In Österreich wird pro Tag Boden in der Größenordnung von mehreren Fußballfeldern versiegelt.

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Ferienzeit, Zeit fürs Herumfahren im schönen Österreich. Und jedes Jahr wieder der gleiche Schock: Das Land ist seit dem vergangenen Sommer wieder um ein Stück hässlicher geworden.

Wo voriges Jahr noch eine grüne Wiese war, ist jetzt eine 08/15-Siedlung im Entstehen. Spießige Einfamilienhäuschen in Reih und Glied. Und die Gewerbeparks, die sich wie eine Krätze rund um die Ortschaften verbreiten, sind wieder größer geworden. Nicht nur die Städte und Städtchen haben solche Speckgürtel entwickelt. Auch die Dörfer sind nun von diesen Gebilden umgeben. Nichts gegen Expansion. Aber warum nur muss das alles so gnadenlos scheußlich sein?

Wir haben in letzter Zeit viel über die fortschreitende Versiegelung des Bodens gehört und gelesen, die die Umwelt schädigt und das Klima verändert. Tausende Hektar, eine Fläche von tausenden Fußballfeldern, werden jährlich verbaut, asphaltiert, kaputtgemacht. Die Umweltschützer protestieren. Gut so. Aber kaum weniger schlimm ist die damit einhergehende Verhässlichung des Landes. Wir sind mit Recht stolz und froh über unsere schöne Landschaft, unsere schönen Städte und Dörfer. "Volk, begnadet für das Schöne" heißt es in unserer Bundeshymne. Aber gleichzeitig tun wir alles, um dieses Schöne nach Kräften zu ruinieren.

Billige Betonklötze

Da stehen Autohäuser, Baumärkte, Einkaufszentren, Supermärkte, billige Betonklötze, die scheinbar ohne Plan und ohne Rücksicht auf das Gesamtbild hingepatzt wurden. Kein Baum dazwischen, kein Hauptplatz, keine Ruhebank, nichts, woran sich das Auge erholen kann. Tausende Menschen arbeiten hier, verbringen den ganzen Tag in dieser Umgebung. Während dieser ganzen Zeit sehen sie nichts Schönes. Was macht das mit ihnen? Schönheit ist ein Menschenrecht, sagte einst Günther Nenning.

Nicht, dass dieser Gedanke sich im Lande überhaupt nicht durchgesetzt hätte. In den großen Städten wird heute viel bewusster und besser gebaut als noch vor einigen Jahren. Graue Vorstadtstraßen werden begrünt, es gibt Bürgerbefragungen bezüglich der die Neugestaltung von Plätzen und Grätzeln. Viele junge Leute studieren Stadtplanung und Landschaftsdesign.

Bürgermeister als Baubehörde

Aber draußen auf dem Lande gilt das alles nicht. Die Bürgermeister sind die oberste Baubehörde, und diese sind meistens eher erpicht auf Steuereinnahmen als auf eine schöne Umgebung. Der Ortskern soll schön sein und auf Postkarten gut wirken, das schon. Aber was rundherum ist, steht auf einem anderen Blatt. Wenn große Ketten sich hier ansiedeln wollen, wird ihnen der rote Teppich ausgerollt. Das Resultat sind wildwuchernde Agglomerationen, die allmählich mehr Platz einnehmen als die Orte selbst.

Gewerbeparks sollen vor allem praktisch sein, das versteht sich von selbst. Aber es gab und gibt genug Architektinnen und Architekten, die bewiesen haben, dass Zweckbauten auch ästhetisch sein können. Viele alte Industrieviertel sind heute Sehenswürdigkeiten, die in Architekturführern stehen. Man kann davon ausgehen, dass diese Einsicht sich eines Tages auch bei uns durchsetzen wird. Aber dann könnte es zu spät sein. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 4.8.2021)