Der neue Präsident Ebrahim Raisi wird sich auch mit den Protesten beschäftigen müssen.

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Die Menschen, die Mitte Juli in Khuzestan auf die Straße gingen, hatten anderes als den bevorstehenden Regierungswechsel im Kopf: Die südwestliche Provinz ist von der Wasserknappheit, die den Iran heimsucht, besonders betroffen, die versiegenden Wasserhähne trieben die Menschen mit dem Ruf "Ich bin durstig" hinaus. Es folgten Zusammenstöße mit Sicherheitskräften, die auch scharfe Munition einsetzten. Und von Khuzestan breiteten sich die Proteste bis nach Teheran aus, dort waren es die oft mit dem Wassermangel zusammenhängenden Stromausfälle.

Es ist nicht der erste Sommer des Unbehagens im Iran, jahrzehntelange Vernachlässigung der Infrastruktur, der falsche Einsatz der Wasserressourcen – etwa zur Bewässerung in der Landwirtschaft – und Ansteigen von Hitze und Trockenheit infolge des Klimawandels haben Teile des Landes im Griff. Der Niederschlag ist heuer im Süden und Westen bis zu 85 Prozent niedriger ausgefallen, die Temperaturen sind im Schnitt bis zu drei Grad höher als früher. Im Juli waren rund 700 Dörfer ohne Wasser.

"Die Mullahs müssen verschwinden"

Die Menschen machen das Regime zumindest mitverantwortlich. Der Slogan "Weder Gaza noch Libanon, ich gebe mein Leben für Iran" spielt darauf an, dass das – durch US-Sanktionen ohnehin knappe Geld – nicht den eigenen Leuten zugutekommt, sondern den politischen Klienten in der Region. Und je hitziger es wird, desto öfter erschallt der Ruf nach dem Abgang des religiösen Führers oder sogar nach dessen Tod. "Die Mullahs müssen verschwinden", hört man auf einem der in Teheran bei Protesten gedrehten Amateurvideos.

In der ölreichen Provinz Khuzestan kommt dazu, dass sich die arabische Bevölkerung von jeher diskriminiert fühlt, eine separatistische Bewegung macht alle Jahre einmal von sich reden. Aber selbst der Abgeordnete für die Stadt Abadan sprach im Juli im Teheraner Parlament von einem "unterdrückten Volk". In einem stark verbreiteten Instagram-Video behauptet ein arabischer Scheich, dass das Regime Khuzestan abwechselnd fluten und austrocknen würde, um die arabische Bevölkerung zu vertreiben.

Aber trockene Flüsse – und die entsprechenden Proteste – gibt es auch anderswo im Land. Experten nennen den Iran "wasserbankrott".

Verständnis für die Demonstranten

Einerseits Gewalt – die Zahl der Todesopfer unter den Demonstranten ist laut Amnesty International höher, als vom Iran zugegeben wird –, andererseits kann das Regime in Teheran gerade jetzt keine Eskalation im eigenen Land brauchen. Eine Woche nachdem die Proteste in Khuzestan begonnen haben, nannte Khamenei die dortige Bevölkerung "sehr loyal" und erinnerte an deren Opfer im iranisch-irakischen Krieg (1980–1988). Er zeigte Verständnis für die Forderungen der Demonstranten; die Regierung solle sich um ihre Anliegen kümmern, was auch als implizite Kritik an der scheidenden von Präsident Hassan Rohani verstanden wurde.

Aber das Regime behauptet auch, dass die Situation von "bösartigen" Menschen, die dem Iran schaden wollten, ausgenützt werde. Prompt wurde ein "israelischer Spionagering" ausgehoben, der einen Aufstand im Iran anzetteln sollte. (Gudrun Harrer, 5.8.2021)