Ministerpräsident Naftali Bennett rief über 60-Jährige, die noch keine dritte Impfung erhalten haben, dazu auf, sich von großen Menschenansammlungen fernzuhalten.

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Tel Aviv – Angesichts zunehmender Corona-Infektionen in Israel hält ein hoher Beamter des Gesundheitsministeriums einen Lockdown noch vor dem Monatsende nicht mehr für unmöglich. "Derzeit würde ich keinen Lockdown verhängen", betonte Nachman Ash, Generaldirektor des Gesundheitsministeriums, am Donnerstag im israelischen Militärrundfunksender. Sollte es aber bei der andauernd hohen Zahl der Neuinfektionen bleiben, "müssen wir in zwei oder drei Wochen eine andere Entscheidung treffen".

Ash hofft, dass die dritte Impfung für über 60-jährige und die vom Kabinett beschlossenen Maßnahmen greifen, denn in Israel sind an drei aufeinanderfolgenden Tagen mehr als 3.000 Neuinfektionen pro Tag registriert worden. Am Mittwoch waren es 3.430 neue Fälle gewesen. Insgesamt 250 Patienten waren nach Angaben des Gesundheitsministeriums schwer krank. In Israel sind etwa 58 Prozent der Bevölkerung von rund 9,3 Millionen Menschen geimpft. Mehr als 262.000 Menschen haben bereits eine dritte Impfung erhalten.

Delta-Variante stark verbreitet

Ministerpräsident Naftali Bennett appellierte am Donnerstag an alle über 60-Jährigen, die noch keine dritte Impfung erhalten haben, sich in den kommenden Wochen besonders vorsichtig zu verhalten. Menschenmengen sollten vermieden werden, ebenso Kontakte mit möglichen Infizierten. "Wenn Sie Ihre Enkel treffen, dann draußen und mit Maske", hieß es im Appell des Regierungschefs. Die Gefahr einer Infektion sei etwa sechsmal so hoch wie bei denjenigen, die bereits eine dritte Impfung vor fünf oder mehr Tagen erhalten hätten.

Der rechts-religiöse Politiker Betzalel Smutrich behauptete, der erneute Anstieg der Corona-Infektionen in Israel sei auf die Gay Pride Parade in Tel Aviv Ende Juni zurückzuführen. "Das ungebührliche Verhalten in Tel Aviv hat den Ausbruch gestartet", sagte er israelischen Medienberichten zufolge am Mittwochabend im Parlament, der Knesset. Der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz, der selbst schwul ist, nannte die Äußerungen am Donnerstag auf Twitter eine Mischung aus "Ignoranz, Populismus, Frustration und Hass". Die Gay Pride Parade hatte in Israel in einem Zeitraum von Lockerungen stattgefunden, in dem auch andere Großveranstaltungen – darunter auch religiöse Feiern – zelebriert worden waren.

Nach Zahlen des Gesundheitsministeriums hat die Wirksamkeit der Biontech/Pfizer-Impfungen in Israel seit Anfang Juni stark nachgelassen. Demnach verhindert die Impfung eine Corona-Infektion nur noch zu 39 Prozent – schwere Erkrankungen aber immer noch zu 91 Prozent. Gleichzeitig verbreite sich im Land die ansteckendere Delta-Variante, hieß es. (APA, 5.8.2021)