Elīna Garanča in Salzburg.

Foto: Salzburger Festspiele/Marco Borrelli

Anspruchsvoll genug scheint es, den dramatischen Tonfall des Überschwangs zu treffen und durchzuhalten. Elīna Garanča demonstrierte diese Kunst zuletzt als Kundry an der Staatsoper in der Parsifal-Inszenierung von Kirill Serebrennikov, als sie den bösen Klingsor mit Pistolenschüssen beseitigte. Vokale Extrovertiertheit hilft bei Mahlers Rückert-Liedern allerdings nicht. Gerade einmal bei Um Mitternacht ist da so eine Passage, die prunkvolle – bei Garanča kultivierte – Energieentfaltung erlaubt.

Beim finalen Lied des Zyklus, Ich bin der Welt abhanden gekommen, herrscht allerdings entrückte Lyrik. Sie ist inhaltlich nur mit diskreter Stimme glaubhaft zu modellieren. Dennoch bedarf es zugleich (auch im Großen Festspielhaus) starker vokaler Präsenz: Die Töne dürfen wie Schatten anmuten, sollten jedoch die Ausstrahlung einer realen Person versprühen. Es gelingt hier, da auch der Rahmen stimmt: Die Wiener Philharmoniker atmen mit; Dirigent Christian Thielemann errichtet mit ihnen jenen auratischen Klangraum, in dem sich die vokale Diskretion glanzvoll entfalten kann. Es sind bei Garanča die ansatzlos und leise gehauchten Töne, diese legatoselig dahinfließenden Linien, die das Wesen dieser von Mahler autobiografisch gedeuteten Miniatur makellos erfassen.

Von Präzision und Goldklang getragen

Danach, bei Bruckners Siebenter, das längst aktenkundige Bruckner-Vergnügen, das von einer erfahrungsreichen Verbindung zwischen Orchester und Thielemann herrührt. Das Monumentale und das frühlingshaft Sangliche stehen in einem ideal ausbalancierten Verhältnis: Von zartesten, am Verschwinden entlang modellierten Streichergesten bis hin zur kathedralenhaften Monumentalität wirkt alles Gegensätzliche von Präzision und Goldklang getragen.

Thielemann hält jederzeit die Spannung, baut sie jedoch langsam auf, wodurch im Finale ausreichend Steigerungsreserven da sind. Die Strukturen wirken dann emotional aufgeladen und dennoch auch klar. (Ljubiša Tošić, 5.8.2021)