Eine der ersten Corona-Impfungen in Österreich im Dezember 2020.

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Am Sonntag, dem 27. Dezember saßen zahlreiche Journalistinnen und Journalisten in einem Raum und starrten auf einen Bildschirm. Darauf war zu sehen, wie in einem anderen Raum Menschen gegen das Coronavirus geimpft wurden. Ein eigenartiger Pressetermin, bedenkt man, dass seither über neun Millionen Mal Impfdosen in Oberarme gespritzt wurden.

Auf jene Menschen, die damals den ersten Stich bekamen, kommt nun langsam der Drittstich zu. Doch dazu gibt es noch einige offene Fragen. Fest steht: Laut Verordnung enden die Zutrittserleichterungen für Geimpfte neun Monate nach dem Zweitstich. Wer im Dezember geimpft wurde, hatte drei Wochen Abstand bis zum zweiten Stich und damit nun noch bis Mitte Oktober Zeit.

Klingt nach reichlich viel, hätte nicht etwa der Impfexperte Herwig Kollaritsch schon im Juni dazu aufgerufen, sich auf die Drittstiche vorzubereiten. Und würde nicht noch die offizielle Empfehlung fehlen, dass es sie überhaupt braucht. Aus dem Gesundheitsministerium heißt es dazu, eine Impfempfehlung zur Drittimpfung der Allgemeinbevölkerung werde "zu gegebenem Zeitpunkt" vom Nationalen Impfgremium ausgesprochen. Derzeit bekommen diese Personen nur in Ausnahmefällen, 300-mal sei das passiert.

Die Umsetzung der sogenannten Booster-Impfung solle aber "wie bewährt" fortgesetzt werden, Organisation und Verteilung sollen laut Ministerium also über den Bund erfolgen, Umsetzung und Verimpfung bleiben Ländersache. Allerdings wolle man die Impfungen bei den Hausärzten vermehrt forcieren, sagt eine Ministeriumssprecherin, damit würde man verstärkt jene erreichen wollen "die der Impfung skeptisch gegenüber stehen". Je nach Bundesland und Möglichkeiten sollen die Menschen Erinnerungsschreiben bekommen.

Wien für einheitlichen Weg

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) forderte am Dienstag mehr Klarheit bei dem Thema, auch in Wien wartet man auf Details: "Wir agieren so wie alle anderen", heißt es aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). An eine Empfehlung des Impfgremiums werde man sich halten, grundsätzlich rechne man aber damit. "Wir werden keinen Alleingang machen. Das heißt aber nicht, dass wir unvorbereitet sind", sagt ein Sprecher. Das Thema Drittimpfung sei jedenfalls ein "bundesweites Problem". Neun Millionen Dosen erwartet Österreich für das dritte Quartal 2021.

Unklar ist aber auch noch, welcher Impfstoff für die dritte Dosis infrage kommt. Ein Faktor, von dem das abhängt, ist die "primäre Impfreihe", also von welchem Impfstoff man bereits zwei Dosen im Arm hat. Nachdem es momentan nicht zugelassen ist, davon eine dritte Dosis zu verimpfen, wäre das ein Off-Label-Use. "Sobald dazu Daten publiziert sind, können die Hersteller diese bei der Europäischen Zulassungsbehörde einreichen, nach der Prüfung dieser Daten kann die EMA den Impfstoff auch für eine dritte Dosis zulassen", sagt Renée Gallo-Daniel vom Österreichischen Verband der Impfstoffhersteller. Was man ebenfalls derzeit noch nicht wisse, sei, ob eine dritte Impfung mit demselben Impfstoff erfolgen muss, mit dem die Grundimmunisierung durchgeführt wurde.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Hersteller Variantenimpfstoffe produzieren. Auch dafür braucht es ein Zulassungsverfahren durch die EMA, laut Gallo-Daniel ist dieses aber kürzer als bei der Zulassung eines völlig neuen Impfstoffs. Wie und wann das passieren wird, ist noch unklar und hängt von den Ergebnisse der laufenden Studien ab. Bisher ist kein derartiges Verfahren angelaufen. Gallo-Daniel sagt: "Ich bin mir sicher, dass in den nächsten Wochen von den Herstellern die ersten Daten kommen werden."

Braucht es das überhaupt?

Die Virologin Christina Nicolodi hält allerdings wenig davon, der breiten Masse den dritten Stich im Herbst zu setzen. "Das ist nicht notwendig", sagt sie dem STANDARD. Eine Auffrischung sollten jedenfalls jene Personen erhalten, die älter oder "immunsupprimiert" sind – also ein geschwächtes Immunsystem haben. "Ab 50 nimmt auch die Effizienz des Immunsystems ab, es altert mit uns mit", sagt Nicolodi. Das habe auch Auswirkungen auf die Bildung von Antikörpern.

Ein weiteres Problem für Nicolodi am dritten Stich: "Global betrachtet haben noch unglaublich viele Menschen überhaupt keine Immunisierung." Die Mengen, die Industrienationen für den dritten Stich benötigen, fehlten andernorts. Und solange Menschen in Entwicklungsländern nicht geimpft werden, könne die globale Pandemie nicht gelöst werden. (Oona Kroisleitner, Gabriele Scherndl, 4.8.2021)