Eine aktuelle Studie spricht für mehr Vorteile von älteren Männern gegenüber älteren Frauen – auch, weil Letztere durch die höhere Lebenserwartung im Alter oft allein leben.
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Männer haben durchschnittlich eine geringere Lebenserwartung – und dennoch spricht eine aktuelle Studie dafür, dass ältere Männer in alternden Gesellschaften deutlich mehr Vorteile haben als ältere Frauen. So verbrächten sie weniger Lebensjahre bei schlechter Gesundheit und hätten etwa eine höhere Wahrscheinlichkeit für finanzielle Sicherheit, schreiben Forschende aus Singapur und den USA im Fachblatt "The Lancet Healthy Longevity".

Weltweit steigt der Prozentsatz der Menschen, die über 65 Jahre alt sind – von sechs Prozent im Jahr 1990 auf neun Prozent 2019. Das klingt zunächst nicht nach viel, vor allem in den sogenannten westlichen Ländern haben wir es jedoch zunehmend mit einer alternden Bevölkerung zu tun und mit den Problemen, die dies vermehrt mit sich bringt. In der EU ist die Lebenserwartung von Personen, die im Jahr 2018 geboren wurden, laut Vienna Institute of Demography (VID) und dem Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) folgendermaßen: Frauen werden im Durchschnitt 83,8 Jahre, Männer 78,3 Jahre alt. In Österreich lagen beide Werte mit 84,1 beziehungsweise 79,4 Jahren etwas höher.

In der Studie untersuchte und verglich das Team um Cynthia Chen von der Nationalen Universität von Singapur die Situation von Männern und Frauen in 18 hoch entwickelten Mitgliedsländern der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Auch die Lage in Österreich wurde beleuchtet, wo der Kontrast offenbar besonders groß ist.

Weniger lebenswertes Altern

Die Unterschiede in den Geschlechterrollen würden nicht nur die Lebenswelten von Männern und Frauen prägen, sondern auch deren Erleben des Alterns, schreibt das Forschungsteam. Die Lebenserwartung von Frauen in den OECD-Ländern liege zwar mehr als drei Jahre höher als die von Männern, dafür verbrächten sie aber längere Zeit bei schlechter Gesundheit, verdienten weniger und hätten eine höhere Wahrscheinlichkeit, im Alter alleine zu leben.

Anhand von Daten der OECD und der Weltbank aus den Jahren 2015 bis 2019 verglichen die Wissenschafter 18 OECD-Länder in Hinblick auf die Faktoren Gesundheit und Wohlergehen, Produktivität und Engagement, gerechte Verteilung von Ressourcen insbesondere hinsichtlich Geld und Bildung, Zusammenhalt der Gesellschaft und finanzielle sowie physische Sicherheit.

Allgemein für beide Geschlechter schnitten die skandinavischen Länder sowie die Niederlande und Japan am besten ab. Länder wie Österreich, Deutschland und die USA lagen im Mittelfeld, und viele Länder in Süd- und Osteuropa wie Ungarn oder Slowenien rangierten am unteren Ende der Skala. Besonders große Unterschiede zwischen den Geschlechtern wurden interessanterweise für die Niederlande, Österreich, Italien und auch Dänemark beobachtet. Am ausgeglichensten war das Verhältnis in Finnland, Irland, Polen und Spanien.

Frauen bleiben allein und haben weniger Ressourcen

Die größten Unterschiede zeigen sich bei der sozialen Integration – wohl vor allem deshalb, weil Frauen häufig länger leben als ihre Partner und dann oft alleine bleiben. Bei den Faktoren Produktivität und Engagement sowie Verteilung von Ressourcen standen Männer in allen 18 untersuchten Ländern besser da als Frauen.

Im Jahr 2019 lebten auf der Erde etwa 703 Millionen Menschen im Alter ab 65 Jahren. Die Zahl wird sich Prognosen zufolge bis 2050 mehr als verdoppeln, auf 1,5 Milliarden. "Da die Weltbevölkerung in beispiellosem Maße altert, sollten die strukturellen und politischen Schieflagen, die Männer begünstigen, dringend in Angriff genommen werden", betont Autorin Chen in einer Mitteilung der Zeitschrift. Dazu gehört etwa die Bekämpfung der Altersarmut bei Frauen.

Allerdings ist auch der wissenschaftliche Datenvergleich wichtig – am Wiener Demografieinstitut wird etwa der Marker "Years of Good Life" analysiert und verwendet, bei dem der Geschlechterunterschied in Europa viel geringer als bei der Lebenserwartung ausfällt: Für 50-Jährige im Jahr 2017 wurde eine Anzahl der Jahre mit guten Lebensumständen errechnet, die für die EU bei 22,4 (Frauen) beziehungsweise 21,4 (Männern) liegt. In Österreich sind es 25,8 versus 24,7 gute Lebensjahre. Damit liegt sie im Verhältnis zur generellen Lebenserwartung zwar bei Frauen niedriger als bei Männern, aber insgesamt letztendlich doch bei Frauen höher. (red, APA, 5.8.2021)