In Österreich werden täglich neue Flächen in Bauland umgewidmet. Dabei sind im ganzen Land rund 40.000 Hektar an Objekten derzeit ohne Nutzung – ein riesiges Potenzial zum Flächensparen, das endlich gehoben werden sollte.

Foto: J.J.Kucek

Ein Gasthaus, ein Café, Fremdenzimmer und ein Veranstaltungssaal, der früher ein Kino gewesen ist: Das Gasthaus Mitterauer in Oberndorf an der Melk (NÖ) hatte einst viele Nutzungen, wie das für Gasthöfe auf dem Land typisch war. Seit 2017 steht das Gebäude mit 800 Quadratmeter Nutzfläche, dessen älteste Substanz aus dem 14. Jahrhundert stammt, allerdings komplett leer.

Der Gaminger Bauunternehmer Kurt Holzerbauer hatte die Liegenschaft 2008 aus einem Konkurs übernommen. Bis vor vier Jahren war das Gasthaus im Erdgeschoß noch verpachtet, der Wirt musste dann aber aus gesundheitlichen Gründen aufgeben. Nun sucht Holzerbauer für das älteste noch bestehende Gebäude der Gemeinde neue Nutzer.

Es ist nur eines von zahllosen Gebäuden, die in Österreich leer stehen, oft schon seit langer Zeit. Das Umweltbundesamt kam im Jahr 2017 in einer Schätzung auf rund 40.000 Hektar; etwa die Hälfte davon waren brachliegende Industrie- und Gewerbeflächen, die andere Hälfte bildeten leerstehende Eigenheime, Wohnungen sowie Einkaufszentren, Geschäfte, Schulen und Kasernen.

Die Mobilisierung, sprich "Wiederverwendung", dieser schon einmal verbauten, jetzt aber ungenutzten Liegenschaften ist für eine flächensparende Bodennutzung absolut notwendig. Anstatt immer mehr neue Flächen in Bauland umzuwidmen, wie das in Österreich weiterhin tagtäglich passiert, sollte schon lange der Fokus auf die Revitalisierung bzw. Nutzung dieser Strukturen gelenkt werden.

Bundesweite Leerstandsdatenbank

"Im ländlichen Raum wird die Zersiedelung der Orte vorangetrieben, und Ortskerne vergreisen. Flächen, die versiegelt sind, können kein Wasser aufnehmen und kein CO2 speichern", brachte es die Hagelversicherung schon 2018 auf den Punkt, und die Feststellung ist angesichts der Unwetter der vergangenen Wochen aktueller denn je.

Schon damals wurde die Einrichtung einer österreichweiten Leerstandsdatenbank gefordert. Im aktuellen Regierungsprogramm steht eine solche Datenbank zwar nicht explizit drin, aber sehr wohl ist die Rede davon, dass gemeinsam mit den Ländern der Leerstand mobilisiert werden soll. Wird daran nun schon gearbeitet?

Offenbar nicht, wie Recherchen des STANDARD ergeben. In einigen Bundesländern gibt es Ansätze für den Aufbau lokaler oder regionaler Datenbanken. Da wäre zum einen standortooe.at zu nennen, die Datenbank der oberösterreichischen Wirtschaftskammer. Rund 540 Objekte beinhaltet sie aktuell, vorwiegend leerstehende Büro- und Geschäftsflächen, vereinzelt aber etwa auch ganze Gewerbehallen oder leerstehende Gasthäuser.

Gespräch gesucht

Niederösterreich hat 2015 einen anderen Weg eingeschlagen. Das Land hat damals begonnen, ersten Pilotgemeinden eine Flächenmanagementdatenbank zur Verfügung zu stellen. Eine davon war Gerasdorf bei Wien, wo dann auch mit der Erhebung leerstehender Häuser sowie ungenutzten Baulands begonnen wurde, berichtet Bauamtsleiterin Elvira Kalser.

Danach habe man Infoveranstaltungen in allen fünf Ortsteilen abgehalten und insbesondere mit den Eigentümern der ungenutzten Liegenschaften das Gespräch gesucht – "mit durchaus positiver Resonanz", sagt Kalser. Einige Grundstücke habe man nun bereits mobilisieren können, das heißt: bestehendes Bauland einer Nutzung zuführen. Denn bei fast allen in der Datenbank versammelten Grundstücken handelt es sich um Bauparzellen, die noch nicht bebaut sind, weil sie etwa "im Familienverband weitergegeben werden sollen" oder schlicht aus Mangel an Anlagealternativen gehortet werde.

Regelmäßige Anpassungen des Datenbankbestands sind danach in Gerasdorf nicht mehr erfolgt, berichten Kalser und der zuständige Stadtrat Robert Bachinger (SPÖ). Dafür fehle es mitunter an Personal. Bei der Ersterhebung hat man auf die Hilfe von Werkstudenten zurückgegriffen. Die Datenbank selbst hält man aber grundsätzlich für eine "praktikable Lösung".

Wie viele Gemeinden sie derzeit nutzen, ist im Land nicht bekannt, eine Erhebung samt neuer Bewerbung des Tools soll aber laut dem Sprecher des zuständigen Landesrats Stephan Pernkopf (ÖVP), Jürgen Maier, im Herbst stattfinden. Maier verweist auf erste Erfolge in einer anderen Pilotgemeinde, nämlich Gaweinstal. Dort seien letztendlich drei Liegenschaften revitalisiert und drei weitere verkauft worden, was immerhin einer zwölfprozentigen Erfolgsquote entsprach.

Riesiges Potenzial

Das Beispiel zeigt aber das riesige Potenzial; vor allem in kleineren Gemeinden abseits der Ballungsräume. Auch in Fremdenverkehrsgemeinden ist die Lage besser. In Goldegg in Salzburg stand das Wirtshaus Bierführer so wie in Oberndorf das Gasthaus Mitterauer seit 2017 leer. Im März hat es dann der Hotelier Sepp Schellhorn gekauft, laut Medienberichten um eine Million Euro. Das Gasthaus wurde bereits umgebaut und hat auch schon wieder offen, berichtet eine Mitarbeiterin. In den oberen Geschoßen ist ein Team-Hotel geplant, das heißt, hier entstehen Unterkünfte für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hotelbetriebs.

In Oberndorf hat Kurt Holzerbauer nun auch schon rund 600.000 Euro in das Gasthaus Mitterauer investiert, in den Ankauf sowie unter anderem auch in neue Fenster und eine Pelletsheizung. "Ich wünsche mir, dass das Haus wieder Energie bekommt, dass es ein Haus wird, wo Leute zusammenkommen", sagt er. Ein Tanzstudio, Yogakurse, Werkstätten – all das könnte man hier unterbringen. Als "Altes Kino" wurde der Saal schon zuvor für Veranstaltungen aller Art genutzt.

Bauträger, die sich an die alte, über Jahrhunderte sukzessive gewachsene Substanz heranwagen, sind aber rar gesät. Sanierungen gelten als Wagnis, ein Neubau auf der grünen Wiese oder nach einem Abbruch hält im Allgemeinen wesentlich weniger Überraschungen bereit. Da das Objekt nicht denkmalgeschützt ist, wäre ein Abbruch leicht möglich. Es wäre zwar sehr schade um das uralte Kellergewölbe, den alten Kinosaal und die urige Wirtshauseinrichtung. Aber wenn Holzerbauer jemanden findet, der das Gebäude abreißen und dann etwas Neues an dem Standort errichten will, wird er am Ende auch nichts dagegen haben. (Martin Puschögl, 5.8.2021)