Hamilton gegen Verstappen, Mercedes gegen Red Bull Racing – da ist Simmering gegen Kapfenberg nichts dagegen.

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Je erbitterter und enger ein WM-Kampf geführt wird, desto eher wird er irgendwann abseits der Rennstrecke fortgesetzt. Max Verstappen und Lewis Hamilton haben diese Stufe der Psychospielchen vor dem Grand Prix von Ungarn am Sonntag (15 Uhr, Servus TV) gezündet. Entfacht wurde sie von Funken im tausende Kilometer vom Hungaroring entfernten Silverstone.

Silverstone-Nachspiel

In Großbritannien war Hamiltons Mercedes mit Verstappens Red Bull kollidiert. Letzterer versprühte Funken, driftete von der Strecke und fiel aus. Hamilton kassierte eine Zehn-Sekunden-Strafe, gewann sein Heimrennen aber trotzdem und verkürzte den WM-Rückstand auf acht Punkte. Eine harte Packung für Verstappen, die Nachwirkungen zeigte.

So attackierte er Mercedes auf der Pressekonferenz am Donnerstag wüst. Hamilton habe die Unfallkurve falsch eingeschätzt, er selbst "nichts falsch gemacht". Dass der Rivale ausgelassen jubelte, während er im Krankenhaus war, zeige, "wie sie wirklich sind". Der Brite habe so getan, "als wäre nichts passiert, nachdem er einen mit 51 G in die Wand gedrückt hat".

Der Mercedes-Pilot konterte. Zu Rennende habe er vom Spitalsaufenthalt nichts gewusst. Und immerhin sei es sein Heimauftritt gewesen, "das waren meine natürlichen Emotionen". Das Manöver verteidigte er nach wie vor: "Ich würde nichts ändern."

Keine Untersuchung

Geändert haben auch die Rennkommissare nichts an ihrer Einschätzung zur Schuldfrage. Red Bull Racing hatte eine höhere Strafe gefordert und Protest eingelegt. Am Donnerstag lehnten die Stewards aber eine weitere Überprüfung des Vorfalls ab. Diese wäre nur erfolgt, wenn das österreichische Team neue signifikante Beweise vorgelegt hätte, etwa bisher unberücksichtigte Kameraperspektiven oder Telemetriedaten. Das misslang aber offenbar. Zur Schadenfreude des Rivalen. "Wir hoffen nicht nur, dass dieser Vorfall beendet wird, sondern dass dies auch das Ende eines konzertierten Versuchs der Geschäftsleitung von Red Bull Racing ist, den guten Ruf und die Integrität von Lewis Hamilton zu trüben", teilte Mercedes danach mit.

Hin und Her

Christian Horner zeigte sich am Freitag "überrascht" über diese Reaktion. Der Red-Bull-Teamchef fand das Mercedes-Statement ein wenig "antagonistisch". Der Protest sei "absolut keine persönliche Attacke" gegen Hamilton gewesen. Das Kapitel sei nun abgeschlossen.

Mercedes-Sportchef Toto Wolff erklärte bei Sky: "Wenn man einen siebenmaligen Weltmeister als Amateur bezeichnet, ist das nicht richtig." Horner hatte die Aktion Hamiltons als "amateurhaften Fehler" bezeichnet. Aber, so Wolff: "Wir sollten deeskalieren und nicht noch mehr Öl ins Feuer gießen." Eine Aussprache zwischen den beiden Bossen gab es jedenfalls noch nicht, auch zwischen den beiden Rivalen Verstappen und Hamilton sind die Wogen nicht geglättet.

"Ich wollte ihn wissen lassen, dass der Respekt noch da ist", berichtete Hamilton über ein Telefonat. "Das beruht vielleicht nicht auf Gegenseitigkeit, aber das ist okay." Der frühere Weltmeister Nico Rosberg, als dessen Ex-Teamkollege selbst bestens vertraut mit harten Duellen gegen Hamilton, erinnert die heurige Rivalität an "Senna gegen Schumacher, Schumacher gegen Alonso, Alonso gegen Vettel". Nachsatz bei Sky Sports: "Und wir werden mehr davon sehen, da bin ich sicher."

Offene Trainingseinheiten

Vielleicht eben in Ungarn. Auf dem Hungaroring hat Hamilton bereits achtmal gewonnen, zuletzt dreimal in Folge. Aber sein Teamchef Toto Wolff sieht auf der verwinkelten Strecke mit den berühmten 180-Grad-Kurven Red Bull vorn.

Verstappen fuhr im ersten Training in 1:17,555 Minuten gleich Bestzeit vor den beiden Silberpfeilen. Im zweiten Training blieb Valtteri Bottas (1:17,012 Minuten) vor seinem Teamkollegen Hamilton und Verstappen. Die Ausgangslage vor dem Qualifying am Samstag (15 Uhr) ist damit offen.

Sebastian Vettel kritisierte wie Lewis Hamilton die umstrittene LGBTQI-Politik in Ungarn. Der Deutsche trägt als Zeichen der Solidarität die Regenbogenfarben auf seinem Helm.
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Kritik an Ungarns Politik

Hamilton kritisierte indes das Gastgeberland. Dieses hatte jüngst ein Gesetz erlassen, das "Werbung" für Homo- und Transsexualität verbietet. Ungarns Premier Viktor Orbán will in einem Referendum über das Gesetz abstimmen lassen. Kritiker sehen einen Schlag gegen die LGBTQI-Gemeinde. Der Mercedes-Pilot stimmt damit überein. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Queers und Intersexuelle müssten geschützt werden. Das Gesetz sei "inakzeptabel, feige und irreleitend".

Aston-Martin-Pilot Sebastian Vettel findet die Vorschrift "peinlich" für ein EU-Land. Seine Sneakers und sein Helm waren am Freitag mit den Regenbogenfarben verziert. Weitere Protestaktionen sind zu erwarten. (Andreas Gstaltmeyr, 30.7.2021)

Ergebnisse der Freien Trainings vom Freitag

1. Session:
1. Max Verstappen (NED) Red Bull 1:17,555 Min.
2. Valtteri Bottas (FIN) Mercedes +0,061 Sek.
3. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +0,167
4. Carlos Sainz Jr. (ESP) Ferrari +0,560
5. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri +0,626
6. Fernando Alonso (ESP) Alpine +0,830
7. Charles Leclerc (MON) Ferrari +0,836
8. Sergio Perez (MEX) Red Bull +0,911
9. Lando Norris (GBR) McLaren +1,094
10. Lance Stroll (CAN) Aston Martin +1,200

2. Session:
1. Valtteri Bottas (FIN) Mercedes 1:17,012 Min.
2. Lewis Hamilton (GBR) Mercedes +0,027
3. Max Verstappen (NED) Red Bull +0,298
4. Esteban Ocon Alpine +0,747
5. Sergio Perez (MEX) Red Bull +0,812
6. Pierre Gasly (FRA) AlphaTauri +1,101
7. Fernando Alonso (ESP) Alpine +1,157
8. Sebastian Vettel (GER) Aston Martin +1,216
9. Lando Norris (GBR) McLaren +1,301
10. Lance Stroll (CAN) Aston Martin +1,308.