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Die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja

Foto: REUTERS/ISSEI KATO

Wieso nicht Österreich? Die Frage hat sich im Fall von Kristina Timanowskaja durchaus gestellt. Die belarussische Sprinterin hat bei den Olympischen Spielen ihre Trainer kritisiert, daraufhin wurde sie in den staatlichen Medien als Vaterlandsverräterin hingestellt. Funktionäre hießen sie, ihre Koffer zu packen, und wollten sie zur vorzeitigen Heimreise zwingen. Den Befehl dazu, daran gibt es keinen Zweifel, hatte Diktator Alexander Lukaschenko höchstpersönlich gegeben. Timanowskaja wehrte sich, informierte Medien und die Polizei und gab an, die österreichische Botschaft kontaktieren zu wollen. Sie gehört seit zwei Jahren der Gruppe des Trainers Philipp Unfried an, bestreitet hierzulande Meetings, fährt auf Trainingslager mit.

Weltweite Schlagzeilen

Kein Wunder, dass ihr Österreich eingefallen ist. Kein Wunder auch, dass sie es mit der Angst zu tun bekommen hatte und nicht zurück nach Minsk wollte. Ihre Geschichte ist zu schnell zu groß geworden, weltweit gibt es Schlagzeilen. In Belarus müsste die 24-Jährige um ihre Sicherheit fürchten. Man halte sich die Brutalität vor Augen, mit der Lukaschenko seit der von ihm manipulierten Wahl vor einem Jahr gegen friedliche Demonstranten vorgeht. Man erinnere sich an das Flugzeug, das der Machthaber zur Landung in Minsk zwang, um des kritischen Journalisten Roman Protassewitsch habhaft zu werden – und an die furchtbaren TV-Aufnahmen, aus denen klar hervorging, dass Protassewitsch gefoltert wurde. Kurze Frage zwischendurch: Wie geht es Protassewitsch, wer setzt sich für ihn ein?

Österreichs Außenministerium gab noch am Sonntagabend bekannt, dass "keine Kontaktaufnahme der genannten Sportlerin mit der österreichischen Botschaft in Tokio stattgefunden" habe. Österreich wartete ab, Österreich hielt die Füße still. Andere wurden aktiv. Tschechien und Polen boten Timanowskaja Visa an, auch Slowenien und Frankreich stellten flott in Aussicht, ihr Asyl zu geben. Sloweniens Ministerpräsident Janez Janša twitterte: "Kristina ist in Slowenien willkommen." Und Frankreichs Außenminister Clément Beaune nannte die Aufnahme der Läuferin "eine Ehre für Europa". Da schwingt dann auch mit, dass das Belarus von Lukaschenko kein Teil Europas ist.

Zweitgrößter Investor

Es dürfte Polen werden – obwohl Österreich naheliegend war. Warum die offiziellen Stellen des Landes in der Causa nicht von sich aus aktiv geworden sind, darüber kann nur spekuliert werden. So sieht es sich zumindest der Vermutung ausgesetzt, dass die guten wirtschaftlichen Beziehungen zu Belarus eine Rolle spielten. Nach dem großen Russland ist das kleine Österreich der zweitgrößte Investor im Lukaschenko-Land.

Auch für das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist der Umgang mit Belarus kein Ruhmesblatt. Es hat Lukaschenko erst Ende 2020 ausgeschlossen, die Sanktion kam spät angesichts der Tatsache, dass der Diktator seit 1997 auch dem Olympischen Komitee von Belarus vorstand. Die Politik darf sich nicht in den Sport einmischen, so lautet ein IOC-Grundprinzip. In Belarus hat es nie gegolten, dort waren Staat und Sport stets untrennbar. Auch hunderte Sportler und Sportlerinnen sind aufgestanden gegen Lukaschenko. Viele haben ihre Jobs, Unterstützung und Trainingsmöglichkeiten verloren. Ihnen sollte Unterstützung signalisiert werden, wo es nur geht. Im Fall Timanowskaja hat Österreich eine Chance ungenützt gelassen. (Fritz Neumann, 2.8.2021)