Die Klage über zu wenig Köche und anderes Personal im Tourismus hält an. Mit Corona hat das meist nichts zu tun.

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Stammpersonal ist in Gastronomie und Hotellerie zumindest genauso wichtig, wie es Stammgäste sind; beides hilft, die Kosten zu senken, weil einerseits zeitaufwendiges Suchen und Einführen in den Job wegfällt und andererseits weniger Geld für die Bewerbung des Lokals oder Hotels erforderlich ist. Die Mehrzahl der Betriebe sorgt sich aber, dass es in Zukunft noch schwieriger wird, genug stressresistente Fachkräfte zu finden. Gäste lieben ohnehin die Abwechslung.

Dabei ist Fluktuation ein Begriff, der auf kaum eine Branche so zutrifft wie auf den Tourismus. Das verdeutlichen Zahlen des Arbeitsmarktservice (AMS). Von den knapp 230.000 Personen, die im Juni 2019, dem Jahr vor der Pandemie, in einem Tourismusbetrieb in Österreich unselbstständig beschäftigt waren, arbeiten nur noch 60 Prozent in Gastronomie oder Hotellerie. Absolut gesehen waren es im Juni 2021 noch rund 132.000 Personen, die im Tourismus tätig waren und zwei Jahre davor auch dort ihr Geld verdient haben. Was ist aus den anderen 97.000 geworden, die im Sommer vor Corona noch im Tourismus beschäftigt waren?

Abwanderung in andere Branchen

Rund 35.000 sind in andere Branchen abgewandert, etwa 18.000 waren beim AMS als arbeitslos vorgemerkt, rund 4000 haben sich selbstständig gemacht. Ein großer Teil dieser 4000 neuen Selbstständigen dürfte der Branche treu geblieben sein. "Wer sich selbstständig macht, hat in der Regel einschlägige Erfahrungen", sagte Marius Wilk, Leiter des Vorstandsbüros im AMS, dem STANDARD. Typisch sei, dass jemand als Kellnerin oder Koch arbeite und dann ein eigenes Lokal aufmache.

Mit rund 40.000 Personen, die vor zwei Jahren noch im Tourismus beschäftigt waren, jetzt aber nicht mehr, ist die Gruppe der sogenannten "out of labor force" die größte. Darin stecken alle Personen, die aus einem Tourismusjob in Pension gegangen sind, aber auch diverse Karenzen. "Wenn jemand aus Deutschland oder Ungarn kommt und im Tourismus zu arbeiten beginnt, ist diese Person auch in dieser Gruppe, weil er oder sie bisher nicht in der Sozialversicherung registriert war", sagt Wilk.

Ein großer Teil der beim AMS Vorgemerkten seien natürlich noch potenzielle Tourismusbeschäftigte und nicht generell für die Branche verloren. "Aber nicht alle; manche machen auch Ausbildung in andere Bereiche", stellte AMS-Chef Johannes Kopf in einem Twitter-Beitrag klar.

Sorgen der Wirte und Hoteliers

Manche Hoteliers und Gastwirte nannten zuletzt die Corona-Pandemie mit als Grund, warum die Branche die Personalnot so stark spüre. Zwar habe die Regierung mit dem Instrument der Kurzarbeit versucht, der Branche beizuspringen, um in der schwierigen Zeit der Lockdowns Mitarbeiter halten zu können. Die von verschiedener Seite erfolgte Aufforderung, Tourismusmitarbeiter sollten sich doch auf zukunftsträchtigere Berufe umschulen lassen, zeitige nun Folgen.

"Hier passiert nichts Außergewöhnliches": Johannes Kopf, Chef des Arbeitsmarktservice.
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Zahlen des AMS zeigen aber, dass die hohe Fluktuation in der Branche nichts Neues ist und bereits weit vor Corona stark ausgeprägt war. So waren etwa von den im Juni 2015 im Tourismus Beschäftigten zwei Jahre später, im Juni 2017, ebenfalls nur noch 59 Prozent dort aktiv. Ähnlich der Vergleich 2017 und 2019, wo 60 Prozent der zwei Jahre zuvor Beschäftigten noch in der Branche anzutreffen waren. "Das heißt also, dass hier nichts Außergewöhnliches passiert ist", analysiert AMS-Chef Kopf.

Weniger Neueinsteiger

Warum lag dann der Beschäftigtenstand im Tourismus Ende Juni 2021 noch immer um neun Prozent oder rund 20.000 Personen unter dem Wert von Juni 2019 – Klagen vieler Unternehmen über Besetzungsschwierigkeiten inklusive? Das liege abgesehen von der gegenüber 2019 noch vergleichsweise schwachen Nachfrage an den Personen, die normalerweise neu in die Branche kommen, argumentiert Kopf. Wurden von 2015 bis 2017 rund 94.000 Neueinsteiger registriert und von 2017 bis 2019 etwa 97.000, waren es in den vergangenen zwei Jahren nur mehr 76.000 Personen, die im Tourismus neu angedockt haben.

Bei den fehlenden Neueinsteigern entfällt, grob betrachtet, je ein Drittel auf EU-Bürger aus dem Ausland, Berufseinsteiger bzw. Wiedereinsteiger aus dem Inland und Personen, die beim AMS vorgemerkt sind.(Günther Strobl, 31.7.2021)