Innenminister Nehammer will bezüglich Abschiebung mit den Balkanstaaten zusammenarbeiten.

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Konsens ist ein rares Gut in der österreichischen Asylpolitik. Derzeit sind sich ÖVP, Grüne, SPÖ, FPÖ und Neos nicht einmal in der Frage einig, ob man in Österreich überhaupt Asyl beantragen können sollte. Die Freiheitlichen wünschen sich derzeit nämlich ein "Aussetzen des Asylrechts", vorübergehend sollen keine Anträge mehr möglich sein, Betroffene stattdessen in "sichere Drittländer, aus denen sie kommen", zurückgeschickt, also – illegale – Pushbacks vorgenommen werden.

Was die ÖVP will

Und auch wenn es in der Vergangenheit bereits oft hieß, die Türkisen versuchten die FPÖ vor allem in der Asylpolitik rechts zu überholen, können sie bei diesen EU-rechtswidrigen Forderungen nicht mithalten. Was nicht heißt, dass die ÖVP bezüglich der vermehrten Asylanträge kein scharfes Vorgehen andenkt. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) betonte bereits mehrmals, Gefallen am dänischen Modell zu haben: Diese Pläne sehen vor, dass Asylwerber, die es nach Europa schaffen, in Drittländer ausgeflogen werden, wo sie in eigens errichteten Zentren auf ihre Bescheide warten. Abschiebungen nach Afghanistan sollen außerdem so lange wie möglich durchgeführt werden.

Innenminister Karl Nehammer sucht außerdem die Zusammenarbeit mit Westbalkan-Ländern für Rückführungen. Erst kürzlich trat ein Abkommen zwischen Bosnien-Herzegowina und Pakistan in Kraft. Direkte Abschiebungen aus Bosnien seien damit "einen Schritt näher gerückt". Und auch die sogenannte Sicherungshaft, eine Präventivhaft, ist für die Türkisen noch nicht vom Tisch, obwohl der grüne Koalitionspartner das verweigert.

Grüne in schwieriger Lage

Dass die Themen Migration und Asyl wieder mehr ins Zentrum rücken, bringt die Grünen ohnehin in eine unkomfortable Lage. Dass die Positionen jenen der ÖVP teilweise diametral gegenüberstehen, ist offenkundig – viele Wortmeldungen gibt es zum verstärkten Grenzschutz oder zur gestiegenen Zahl an Asylanträgen nicht. Anlässlich des 70-Jahr-Jubiläums der Genfer Flüchtlingskonvention spielte die Sprecherin für Migration, Menschenrechte und Außenpolitik, Ewa Ernst-Dziedzic, allerdings darauf an: "Die aktuelle Tendenz europäischer Staaten, ihre Migrationspolitik auf Abschiebungen und Grenzschutz zu reduzieren, ist kurzsichtig, kostspielig und gefährlich. Kriege, Krisen und Katastrophen, die Menschen in die Flucht zwingen oder zur Migration bewegen, werden durch mehr Grenzbeamte, Drohnen oder höhere Grenzzäune nicht verhindert." Es brauche Stabilität vor Ort.

SPÖ kritisiert "türkise Showpolitik"

Auch in der SPÖ findet man Asylzentren außerhalb der EU sinnvoll, auch in Nordafrika. Allerdings nicht als Stand-Alone-Lösung. Es brauche gemeinsame Asylverfahren in der EU, Rückführungsabkommen, Außengrenzschutz und Hilfe vor Ort. Auch die Wiedereinführung des Botschaftasyls steht im roten Konzept. Generalsekretär Christian Deutsch warf der ÖVP am Dienstag "völliges Versagen" im Kampf gegen illegale Migration vor. "Darüber können auch die türkise Showpolitik und der türkise Schmäh von der geschlossenen Balkanroute samt den Fototerminen von ÖVP-Innenminister Nehammer an der österreichischen Grenze nicht hinwegtäuschen", sagt Deutsch.

Die SPÖ fordert auch schnellere Asylverfahren, eine jener Forderungen, über die durch alle Parteien hinweg Konsens herrscht – ebenso wie über die Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge.

Pinke Pragmatik

Das betonten zuletzt auch die Neos – und forderten beim Thema Asyl eine "Lösungs- statt einer Inszenierungspolitik". Ein zweitinstanzliches Urteil soll in maximal sechs Monaten gefällt werden, danach soll gegebenenfalls und wo rechtlich möglich eine "entschlossene Rückführung" folgen. (Lara Hagen, 3.8.2021)