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Gemische Reaktionen erntet Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) auf sein am Mittwoch vorgestelltes Maßnahmenpaket für den Schulstart im Herbst. Zunächst beginnt das Schuljahr ähnlich, wie es geendet hat: In einer zweiwöchigen "Sicherheitsphase" müssen alle Schüler dreimal testen und abseits der Klasse Maske tragen. Wie es danach weitergeht, hängt von der regionalen Risikolage ab. Dafür wird per Abwasseranalyse und "Wächter"-Schulen erhoben, wie das Coronavirus verbreitet ist. Bei erhöhtem Risiko sollen regional Test- und Maskenpflicht eingeführt werden.

"Durchaus zufrieden" ist Evelyn Kometter vom Dachverband der Elternverbände an den Pflichtschulen mit den Maßnahmen, sagte sie dem Ö1-"Morgenjournal" am Donnerstag. Aber dass geimpfte Schülerinnen und Schüler automatisch ohne Tests und ohne Maske in den Schulen sitzen können, sieht sie kritisch. Geimpfte könnten möglicherweise ja auch Überträger des Virus sein. Sie schlägt vor, alle Schülerinnen und Schüler jeden Montag zu testen und auf Masken zu verzichten. In dem Ö1-Bericht zeigte sich auch Christoph Drexler vom Bundesverband der Elternvereine an mittleren und höheren Schulen (BEV) im Grunde mit Faßmanns Paket einverstanden. Aber auch er wendet ein, dass das Ausbleiben regelmäßiger Tests von "einem beträchtlichen Teil der Eltern" als "bedenklich" eingestuft werde.

Sorge vor Stigmatisierung

Problematisch sieht Kometter die geplanten Impfbusse und dass Schülerinnen und Schüler darin zum Impfen gedrängt werden könnten. "Was wir auf keinen Fall aufkommen lassen dürfen, ist Stigmatisierung und eine Zwei-Gruppen-Gesellschaft", sagte Kometter. Impfen müsse eine persönliche Entscheidung bleiben, sagt auch Drexler, der auch die Gefahr eines Gruppendrucks in den Klassen sieht.

Isabella Zins, Sprecherin der AHS-Direktorinnen und -Direktoren, sieht keine Gefahr einer Stigmatisierung. Es brauche aber noch mehr Aufklärung bei den Eltern von Schülerinnen und Schülern der Unterstufe ab zwölf Jahren. Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) hatte bereits am Mittwoch reagiert und festgehalten, dass der Vierpunkteplan Faßmanns "jene Dinge" beinhalte, "die notwendig sind für einen guten Schulstart". Die Gratwanderung zwischen größtmöglicher Normalität und dem Schutz der Gesundheit werde allerdings eine Herausforderung.

Experten mit Kritik

Bei Corona-Experten fällt das Fazit kritisch aus: Für Mikrobiologe Michael Wagner von der Uni Wien wären regelmäßige verpflichtende PCR-Tests die bessere Wahl als das anlassbezogene Testen nach der Eingangsphase. "Jüngere Kinder könnten durch Maßnahmen in den Schulen nun eigentlich besser geschützt werden als im vergangenen Jahr", sagte Wagner im APA-Gespräch, noch dazu, da mit der ansteckenderen Delta-Variante ihr Infektionsrisiko gestiegen sei.

Wagners Ansicht nach sollte man an den Schulen zumindest so lange regelmäßig testen, solange es in dieser Pandemie signifikante Infektionszahlen gebe und noch nicht alle Menschen inklusive der Kinder unter zwölf eine Möglichkeit hatten, sich durch eine Impfung zu schützen.

Das von Faßmann angekündigte Frühwarnsystem sei keineswegs schlecht, betont Wagner, der im vergangenen Jahr die Schulgurgelstudie geleitet hat. Ein stärkeres Einbeziehen der Daten aus Abwasseranalysen zur frühen Erkennung von Infektionsgeschehen in einer Region sei sinnvoll. Entscheidend ist für Wagner die Frage, wo der Grenzwert gesetzt wird, ab dem regional eine Test- und Maskenpflicht in den Schulen etabliert wird. Bildungsminister Faßmann hat dessen Festlegung als "Hausaufgabe für den August" bezeichnet.

Außerdem empfiehlt Wagner, zunächst die Testpflicht auch für geimpfte Schülerinnen und Schüler beizubehalten, da noch nicht klar sei, ob manche geimpften Kinder sich dennoch mit Sars-CoV-2 anstecken und eine Infektion weitergeben können.

Frage der Schwellenwerte offen

Eine "gute Balance" zwischen anfänglich flächendeckenden Testungen und dann einem System mit Abwasseranalysen und PCR-Tests an 300 ausgewählten Schulen ortet wiederum der Komplexitätsforscher Peter Klimek im neuen Covid-Schulsicherheitsplan. Die geplanten nahezu flächendeckenden Abwasseranalysen hätten sich zur regionalen Abschätzung des Infektionsgeschehens "mittlerweile bewährt", sagte Klimek. Auch wenn dies "nur eine indirekte Messung" sei, mit der "man im Großen und Ganzen gut aufgestellt ist, weil man auch unabhängig von Testgeschehen ist", betonte Klimek. Auch er sagt: "Das große Thema, das hier natürlich ausgespart wurde, ist, wo die Schwellenwerte liegen", so der Wissenschafter: "Der beste Stufenplan bringt nichts, wenn wir ihn zu spät aktivieren." (APA, spri, 5.8.2021)