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Ali-Express drängt nach Europa, doch der Handelsverband warnt eindringlich vor der Ware aus China.

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Plattformen wie Taobao und Ali-Express erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Bereits 2018 bestellten laut einer Studie des Handelsverbands sechs von zehn Österreichern zumindest einmal bei einem chinesischen Onlinehändler. Auch wenn es zum aktuellen Zeitpunkt noch keine exakten Zahlen gibt, so ist dennoch nicht zu erwarten, dass sich an diesem Trend während der Pandemie etwas geändert hat.

Chinas Antwort auf Amazon

Ali-Express ist die Antwort Chinas auf Amazon und ein Teil des Alibaba-Imperiums des Milliardärs Jack Ma. Während sich Alibaba selbst auf das Geschäft mit Unternehmenskunden konzentriert, versucht der Konzern mit Ali-Express, Normalverbraucher aus der ganzen Welt zu erreichen. Dabei verzichtet Ali-Express darauf, direkt mit den Produkten zu handeln, sondern dient als Vermittler, um den direkten Kontakt zwischen Händler und Verkäufer herzustellen. Der größte Wettbewerbsvorteil von Ali-Express sind die Preise für viele Produkte, die im Vergleich mit europäischen Anbietern deutlich niedriger liegen. Oft finden sich dort sogar Markenprodukte, die wesentlich billiger sind als auf einem europäischen Marktplatz.

Die billigen Preise sind für viele Kunden der größte Anziehungsfaktor für einen Einkauf bei Ali-Express.
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Jedoch offenbart sich hier ein elementares Problem, das nicht nur Ali-Express betrifft: Das Thema Produktfälschungen steht immer wieder im Zentrum der Kritik, wenn es um die Onlinehändler aus China geht. Sogar Jack Ma selbst meinte 2016, dass "Fälschungen heute von besserer Qualität und günstiger als die Produkte der Originalhersteller" seien. Der österreichische Handelsverband entdeckte im Zuge einer Testbestellung dasselbe Modell einer Tasche eines europäischen Anbieters im Warenwert von 60 Euro für nur zwölf Euro auf Ali-Express. Erwartungsgemäß handelte es sich aber um ein Imitat. Das ist auch kein Einzelfall, lässt Rainer Will, Geschäftsführer vom Handelsverband, im Gespräch mit dem STANDARD wissen. Die OECD geht davon aus, dass über 60 Prozent aller weltweiten Produktfälschungen aus China kommen.

Ali-Express ist aber auch Anlaufstelle für Bastler und Reparaturwerkstätten, die dort Ersatzteile bekommen, die es in Österreich nicht gibt oder die heimischen Händler auch importieren müssen.

Produktfälschungen

Eine ähnliche Erfolgsgeschichte wie Ali-Express hat auch die Plattform Wish vorzuweisen. Das US-Portal, das eigentlich gegründet wurde, um Wunschlisten zu erstellen, hat durch seinen Fokus auf chinesische Billigware einen wahren Boom erlebt. Laut Firmenangaben nutzen monatlich über 100 Millionen Menschen die App, zwei Millionen Produkte werden täglich quer über den Globus verkauft. Die Plattform setzt dabei auf das gleiche Erfolgsgeheimnis wie Ali-Express. Die Kundinnen bestellen über sie bei kleineren Unternehmen, Wish übernimmt nur in wenigen Fällen den Versand, mit der Produktion selbst hat es nichts zu tun. Das Unternehmen erhält aber wie Ali-Express eine Provision bei jedem Verkauf. Im Jahr 2020 nahm Wish bei seinem Börsengang über eine Milliarde Dollar ein.

Die große Preisdiskrepanz lässt sich aus der Sicht des Handelsverbands wie folgt erklären: "Durch die 22 Euro Freigrenze wurde bis zuletzt die Zahlung von Einfuhrumsatzsteuern umgangen, es werden kaum Abfallgebühren gezahlt, und die Produkte entstehen oft unter fragwürdigen Arbeitsbedingungen. Noch dazu bezahlen die heimischen Händlerinnen und Händler stets sämtliche Gebühren und Steuern – im Gegensatz zu den chinesischen Versandhandelsplattformen."

Spielerisch einkaufen

Die niedrigen Preise sind jedoch nicht der einzige Grund, weshalb die China-Plattformen bei so vielen Käufern hoch im Kurs stehen. Taobao und Co verstehen es sehr gut, Trends zu erkennen, und arbeiten eng mit Influencern zusammen, die man direkt beim Shoppen auch schon mal via Livestream verfolgen kann. So haben auch Fußballgrößen wie Neymar und Gareth Bale bereits Werbung für Wish gemacht. Gamification spielt ebenfalls eine große Rolle in der App-Strategie von Ali-Express und Wish – ein Werkzeug, das erst nach und nach auf westlichen Plattformen Einzug hält. Nutzerinnen und Nutzer können beispielsweise in Minispielen Guthaben erspielen, das sich beim Einkauf nutzen lässt.

Gamification ist das Wort der Stunde, in China experimentieren bereits die Plattformen recht erfolgreich damit.
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Das Ziel ist klar: Die App-Nutzungsdauer soll erhöht werden und einen spielerischen und sanften Shopping-Einstieg schaffen. Beide Plattformen verstehen es gut, via App ihre Kunden – vor allem das junge Publikum – zum Kaufen zu animieren. Dieser Trend zeigt sich auch in Österreich, wie der Vizepräsident des Handelsverbands, Harald Gutschi, weiß: "Bei den unter 29-jährigen Konsumenten kaufen mittlerweile sieben von zehn via Smartphone ein", sagt er. Wish ist es sogar gelungen, in den Sprachgebrauch der jungen Zielgruppe aufgenommen zu werden. So wird ein Produkt, das so gar nicht den Vorstellungen des Kunden entspricht, mit den Worten kommentiert: "Wenn du bei Wish bestellst." Damit wird der Marke von der Hauptzielgruppe eigentlich ein negatives Zeugnis ausgestellt, bestellt wird aber weiterhin.

Eine der großen Schwachstellen beim Shoppen in China ist der Versand nach Europa. "Produkte kommen oft verspätet oder erst gar nicht an. Ihre Qualität ist schlecht, manchmal entsprechen sie nicht der eigentlichen Beschreibung. Auch können unerwartete Mehrkosten für Kundinnen und Kunden auftreten", so Will. Deswegen versuchen sowohl Wish als auch Ali-Express, nach und nach Infrastruktur in Europa aufzubauen. Bereits im Jahr 2019 eröffnete Alibaba sein erstes Offline-Geschäft in Madrid, um die Hemmschwelle für den Kauf chinesischer Produkte zu senken.

Belastet die Umwelt

Aber auch Lagerhallen werden quer über den Subkontinent gemietet, um Versand und Rücksendungen zu erleichtern. Gleichzeitig intensivieren beide Unternehmen ihre Zusammenarbeit mit lokalen Händlern aus dem EU-Raum. Vor allem beim Alibaba-Konzern spielt der europäische Markt eine gewichtige Rolle. Der Konzern von Jack Ma ist sehr daran interessiert, seinen Umsatz im Ausland zu steigern, denn im Moment macht das Unternehmen noch immer knapp 90 Prozent seines Umsatzes in China, während Wish den Großteil seiner Einnahmen bereits im Westen erwirtschaftet.

Eine Stahluhr von 2,80 Euro scheint ein Schnäppchen zu sein, doch der Handelsverband warnt.
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Unerwähnt darf auch das Thema Nachhaltigkeit nicht bleiben. Weder der Transport per Flugzeug noch die Masse an billig produzierten Waren ist gut für die Umweltbilanz. Auch grüne Siegel, Biobaumwolle oder überhaupt nähere Informationen zur Produktion sucht man bei den Plattformen vergeblich. Alibaba hat nach eigenen Aussagen eine Flotte von 39 Frachtflugzeugen, die laufend zwischen China, Hongkong und Europa pendeln. Das belastet natürlich die CO2-Bilanz. So rät auch der Handelsverband, der bereits im Jahr 2018 mit der "Aktion scharf" gegen Steuerbetrug im E-Commerce aufmerksam machte, dass man den heimischen Handel bevorzugen solle. "Kundinnen und Kunden sollten sich genau ausrechnen, ob es sich überhaupt lohnt, über Ali-Express zu bestellen, oder ob nicht ein ähnliches Produkt auch auf der Plattform eines österreichischen Versandhändlers zu finden ist", sagt Will. So solle man darauf achten, dass das Siegel "Österreichischer Marktplatz", das Gütesiegel "Trustmark Austria" oder das Siegel "Österreichischer Händler" verwendet wird. So könne man auch sicher sein, dass es sich bei dem Produkt um ein Original handelt. (Florian Zsifkovics, 4.8.2021)