Was genau Armin Wolf zum Ausdruck bringen wollte, ist rechtlich nicht entscheidend. Es kommt stets nur darauf an, wie eine Äußerung von den Lesern im Gesamtzusammenhang aufgefasst wird.

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Es ist hinreichend bekannt, dass ORF-Anchorman Armin Wolf ein unlängst im "Kurier" veröffentlichtes Inserat des "Außerparlamentarischen Corona Untersuchungsausschuss Austria (ACU)" auf Twitter als "Corona-Leugner-Inserat" bezeichnet hat. Es folgte eine Klage einzelner Mitglieder des ACU und eine Gerichtsverhandlung. Die Entscheidung soll innerhalb der nächsten Wochen schriftlich ergehen. Grund genug für eine Prognose über den zu erwartenden Prozessausgang. Und die lautet: Klageabweisung aus gleich mehreren Gründen. Doch der Reihe nach.

Armin Wolf wollte seinen Tweet als Kritik am "Kurier" verstanden wissen. Allerdings bezeichnete er darin das Inserat der Kläger auch als "Corona-Leugner-Inserat". Es wird somit ganz entscheidend darauf ankommen, wie dieses Zitat zu verstehen ist. Was genau Armin Wolf damit zum Ausdruck bringen wollte, ist vom rechtlichen Standpunkt her nicht entscheidend, da es stets nur darauf ankommt, wie eine Äußerung von den Lesern im Gesamtzusammenhang aufgefasst wird. Die Kläger meinen, Armin Wolf würde ihnen generell das Leugnen der Existenz von Corona unterstellen. Sprachlogisch ist dieses Zitat allerdings nur dahingehend zu verstehen, dass dessen Urheber etwas im Zusammenhang mit Covid-19 wider besseres Wissen für unwahr halten oder nicht gelten lassen.

Was genau, bleibt im Zitat selbst gerade unklar – generell die Existenz von Corona, dass Corona eine Krankheit ist und eine Gefahr darstellt, irgendetwas anderes? Da Armin Wolf auf ein konkretes Inserat der Kläger verweist, muss dessen Inhalt bei der Beurteilung zusätzlich berücksichtigt werden. In ihrer Werbeanzeige leugnen die Kläger zwar nicht generell Covid-19 oder die Pandemie, allerdings stellen sie bemerkenswerte Behauptungen im Zusammenhang mit Corona auf: Masken seien nutzlos und gesundheitsschädlich, PCR-Tests könnten weder Infektion noch Infektiosität oder Krankheit feststellen, und die mRNA-Impfung sei nicht verantwortungsvoll geprüft worden, weswegen die überwiegende Mehrheit der Wissenschafter vor den drohenden Impfnebenwirkungen warnen würde.

Wahrheit versus Unwahrheit

Und somit kristallisiert sich der naheliegende und somit rechtlich relevante Sinngehalt heraus: Der gegen die Kläger gerichtete Vorwurf basiert auf deren ganz konkreten Behauptungen über Masken, Tests und Impfungen. Jedes andere Verständnis wäre nicht haltbar. Sind diese Behauptungen der Kläger somit wahr, ist die von Armin Wolf über sie aufgestellte Behauptung, sie seien Leugner, unwahr – und umgekehrt.

Immer wenn es um Wahrheit oder Unwahrheit geht, stellt sich die Frage, wer diese zu beweisen hat. Im vorliegenden Fall müssen die Kläger die Unwahrheit der Behauptung von Armin Wolf beweisen. Die Behauptung von Armin Wolf ist aber nur dann unwahr, wenn wiederum die eigenen Behauptungen der Kläger in ihrem Inserat wahr sind.

Sämtliche Behauptungen der Kläger werden für Armin Wolf und das Gericht auch ohne Fachkenntnis aus dem medizinischen Bereich wohl sehr einfach als unwahr zu widerlegen sein. Covid-19 ist eine Atemwegserkrankung, deren Virus hauptsächlich durch Atmen, Sprechen, Husten und Niesen freigesetzt und über die Atemwege aufgenommen wird. Warum vor diesem Hintergrund Mund-Nasen-Schutzmasken nutzlos sein sollen, ist bestenfalls unverständlich. Dass der PCR-Test das zuverlässigste Verfahren zum Corona-Nachweis darstellt, ist ebenfalls unbestritten. Hinsichtlich der mRNA-Impfungen ist hinreichend bekannt, dass keine Phasen der Impfstoffentwicklung ausgelassen wurden. Der Nachweis seltener Nebenwirkungen kann nur durch eine hohe Anzahl von Impfungen erfolgen. Das ist gerade bei mRNA-Impfungen mehr als bei jeder anderen Impfung nach deren erster Zulassung gegeben. Auch angesichts der Millionen Todesopfer im Zusammenhang mit Covid-19 ist nicht nachvollziehbar, wieso die Herstellung von geeigneten Impfstoffen als einzige wirkliche Alternative verantwortungslos sein kann. Dass schließlich die Mehrheit der Wissenschafter vor den Nebenwirkungen der mRNA-Impfungen warnt, ist nicht belegt.

Hier ergeben sich für das Gericht also ausreichend Anhaltspunkte, die Behauptungen der Kläger in ihrem Inserat als unwahr einzustufen. Aber zur Erinnerung: Es liegt gar nicht an Armin Wolf, die Unwahrheit dieser Behauptungen zu beweisen, vielmehr müssen die Kläger deren Wahrheit beweisen. Und das wird ihnen wohl nicht möglich sein.

Wettkampf der Meinungsfreiheiten

Doch die zu erwartende Klageabweisung ergibt sich auch noch aus einem anderen Grund. Gerade bei Debatten zu Themen von großem allgemein-öffentlichem Interesse, was auf die Corona-Pandemie natürlich zutrifft, ist ein großzügiger Maßstab anzusetzen. Dies gilt umso mehr, wenn sich die beteiligten Akteure selbst in das öffentliche Rampenlicht begeben und Äußerungen tätigen, die geeignet sind, Kritik auf sich zu ziehen. Kurzum: Wer wie die Kläger provokante Äußerungen tätigt, deren Wahrheit sich für diese nicht beweisen lässt, muss mit Kritik rechnen. Und die kam von Armin Wolf in sachgerechter Form und ohne Wertungsexzess.

Schließlich kann man all das auch als eine Art Wettkampf der Meinungsäußerungsfreiheiten betrachten, wie der befasste Richter mit seinem Hinweis "Es scheint mir, hier steht Meinungsfreiheit gegen Meinungsfreiheit" durchblicken ließ. Aber was soll dann gelten? Es darf und kann keine wichtigere Meinung geben. Dann darf aber nicht nur die Kritik der Kläger erlaubt sein, sondern auch die Kritik von Armin Wolf an den Klägern. (Sascha Jung, 2.8.2021)