Seit Beginn der Covid-Pandemie waren die Einkommen Hunderttausender von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit betroffen. Gleichzeitig sind die 30 größten Vermögen in Österreich im letzten Jahr um rund 24 Prozent beziehungsweise 30 Milliarden Euro gewachsen, nicht zuletzt dank großzügiger Unternehmenshilfen. Die bereits vor Corona hohe Vermögensungleichheit wird sich in Anbetracht der Tatsache, dass die größten Vermögen seit Jahrzehnten um jährlich bis zu sieben bis zehn Prozent real wachsen, weiter verschärfen. Geplante Maßnahmen wie die Senkung der Körperschaftsteuer werden diese Dynamik beschleunigen. Die Forderung nach einer Vermögenssteuer scheint also nicht ganz unberechtigt.

Was bringt eine Vermögenssteuer?
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Sind Vermögensteuern leistungsfeindlich?

Häufig wird gewarnt, Vermögenssteuern würden Leistung bestrafen. Doch wird dabei übersehen, dass leistungslose Erbschaften der wichtigste Faktor für Vermögensungleichheit sind. Das gilt vor allem für Österreich, wo der Anteil eigener Leistung an großen Vermögen im weltweiten Vergleich am geringsten ist. Nicht einmal jedes fünfte heimische Vermögen über 30 Millionen Dollar basiert auf eigener Leistung, mehr als 80 Prozent der großen Vermögen in Österreich gehen auf eine Erbschaft zurück.

Das Versprechen von Chancengleichheit und Leistungsgerechtigkeit kann in einer Gesellschaft, in der die größten Vermögen leistungslos aus Erbschaften und die höchsten Einkommen großteils aus Vermögen resultieren, nicht aufrechterhalten werden. Diesen Widerspruch erkannten auch die ordoliberalen Gründerväter der "sozialen" Marktwirtschaft. Alexander Rüstow etwa empörte sich über die "ungerechte erbliche Ungleichheit", durch die "der Feudalismus in der Marktwirtschaftsgesellschaft fortlebt und sie zur Plutokratie, zur Reichtums-Herrschaft, macht". Deshalb forderte der Schöpfer des Begriffs des Neoliberalismus eine "stark progressive Erbschaftsteuer".

Sind Vermögenssteuern Enteignung, und führen sie zu Steuerflucht?

Nicht nur große Verfechter des Privateigentums und der Marktwirtschaft von Smith und Mill bis Keynes und Rüstow erkannten die Problematik einer zu großen, dynastischen Vermögenskonzentration und forderten korrigierende Steuern. Historisch betrachtet wurden entscheidende Progressivsteuern meist von konservativen oder liberalen Politikern eingeführt: von Lloyd George in Großbritannien (1909) über Joseph Caillaux (1907–1908) in Frankreich bis zu Franklin D. Roosevelt, der in den USA der 1930er-Jahre eine bis dato ungekannte Steuerprogression durchsetzte. Eine der bekanntesten und höchsten Vermögensabgaben wurde von Konrad Adenauer (CDU) im Rahmen des deutschen Lastenausgleichs von 1952 umgesetzt.

Große Vermögen entstehen immer im gesellschaftlichen Rahmen, gehen auf staatliche Forschung, Subventionen und Investitionen, öffentliche Infrastruktur, staatliche Ausbildung, gemeinschaftliches Wissen, das rechtliche Rahmenwerk, Krisenhilfen und kollektive Anstrengungen zurück. Von Enteignung kann bei Steuern auf eben diese Vermögen also keine Rede sein, insbesondere da deren jährliche Wachstumsraten deutlich über den vorgeschlagenen Steuersätzen diverser Modelle liegen und die Vermögenskonzentration damit nur etwas gebremst würde.

Der gesellschaftliche Ursprung großer Vermögen prägt auch aktuelle Vorstöße zu deren Besteuerung in den USA, wo die Steuerpflicht nicht an den Wohnsitz, sondern an die Staatsbürgerschaft geknüpft ist. Bei Aufgabe der Staatsbürgerschaft sollen sehr große Vermögen zudem mit einer sogenannten "Exit Tax" belegt werden. Die Drohkulisse der Steuerflucht, die letztlich nur die problematische Macht großer Vermögen, die sich demokratischen Beschlüssen offensichtlich einfach entziehen können, unterstreicht, ließe sich damit effektiv begrenzen. Bei der Minimierung der Möglichkeiten zur Steuerflucht handelt es sich um keine technische Herausforderung, sondern um eine rein politische Entscheidung, wie die Ökonomen Gabriel Zucman und Emmanuel Saez zeigen.

Gibt es nicht bereits Vermögenssteuern, und schaden diese der Wirtschaft?

In Österreich gibt es keine allgemeine Vermögenssteuer und im Gegensatz zu den meisten anderen Industriestaaten auch keine Erbschaftssteuer. In den USA ist es weder George W. Bush noch Donald Trump gelungen, diese abzuschaffen – das wäre selbst vielen Republikanern zu radikal gewesen. Der Anteil vermögensbezogener Steuern am Gesamtsteueraufkommen beträgt im OECD-Schnitt 5,7 Prozent, in Großbritannien 13 Prozent, in der Schweiz immerhin sieben Prozent. In Deutschland sind es drei Prozent, doch Österreich unterbietet dies mit nur 1,3 Prozent. Schlusslicht ist Österreich auch beim Anteil vermögensbezogener Steuern in Relation zur Wirtschaftsleistung, und das, obwohl vermögensbezogene Steuern im Vergleich zu Steuern auf Arbeit als wachstums- und beschäftigungsfreundlich gelten. Zudem scheint der Fokus auf Vermögenssteuern positive Effekte auf Produktivität und gesamtwirtschaftliche Effizienz zu haben.

Bereits existierende vermögensbezogene Steuern – von der Grunderwerbsteuer bis zur Grundsteuer – belasten kaum die Spitze der Verteilung, deren wichtigste Vermögensbestandteile (Finanzanlagen und Unternehmensbeteiligungen) de facto steuerbefreit und die Erträge daraus steuerbegünstigt sind. Hingegen sind vor allem die vielzitierten und -instrumentalisierten "Häuslbauer" betroffen. Eine progressive Vermögenssteuer, basierend auf dem Nettovermögen (das heißt abzüglich von Schulden) und auf sämtliche Vermögensbestandteile, könnte dies ändern.

In letzter Zeit wird oft darauf verwiesen, dass die Inflation bereits eine Art "Vermögenssteuer für jedermann" wäre. Tatsächlich belastet Inflation vor allem die Unter- und Mittelschicht, deren Sparguthaben voll getroffen werden, während die Finanzaktiva und Beteiligungen der größten Vermögen auch diesen Effekten meist entgehen. Inflation ist also keine "Vermögenssteuer für jedermann", sondern – wie es der Ökonom Thomas Piketty formuliert – eine "regressive Vermögensabgabe" und damit verteilungstheoretisch das genaue Gegenteil einer progressiven Vermögensbesteuerung.

Trifft die Vermögenssteuer die "Mittelschicht"?

Aktuelle Modelle mit Freibeträgen von einer Million Euro würden nur die obersten vier Prozent der Haushalte in Österreich betreffen. Besteuert würde nur jener Teil über dem Freibetrag und unter Berücksichtigung von Schulden. Die Mittelschicht – das Medianvermögen in Österreich beträgt rund 83.000 Euro – wäre von den entsprechenden Freibeträgen in etwa so weit entfernt wie unsere Gesellschaft von Steuergerechtigkeit. Der Anteil dieser Mittelschicht, die es in Hinblick auf die ungleiche Vermögensverteilung in Österreich ohnehin kaum noch gibt, ist vor allem von der Vermögenskonzentration an der Spitze bedroht. Eine Vermögenssteuer könnte diesem Trend entgegenwirken, vor allem bei gleichzeitiger Entlastung von Arbeitseinkommen.

Wenn die großen Gewinner der letzten Jahrzehnte – große Vermögen und Konzerne – immer weniger Steuern bezahlen, während alle anderen, die viel weniger profitiert haben (die Realeinkommen stagnieren für viele seit Jahren, Wohnkosten steigen, prekäre Arbeitsverhältnisse nehmen zu und der Sozialstaat wird sukzessive abgebaut), einen immer größeren Teil der Last tragen und den "Gürtel immer enger schnallen" müssen, dann stellt dies kein nachhaltiges Gesellschaftsmodell dar. (Mario Hübler, 9.8.2021)