Es ist ein heikles Thema, an das sich das Photoinstitut Bonartes in der Wiener Seilerstätte 22 heranwagt – wie gewohnt auf hervorragend wissenschaftliche Art zwar, aber doch mit einigem Mut. Denn sehr leicht könnte es auch falsch verstanden werden, sogenannte "Typenfotografie" heute noch auszustellen.
Diese Form der dokumentarischen Fotografie, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert dazu diente, unterschiedliche "Menschentypen", damals sagte man "Menschenrassen", abzubilden, gilt heute als rassistisch und tabu. Für die frühen Völkerkundler und Anthropologen der westlichen Staaten, besonders jener, die Kolonien besaßen, war die Typenfotografie eine Methode, um "untergehende Naturvölker" systematisch zu erfassen.
Das Bonartes-Institut erhielt den fotografischen Nachlass des österreichischen Forschungsreisenden Felix von Luschan. Aus dem Konvolut hat Kuratorin Katarina Matiasek eine Ausstellung destilliert, die behutsam mit dem Thema umgeht.
Zum einen wird die Tätigkeit der Ethnografen erklärt und kritisch eingeordnet, zum anderen hat man sich auf die Suche nach den realen Identitäten der Abgebildeten begeben. 150 Jahre nach den Aufnahmen ist Matiasek tatsächlich noch fündig geworden: zum Beispiel in Papua-Neuguinea, wo man Nachfahren des aus der damaligen deutschen Kolonie nach Berlin verschleppten neunjährigen "Soli" ausfindig gemacht hat. So tragisch die Geschichten hinter den Bildern oft sind, so sinnvoll scheint es, den "Objektivierten" so wieder ein Subjekt zuzuschreiben. (Stefan Weiss, 31.7.2021)