Berlin/Wien – Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) will offenbar den Druck auf impfunwillige Bürgerinnen und Bürger massiv erhöhen. Die Onlineplattform der Tageszeitung "Die Welt" veröffentlichte ein brisantes Papier aus dem Ministerium, wonach Personen, die nicht gegen Corona geimpft sind, trotz eines negativen Tests vom gesellschaftlichen Leben, also etwa von Lokal- oder Theaterbesuchen, ausgeschlossen sein sollen.
Ausgenommen sollen nur Personen sein, für die eine Covid-Impfung aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich ist. Umgesetzt werden könnte die Regelung bereits ab September. Mehrere Medien berichten bereits von einem Lockdown für Nichtgeimpfte. Spahn ließ den Vorschlag an alle Bundesländer schicken. Die scharfen Maßnahmen seien abhängig von der Inzidenz geplant, heißt es in dem Papier.
Politischer Gegenwind
Politisch braut sich Gegenwind zusammen. Susanne Henning-Wellsow, Vorsitzende der Linkspartei, spricht sich gegen die Zweiteilung aus, wenn es um die Teilnahme am öffentlichen Leben gehe. Die SPD im Bundestag kritisiert den Ausschluss von getesteten Nichtgeimpften ebenso. Unterstützung erhält Spahn von seinem Amtskollegen in Baden-Württemberg, Manfred Lucha (Grüne): "Geimpfte erhalten alle Freiheiten zurück, und für Ungeimpfte gelten verschärfte Regeln", wird er von welt.de zitiert.
Tests nicht mehr gratis
Im Oktober will Spahn außerdem den Zeitpunkt festlegen, ab wann Covid-Tests nicht mehr gratis sein sollen. In Österreich wird derzeit noch darüber diskutiert, ob die Tests überhaupt kostenpflichtig werden sollen. Nach den Rufen aus einigen ÖVP-geführten Bundesländern sowie aus der niederösterreichischen Ärztekammer, die Corona-Tests in Zukunft kostenpflichtig zu machen, stößt auch Ärztekammer-Präsident Thomas Szekeres in diese Richtung. Laut Verfassungsrechtler Bernd-Christian Funk von der Sigmund-Freud-Privatuniversität Wien gibt es keine rechtlichen Bedenken gegen das Ende der Gratistests. Er plädiert aber dafür, für Menschen, die sich aus gesundheitlichen Gründen nicht impfen lassen können, eine Ausnahme zu machen.
In Österreich zulässig oder nicht?
Auch die Debatte über einen Quasi-Lockdown für Ungeimpfte nahm am Donnerstag in Österreich Fahrt auf. Für Verfassungsrechtler Funk geht die in Deutschland geplante Einschränkung zu weit. "Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit ist die Besserstellung von geimpften Personen nicht gerechtfertigt", sagte Funk auf Anfrage des STANDARD. Der bisher unbestrittene Standard, dass ein negativer Test und eine Impfung gleichzustellen seien, könne nicht so einfach aufgegeben werden. Die Folge wäre wohl Diskriminierung. Funk gibt außerdem zu bedenken, dass auch eine Impfung keinen hundertprozentigen Schutz vor einer Infektion und einer Erkrankung biete.
Zu einer anderen Einschätzung kommt, wie der "Kurier" berichtet, der Dekan der rechtswissenschaftlichen Fakultät in Graz, Christoph Bezemek. Er hält Einschränkungen für Nichtgeimpfte auch in Österreich für verfassungsrechtlich zulässig. (Michael Simoner, 5.8.2021)