Berlin/Wien – Es war ein neuer Kampfschauplatz im jahrzehntelangen Ringen der "Krone"-Gesellschafter um das Sagen und das Geld bei Österreichs weitaus größter Tageszeitung. Aber das Kammergericht Berlin schickte die deutsche Funke-Mediengruppe nach STANDARD-Informationen zurück zu jenen Schiedsgerichten nach Schweizer Recht, bei denen sie im Kampf um die "Krone" bisher wenig Erfolg hatte.

Die Berliner Entscheidung, nicht rechtskräftig

Im November 2020 beantragte die Funke-Gruppe beim Berliner Kammergericht, es möge feststellen, dass Schiedsgerichte nicht für Streitfragen zwischen den "Krone"-Gesellschaftern zuständig sind. Parallel dazu lief schon ein Verfahren gegen die Zuständigkeit von Schiedsgerichten vor dem Handelsgericht Wien – es wurde im Frühjahr für jenes vor dem Berliner Kammergericht ausgesetzt.

Das Berliner Kammergericht hat in dem Verfahren unter der Aktenzahl 12 Sch 1017/20 inzwischen entschieden, wie der Pressesprecher der Berliner Zivilgerichte, Richter Thomas Heymann, am Montag auf STANDARD-Anfrage erklärte: "Mit Beschluss vom 19. Juli 2021 hat der 12. Zivilsenat des Kammergerichts in dem Verfahren 12 Sch 1017/20 den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens als unbegründet zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens auferlegt."

Laut Heymann ist die Entscheidung nicht rechtskräftig, eine Rechtsbeschwerde dagegen beim deutschen Bundesgerichtshof sei bis einen Monat nach Zustellung des Beschlusses möglich.

DER STANDARD ersuchte die Funke-Gruppe nach der Auskunft des Gerichts am späten Montagnachmittag um Stellungnahme zur Entscheidung – und ob sie Beschwerde einlegen werde. Die Anfrage blieb zunächst ebenso unbeantwortet wie eine bei der Anwältin der Familie Dichand zum Thema.

Verfahren vor dem Handelsgericht

Im Verfahren vor dem Handelsgericht Wien ließ die zuständige Richterin Ende August 2020 recht deutlich durchklingen, dass sie (wie nun das Berliner Kammergericht) Schiedsgerichte zuständig sieht, wenn die "Krone"-Gesellschafter streiten. Sie kündigte schon ein schriftliches Urteil an und wollte nur noch einmal verhandeln, wenn sie doch noch Klärungsbedarf sehe.

Im Frühjahr 2021 lud sie doch zur zu einer weiteren Verhandlung, um einen zuständigen Funke-Manager zu befragen. Die schon anberaumte Verhandlung und das Verfahren wurden schließlich bis zur Berliner Entscheidung ausgesetzt.

Schiedsrichter bestätigten "Krone"-Verträge

Die Funke-Gruppe hat ihr Vertrauen in Schiedsgerichte nach Schweizer Recht nach rund einem Dutzend über die Jahre verlorenen Verfahren verloren: Im Mai 2020 bestätigte zuletzt ein Schweizer Schiedsgericht, dass eine Kündigung der Vorrechte der Dichands eine Kündigung der Gesellschaftsverträge bedeutet – und so einfach nicht geht (mehr unten).

Schweizer Höchstgericht bestätigte Schiedsrichter

Das Schweizer Bundesgericht bestätigte im April 2021 das von der Funke-Gruppe bekämpfte Schiedsurteil über die Kündbarkeit der Verträge und sein Zustandekommen.

Die Funke-Gruppe sprach inzwischen weitere Kündigungen aus.

Worum es geht: Der "Krone"-Streit im Überblick

So bunt treiben es die "Krone"-Gesellschafter – ihr seit Jahrzehnten ausgetragener Streit im Überblick:
Foto: fid

Worum geht es? Die Essener Funke-Mediengruppe und der Immobilienmilliardär René Benko halten gemeinsam 50 Prozent an der "Kronen Zeitung" und fast 50 Prozent am "Kurier", den beiden Tageszeitungen wiederum gehört Österreichs größter Verlagskonzern Mediaprint.

Die anderen 50 Prozent an der "Krone" gehören den Erben des Gründers Hans Dichand, seiner Witwe Helga und den Kindern Michael, Johanna und Christoph Dichand zu gleichen Teilen (auch das liefert einen Angriffspunkt).

Die Gesellschaftsverträge vom Einstieg der Funke-Gruppe Ende der 1980er-Jahre (und in den 2000ern auch unterschrieben) sichern den Dichands Vorabgewinne, Vorrechte bei Personal und Redaktion sowie Vorkaufsrechte auf die Anteile der Mitgesellschafter.

Benko übernahm Ende 2018 fast die Hälfte der 50 Funke-Prozente und will sie komplett kaufen – rund 80 Millionen Euro zahlte seine Signa dafür beim Einstieg, weitere 80 sollen für die übrigen Funke-Anteile vereinbart sein. Aber: Dafür müssten die Dichands auf Vorkaufsrechte verzichten – oder die Vereinbarung darüber in den Syndikatsverträgen müsste fallen.

Die Funke-Gruppe spricht seit Jahren wiederholt die Kündigung dieser Rahmenvereinbarungen aus, und 30 Jahre nach dem Einstieg bei der "Krone" ist die Kündigung auch grundsätzlich möglich.

Doch die Dichands sehen die Syndikats- und Rahmenvereinbarungen untrennbar mit den Verträgen über die "Krone"-Gesellschaft(en) verknüpft. Und wer die kündigt, muss seine Anteile zum sehr günstigen Buchwert dem oder den anderen Gesellschaftern verkaufen.

Das tut man ungern bei einem jedenfalls potenziell hochprofitablen Zeitungsriesen: Mit fast 650.000 verkauften Exemplaren im Wochenschnitt und fast 550.000 Abos (mehr als doppelt so viele wie der zweitgrößte Player im Zeitungsmarkt) liefern schon die Vertriebseinnahmen der "Kronen Zeitung" solide dreistellige Millionenbeträge pro Jahr, dazu kommen die Werbeeinnahmen. Der "Krone"-"Kurier"-Verlag Mediaprint setzte 2019/20 393,5 Millionen Euro um.

Unter dem Strich blieb in dem Geschäftsjahr laut Jahresabschluss deutlich weniger als eine Million übrig – das bedeutet nach den Syndikatsverträgen, dass die Funke-Gruppe den garantierten Jahresgewinn der Dichands in hoher einstelliger Millionendimension nach Wien überweisen muss. Die Funke-Gruppe legt sich wieder gegen die Gewinnausschüttung quer, ein von den Dichands angestrengtes Schiedsverfahren darüber läuft. Zumindest einmal schon entschied ein Schiedsgericht, dass die Funke-Gruppe ihren Garantiegewinn überweisen muss, wenn ihn die Gesellschaft nicht abwirft.

Ein neues Schiedsverfahren gegen die Blockade einer früheren Gewinnausschüttung läuft schon wieder. (Harald Fidler, 3.8.2021)