Die Stationen der U2 im gesperrten Abschnitt werden runderneuert.

Foto: robert newald

Wien – Es riecht nach Flex unter dem Volkstheater. Flex, Staub und Abgase. Dort, wo noch bis in den Frühling die Züge der U2 alle paar Minuten hunderte Menschen unter der Stadt hindurchgeschoben haben, steht jetzt ein Mann in einem hellgrauen Nadelstreifanzug und lächelt. Es ist Peter Hanke (SPÖ), Wirtschaftsstadtrat der Stadt Wien. Er freut sich über das "Generationenprojekt", wegen dem die Wiener Linien hier am Montag durch einen U-Bahn-Tunnel leiten, der gerade ausgeweidet wird: den Bau der U5 und die Modernisierung der U2.

Während andere Länder noch nachdenken, wie sie das Klima schützen können, sei Wien schon in der Umsetzung und brauche nicht mehr nachzudenken, sagt Hanke. Denn durch dem U-Bahn-Ausbau spare man 75.000 Tonnen Kohlendioxid-Emissionen. An dieser Stelle könnte eine Spitze über die Klimapolitik der Stadt Wien und ihre Liebe zum Straßenbau stehen, aber zurück zur U-Bahn.

Schwere Bahnsteigtüren

Der Wiener U-Bahn-Ausbau im Überblick.
grafik: der standard

Seit Ende Mai ist der U2-Abschnitt zwischen Karlsplatz und Rathaus gesperrt, als Ersatz fährt die Straßenbahn U2Z. Seitdem wurden laut den Wiener Linien 80 Kilometer Stromkabel und 130 Kilometer Signal- und Fernmeldekabel aus dem Tunnel gerissen. Zwölf Rolltreppen und zwei Aufzüge wurden ebenfalls schon ausgebaut, weitere folgen: Wenn man eine U-Bahn-Strecke schon zwei Jahre lang sperrt, erneuert man alles, was zu erneuern ist.

Auch die Bahnsteigkanten werden neu gebaut: Denn künftig fährt hier die U5 – und das vollautomatisch. Das bedeutet auch, dass Bahnsteigtüren eingebaut werden. Sie öffnen sich nur dann, wenn gerade ein Zug zum Einsteigen bereitsteht, um Unfälle zu verhindern. Weil die gläsernen Bahnsteigtüren sehr schwer sind, muss die Bahnsteigkante verstärkt werden.

Sonniges Nadelöhr

Eine U-Bahn-Station braucht man nicht zu fahren, diese Strecke kann man auch zu Fuß gehen. Das gilt auch unter Tage und vor allem, wenn die U-Bahn dort nicht mehr fährt. Der Fußmarsch entlang der nur noch teilweise vorhandenen Gleise fühlt sich merkwürdig an und wird nicht dadurch erleichtert, dass der Trupp von einem Baufahrzeug auf Schienen verfolgt wird.

Auf halbem Weg zwischen der Station Volkstheater und der Station Rathaus fällt Sonnenlicht in den Tunnel: ein Loch. Es klafft auf dem Schmerlingplatz, ziemlich genau zwischen Parlament und Justizministerium. Davor hebt ein Bagger Metallteile auf ein riesiges Laufband, vom Laufband plumpsen die grauen Brocken in eine Mulde. Wenn sie voll ist, hebt sie ein Kran an die Oberfläche.

Komplizierte Umsteigestation

Es ist ein furchtbar enges Nadelöhr, denn es gibt viel Schutt und Material aus dem Tunnel zu holen. "Wir hätten die Einbringöffnung viel lieber direkt über den Gleisen gehabt", dann hätte man alles direkt auf die Strecke herein- und herausheben können, sagt Michael Freidl, der für die Wiener Linien diesen Bauabschnitt verantwortet. Doch direkt über den Gleisen der U-Bahn verlaufen jene der Straßenbahnlinie 2. Also der Umweg über die Mulde. Das macht das Unterfangen nicht einfacher.

Das Material aus dem Tunnel an die Oberfläche zu bekommen ist ein mühsames Unterfangen.
Foto: robert newald

Einige Meter weiter wird es noch einmal komplizierter. Denn während es bei der Strecke zwischen Karlsplatz und Rathaus "nur" um ein Update für den bestehenden U2-Tunnel geht, entsteht hinter dem politischen Zentrum der Stadt eine komplette Umsteigestation: der Punkt, wo U2 und U5 einander künftig kreuzen werden. 25 Meter unter der bestehenden Trasse wird ein zweiter Tunnel gegraben, der später mit der neuen U5-Strecke verbunden werden soll. Dafür muss aber zuerst die Statik gestärkt werden, eine ein Meter dicke Betonplatte sorgt für Stabilität zwischen den Linien.

Rund um die Station werden rund 200 Pfähle in die Erde gestoßen. Die Maschinen dafür ragen meterhoch in die Luft und schaffen ungefähr zwei Pfähle pro Tag und Stück. Maximal zwei davon sind im Einsatz. Damit sie auf festem Boden stehen, werden die Stationseingänge hinter dem Rathaus abgerissen und die Löcher aufgefüllt.

Verständnis in der Bevölkerung

Die Einschränkungen für den Umbau sind massiv. Wiener-Linien-Geschäftsführer Günter Steinbauer verweist auf eine Umfrage, der zufolge 90 Prozent der Wienerinnen und Wiener den Ausbau für notwendig erachteten und Verständnis für die Auswirkungen hätten.

Ab Herbst 2023 soll die U2 zwischen Karlsplatz und Rathaus wieder fahren – dann schon mit den schweren Bahnsteigtüren. (Sebastian Fellner, 2.8.2021)