Volle Gastgärten bei usbekischer Küche – auf einmal geht das auch in Wien. Im Ikat machen sie es richtig.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Die gefüllte Nudel, besagt eine ebenso gewagte wie gut recherchierte Theorie, hat überall den einen, immergleichen Ursprung. Ob Kärntner Kasnudeln oder modensische Tortellini, ob koreanische Mandu, afghanische Mantu, persische und türkische Manti oder nepalische Momos, ob russische Wareniki, Tiroler Schlutzer, polnische Pierogi, georgische Chinkali, aschkenasische Kreplach oder piemontesische Agnolotti al plin: ist alles, ausnahmslos und durch die Bank, dem Land der kulinarischen Verheißung zu verdanken. Kommt einem nach kurzem Nachdenken auch total logisch vor: In China füllen sie Jiaozi, Wantan und andere Baozi schon seit Jahrtausenden.

Teigtaschen sind so ziemlich das tollste Essen überhaupt, und praktisch (weil transportfähig) noch dazu. Womit wir eh schon am Ziel sind: mitten auf der Seidenstraße, jenem Geflecht zu Recht legendärer Handelswege, die das Reich der Mitte mit Europa, und konkret mit den für die Kultur des Kontinents definierenden, oberitalienischen Republiken und Fürstentümern des ausgehenden Mittelalters, verbanden.

Die Pax Mongolica des Dschingis Khan soll nach dieser Theorie die zuvor notorisch unsichere Handelsstraße so beruhigt haben, dass es auch Zeit und Möglichkeiten für kulinarischen Austausch der anspruchsvollen Art gegeben habe. Nicht zufällig ist das erste Raviolirezept aus Venedig erhalten – und aus dem 14. Jahrhundert, bald nach der größten Ausdehnung des mongolischen Imperiums nach Europa.

Koreanische Mandu gibt es seit Jahren bei Mandu & Co am Rochusmarkt, afghanische Mantu im großartigen Asman in der Schlachthausgasse, türkische Manti gleich ums Eck am Kardinal-Nagl-Platz, nepalesische Momos in der Hofmühlgasse – und so weiter.

Wien hat bei den Küchen des mittelfernen Ostens ganz brav aufgeholt. Seit dem Lockdown-Ende hat auch das Ikat offen, eine usbekische Nummer im zentrumsnahen Teil der Liechtensteinstraße, wo die entsprechenden Manti in zweifacher Ausführung auf der Karte stehen: einerseits vegetarisch mit Kürbis und Zwiebeln gefüllt, andererseits mit Fleisch – und auch nicht wenig Zwiebeln.

Schon die Größe der Taschen – eine Verwandtschaft zu Kasnudeln drängt sich angesichts der mächtigen Pletschen ganz automatisch auf – zeigt auf, wie verschieden die Dinger auch bei gleichem Namen sind. Türkische Manti etwa gelten nur dann als wirklich gut, wenn sie richtig klein – kaum daumennagelgroß – sind. Der Teig ist köstlich elastisch, die Füllen zeichnen sich durch aparte Derbheit aus – nicht püriert oder faschiert, sondern durchaus bissfest in halbzentimetergroße Stücke gehackt.

Der Spieß des Ostens

Schaschlik, den Spieß des Ostens, gibt es mit Lamm und Huhn.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Schaschlik, den Spieß des Ostens, gibt es mit Lamm und Huhn, besonders gefällt er in der Variante mit faschiertem Rind: köstlich saftig, vom Aroma der Flammen mindestens so getragen wie von jenem der "geheimen" Würze, in der Kreuzkümmel und Koriander mitspielen.

Plov, noch so ein legendäres Gericht der Seidenstraßen-Internationale des guten Essens (anderswo als Pilaf, Palau, Pulaw, Polow oder Reisfleisch bekannt), wird wunderbar mild und bekömmlich, mit Lamm, geschmort, sehr gut.

Dazu trinkt man georgische Estragonlimonade "Tarkhun", sehr grün, sehr süß. Oder, für Radikalexotiker viel besser, den erfrischend fermentierten Brot-Drink Kvas. Georgischen Wein gibt es auch – derweil aber noch keinen der gerade so begehrten Amphorenweine, für die das Land gerühmt wird.

Die Preise sind jedenfalls kulant, der Pop aus dem scheppernden Outdoor-Lautsprecher alt, der Service sehr zuvorkommend. So was mögen die Wiener, also lohnt es trotz der Exotik der Küche, unbedingt zu reservieren. (Severin Corti, RONDO, 6.8.2021)

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