"Salz hat die Region geprägt, heute ist das mehr als Metapher zu sehen": Die gebürtige Wienerin Elisabeth Schweeger will nach den Anlaufschwierigkeiten nun Teamwork walten lassen.

Die arge Lola

Dreißig Jahre lang arbeitete die gebürtige Wienerin Elisabeth Schweeger hauptsächlich für deutsche Kulturinstitutionen – als Intendantin am Schauspielhaus Frankfurt oder zuletzt bei den Kunstfestspielen Hannover. Als Kuratorin war sie immer wieder auf beiden Seiten der deutsch-österreichischen Grenze tätig. Jetzt aber übernimmt sie noch einmal ein hiesiges Großprojekt: Die Leitung der Kulturhauptstadt Bad Ischl mit der Region Salzkammergut im Jahr 2024. Schweegers Berufung ist nun erst im Nachfassen erfolgt, nachdem man sich vom ursprünglichen Leiter Stephan Rabl getrennt hatte. Unstimmigkeiten im Team sollen der Grund gewesen sein. Schweeger muss die Wogen nun rasch glätten. Zum Salzkammergut hat sie familiäre Bezüge und kennt die Region vor allem auch als Urlauberin.

STANDARD: Sie wurden unter 69 Bewerberinnen und Bewerber letztlich einstimmig zur neuen Leiterin der Kulturhauptstadt 2024 bestellt. Können Sie garantieren, dass Sie das Projekt auch wirklich bis 2024 betreuen werden?

Schweeger: Ich habe noch nichts angefangen, was ich nicht auch zu Ende gebracht habe.

STANDARD: Sie haben zwar viel Erfahrung im Kulturmanagement, sind aber in Wien geboren. Welchen Bezug haben Sie zum Salzkammergut?

Schweeger: Ich habe familiäre Bezüge, habe jahrelang immer wieder dort Urlaub gemacht. Und ich war beruflich viel in Oberösterreich und Salzburg tätig.

STANDARD: Von Stephan Rabl hatte man sich getrennt, weil es atmosphärisch nicht gepasst haben soll. Ist das der einzige Grund?

Schweeger: Dazu kann ich nichts sagen, das müssen Sie andere fragen.

STANDARD: Was wollen Sie anders machen?

Schweeger: Ich kann nicht sagen, was anders sein wird, sondern nur sagen, was ich machen werde. Und das ist, so wie ich es aus meinen früheren Tätigkeiten gewohnt bin, vor allem im Team zu arbeiten.

STANDARD: Durch den Leitungswechsel und die Pandemie ist nun wohl schon viel Planungszeit draufgegangen. Wird man alle Vorhaben zeitgerecht umsetzen können?

Schweeger: Die Zeit ist knapp, aber mit diesem engagierten Team, das wir haben, werden wir das schaffen.

STANDARD: Wie zufrieden sind Sie mit den budgetären Bedingungen?

Schweeger: Das Budget ist mit ca. 26 Millionen gesichert. Es ist nicht so viel wie bei Linz 09, aber damit kann man arbeiten. Das, was fehlt, wird man durch die Netzwerke an Unterstützern und Partnern aktivieren, wir werden Kooperationen suchen. Also da mache ich mir keine Sorgen.

STANDARD: Als Motto wurde "Salz und Wasser" ausgegeben. Das klang stark nach Nachhaltigkeit, Ökologie. Zuletzt nannte man sich dann plötzlich "die Originale". Das wirkte unausgegoren, wurde auch nicht schlüssig erklärt. Muss sich das Projekt erst finden?

Schweeger: Die inhaltlichen Linien stehen fest: Wie geht man mit Tradition um? Wie mit dem Hypertourismus? Salz hat die Region geprägt, heute ist es mehr als Metapher zu verstehen, ohne Salz kann der Mensch nicht leben, ohne Kunst und Kultur aber auch nicht. Nachhaltigkeit ist da Grundvoraussetzung und der Respekt vor der Natur unabdingbar. Im Bewerbungsbuch ist ja vieles schon sehr ausführlich ausgearbeitet. Das werden wir vertiefen und dementsprechend umsetzen. Zur "Originale" werden wir im Team gemeinsam entscheiden. Es war wohl mehr eine Übergangslösung.

STANDARD: Der Slogan "Kultur ist das neue Salz" zielt auf den postmodernen Trend ab, abgewirtschaftete Industriegebiete für die Kulturwirtschaft neu zu erschließen. Ist das also auch ein Modell für das Salzkammergut?

Schweeger: Ja. Es ist geplant, dass man alte Industriebauten kulturell nutzt, etwa für Ateliers oder die Kreativwirtschaft. Kulturschaffende in die Region zu locken ist sehr wichtig. Und das soll dann auch bleiben und weiterentwickelt werden. Denn dafür werden Kulturhauptstädte ja gemacht, dass sich die ländliche Region nachhaltig kulturell belebt. Es sollte nicht ein einmaliger Event sein.

STANDARD: Das Thema des vielbeklagten Overtourism empfinden viele als widersprüchlich: Warum bewirbt man sich als europäische Kulturhauptstadt, wenn man aber gar nicht mehr Tourismus haben will, sondern weniger?

Schweeger: Ich denke, man will nicht weniger, sondern qualitativeren Tourismus. Wir wollen andere Formen finden, die sich nicht nur auf kurze Saisonen im Sommer und Winter konzentrieren, sondern über das ganze Jahr gehen. Das Bestreben gibt es in vielen attraktiven Gebieten, etwa in Südfrankreich, wo im Sommer zwar alle hinströmen, aber ab Herbst ist die Region wie ausgestorben. Das ist ein Problem. Die Pandemie hat gezeigt, dass es auch anders gehen kann, dass wir regional leben können und trotzdem global handeln. Die ländliche Region muss daher ganzjährig viel bieten. Das gilt es zu entwickeln.

STANDARD: Kann man die Bad Ischler Bewerbung auch so verstehen, dass sie sich weniger nach außen, sondern mehr nach innen richtet?

Schweeger: Man muss sich Gedanken darüber machen, was war? Wie geht man mit der Geschichte um? Und wie steigert man die kulturelle Attraktion der Gegend? Wie gestalten wir die Zukunft ohne die Ressourcen zu zerstören. Der Blick "nach Innen" ist für mich auch einer auf Europa. Der Blick nach außen ist der, wie die Welt auf Europa schaut und wie wir mit der Welt interagieren.

STANDARD: Mit ein Grund für die Bevorzugung von Bad Ischl gegenüber St. Pölten bei der Bewerbung war ja, dass Bad Ischl als Initiativ-Bewerbung von unten wahrgenommen wurde, St. Pölten hingegen als politische Bewerbung von oben. Beides hat Vor- und Nachteile, wie man jetzt sieht. Oder?

Schweeger: Ja natürlich, es gibt immer zwei Seiten. Aber das ist ja normal. Die Bewerbung von Bad Ischl ist authentisch, sie ist ein Anliegen der Ansässigen. Die ganze Region will stärker zusammenwachsen. Das finde ich gut.

STANDARD: Eine Bewerbung von unten bringt mit sich, dass sie sehr vielstimmig ist. Ist das die Herausforderung?

Schweeger: Es ist ein Glück. Weil es eine Vielfalt bringt, die ein Garant für eine reichhaltige und nachhaltige Kulturlandschaft ist. Die Herausforderung ist, dass bei aller Buntheit die Region sich als eine Gemeinschaft sieht, miteinander kooperiert und sich austauscht.

STANDARD: Mit Rückblick auf Graz 03 und Linz 09 gedacht: Was soll letztlich von Bad Ischl 2024 bleiben?

Schweeger: Die Kultur muss ein Bestandteil des Alltagslebens werden. Die Vernetzung der Gemeinden wird wesentlich sein, die vorhandenen kulturellen Einrichtungen sollten optimiert und internationalisiert werden, Bildungseinrichtungen gegründet, Kulturzentren eröffnet werden. Also bestehende Strukturen in die Gegenwart führen und zukunftsfähig machen. Das soll bleiben.

STANDARD: Der Strategiewechsel, der stattgefunden hat, dass man ganze Regionen in den Blick nehmen will: Ist das auch weiterhin sinnvoll?

Schweeger: Die Städte werden immer größer, und daher muss man sich fragen, wo die ländlichen Regionen bleiben. Beim Kulturhauptstadtprogramm hat man das schon länger erkannt, und das rückt in den letzten Jahren jetzt auch gesamtgesellschaftlich stärker in den Fokus. Das finde ich gut und wichtig. (Stefan Weiss, 3.8.2021)