Die Beliebtheitswerte des brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro sanken seit Beginn der Corona-Pandemie stetig.

Foto: imago images/Fotoarena

Brasilia – Nach wiederholten Attacken gegen das brasilianische Wahlsystem hat der Oberste Gerichtshof Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro ins Visier genommen. Richter Alexandre de Moraes zufolge lässt Bolsonaro das klare Ziel erkennen, den Wahlprozess zu stören, zu erschweren oder zu vereiteln, wie aus einer Mitteilung des Gerichts in Brasília vom Mittwoch (Ortszeit) hervorgeht. Die bereits laufenden Ermittlungen wegen der Verbreitung von Fake-News wurden daher auf ihn ausgeweitet.

Der Oberste Gerichtshof folgte damit einer Forderung des Obersten Wahlgerichtshofs. Das Wahlsystem in Brasilien, mit 210 Millionen Einwohnern das bevölkerungsreichste Land Lateinamerikas, ist vollständig elektronisch. Unter anderem über soziale Medien sät Bolsonaro seit den Präsidentschaftswahlen 2018 und zuletzt bei Demonstrationen seiner Anhänger am Sonntag immer wieder Zweifel an der Verlässlichkeit des Wahlsystems. Wie der ehemalige US-Präsident Donald Trump warnt auch er ohne Belege vor einer möglichen Manipulation. Bolsonaro fordert, dass die Stimmabgabe auch auf einem Ausdruck festgehalten werden müsse, andernfalls werde er das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen 2022 möglicherweise nicht anerkennen.

Bolsonaro reagiert mit Drohung

Wegen des Vorwurfs der politischen Einflussnahme auf die Bundespolizei und Korruptionsverdachts beim Impfstoffdeal mit Indien sieht sich der Präsident bereits mit zwei anderen Untersuchungen des Obersten Gerichts konfrontiert. Richter Moraes nennt elf Vergehen, die er begangen haben könnte.

Auf die gerichtlichen Ermittlungen reagierte Bolsonaro mit einer wütenden Drohung. "Die Ermittlung ist nicht im Rahmen der Verfassung, daher ist das Gegenmittel ebenfalls nicht im Rahmen der Verfassung", erklärte Bolsonaro am Mittwoch in sozialen Medien. Was er konkret beabsichtigt, ließ der Präsident allerdings offen.

Zustimmungswerte sinken

Bolsonaro ernannte am Mittwoch in Ciro Nogueira einen Politiker des "Centrão" – einer Ansammlung kleiner und kleinster Parteien, die Ämter und Posten gegen Unterstützung tauschen – zum Stabschef. Der Rechtspopulist braucht die Unterstützung des Kongresses unter anderem, um ein Amtsenthebungsverfahren gegen sich zu vermeiden. Im Wahlkampf hatte er noch eine Abkehr von der "alten Politik" des "Dort nehmen, hier geben" versprochen.

Bolsonaros Zustimmungswerte sind im Laufe der Corona-Pandemie stetig gesunken. Anfang Juli lehnten einer Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Datafolha zufolge 51 Prozent der Befragten seine Politik ab. Für Bolsonaro war es das schlechteste Ergebnis seit seinem Amtsantritt 2019. (APA, 5.8.2021)