreditschädigenden Tatsachen behauptet worden seien. Auch Dichand klagt auf Unterlassung, Anspruch auf Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz.

Ob die im Artikel inkriminierten Passagen tatsächlich rufschädigend sind, will Dichand in einer weiteren medienrechtlichen Klage gegen "Oe24" vor dem Straflandesgericht Wien klären lassen. Eine ähnliche Klage gegen "Österreich" soll folgen. Auch in diesem Verfahren begehrt Dichand Entschädigung und Urteilsveröffentlichung.

Fellner jedenfalls zeigt sich auf STANDARD-Anfrage über die Klagen erfreut: Endlich lasse Dichand persönlich klären, wie sehr die "Krone" hinter den Vorwürfen stehe. Er habe "jede Menge Beweise", wie die "Krone" über Rami die anhängigen Prozesse "steuert". "Mit großer Freude" werde er sie vor Gericht vorlegen. Dass Dichand Fellner gegen die Veröffentlichung seines Bildes klagt, "amüsiert" Fellner.

Hoher Streitwert

Auf STANDARD-Anfrage wollte sich Dichand nicht im Detail äußern: Weder er noch sein Medium spielten in der Causa und der Berichterstattung darüber eine Rolle, sagte er. "In Wahrheit habe ich damit nichts zu tun." Dass Scharf für sein Unternehmen arbeite, habe Dichand selbst erst aus den Medien erfahren.

Allein in den vier zivilrechtlichen Klagen drohen Fellner Schadenersatzzahlungen bis zu 80.000 Euro plus Prozesskosten. Sollten auch noch Urteile abgedruckt werden müssen, wären es für die Fellner-Medien nicht die ersten erzwungenen Veröffentlichungen in der Causa. Rami erstritt bereits zwei Gegendarstellungen wegen der irreführenden Berichte über die laufenden Verfahren mit Scharf, weitere Verfahren sind anhängig.

Scharf und Wagner weisen Vorwurf zurück

Bislang wies Fellner jegliche Vorwürfe wegen sexueller Belästigung als "frei erfunden" zurück. In den Vorwürfen von seinen Ex-Mitarbeiterinnen Raphaela Scharf und Katia Wagner sieht er eine Kampagne des "Krone"-Imperiums. Wagner und Scharf arbeiten heute für Krone.tv, also einen Mitbewerber von Fellners Medien. Beide werden von Rami, dem Medienanwalt der "Krone", vertreten. In den Klagen nennt Rami diese Umstände "Zufälle".

Auch beide Ex-Fellner-Mitarbeiterinnen wiesen den Vorwurf Fellners entschieden zurück: Scharf klagte gegen ihre fristlose Entlassung durch die Fellner-Gruppe bereits 2019, bevor sie Moderatorin bei der Konkurrenz wurde. Anwalt Rami übernahm ihren Fall erst im Februar, Wagner wurde bereits von seinem Vorgänger als Zeugin nominiert. Nach Scharf und Wagner machten weitere Frauen Vorwürfe wegen sexueller Belästigung durch Fellner publik. Diese Frauen sind oder waren nicht für die "Krone" tätig. Fellner bestreitet auch diese Vorwürfe als "frei erfunden".

Attacken gegen Rami

Fellner attackierte in seiner Stellungnahme gegenüber dem STANDARD die Rolle Ramis: Er besitze Gutachten, wonach Medien in einer Demokratie mit politischen Parteien gleichzusetzen seien. Auch der Verfassungsgerichtshof teile diese Ansicht. Deshalb sei zu klären, ob Rami, der auch als Verfassungsrichter tätig ist, Medien überhaupt anwaltlich vertreten dürfe. Fellner gehe davon aus, dass dieser Prozess der letzte von Rami für die "Krone" sein werde.

Rami sagte zum STANDARD, dass ihm die Gleichsetzung von Medien und Parteien neu sei. Er frage sich, was diese Aussage mit der von ihm erzwungenen Urteilsveröffentlichung in "Oe24" von Freitag zu tun haben soll.

Seit Tagen kampagnisiert Fellner gegen Rami: In einem Oe24.at-Artikel mit vielen Fragezeichen von Samstagabend wird der Verdacht in den Raum gestellt, Rami habe Schriftsätze für den Anwalt des sogenannten Bierwirts verfasst. Der "Bierwirt" wurde wegen eines Prozesses um obszöne Nachrichten an Grünen-Politikerin Sigrid Maurer bekannt, derzeit sitzt er als mutmaßlicher Mörder seiner Lebensgefährtin in U-Haft und führe laut oe24.at mehrere Verfahren gegen Fellner-Medien, weil er in der Berichtserstattung identifizierbar gewesen und die Unschuldsvermutung verletzt worden sei.

Rami freut sich, Kollegen geholfen zu haben

Rami erklärt, er kenne weder den "Bierwirt" noch seinen Rechtsanwalt. Auf Twitter drückte er seine Freude darüber aus, dass seine Schriftsätze kursieren und anderen Anwaltskollegen helfen würden.

Der Oe24.at-Artikel sorgte für heftige Kritik von Ramis Anwaltskollegen und -kolleginnen. So twitterte die Medienanwältin Maria Windhager von "zunehmenden Angriffen auf unseren Rechtsstaat". Auch der "Bierwirt" habe ein Recht auf eine anwaltliche Vertretung, schrieb Windhager, die auch den STANDARD vertritt.

Vergangene Woche bezeichnete Fellner den Verfassungsrichter Rami als "Doberman-Anwalt" und "Anwalts-Rambo". Rami vertritt auch Katharina Nehammer, Frau von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP), wegen Falschbehauptungen, die über sie in der Causa Hygiene Austria im Internet in großem Ausmaß verbreitet worden waren. Rami wurde auf Wunsch der FPÖ 2018 als Verfassungsrichter nominiert und ist im Hauptberuf Rechtsanwalt. Wegen seines Mandats für Frau Nehammer forderten die Freiheitlichen allerdings seinen Rücktritt.

Rami sagt, dass sich Fellners Bezeichnungen über ihn selbst richten würden. Das Motiv sei offenkundig. Weiters sagte er: "Fellners #MeToo-Causa zeigt ein schlimmes Sittenbild. Er wird nicht verhindern können, dass ich mich dieser wichtigen Sache weiter widmen werde." (Laurin Lorenz, 2.8.2021)