Zum Interview mit dem STANDARD kommt Klimastaatssekretär Magnus Brunner (ÖVP) mit einer Tennistasche in der Hand. Den Grünen serviert er im Gespräch etliche harte Aufschläge. Das Ziel würde Grüne und ÖVP im Klimaschutz einen, meint Brunner, der Weg allerdings nicht immer.

STANDARD: Kanzler Kurz hat jüngst Abu Dhabis Kronprinzen in Wien begrüßt und ein "richtungsweisendes Wasserstoffabkommen" geschlossen. In welche Richtung weist es denn?

Brunner: Wasserstoff wird der Schlüssel sein, damit wir die Energiewende schaffen. Das Abkommen betrifft die Kooperation, Details sind offen. Wir warten auf die Wasserstoffstrategie, die liegt in der Schublade.

"Die Wirtschaft ist zum Teil schon viel weiter als die Politik, die haben schon Lösungen in der Schublade", meint Brunner.
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STANDARD: Sie ist längst überfällig, was macht sie in der Schublade?

Brunner: Das muss die Frau Bundesministerin Gewessler vorlegen.

STANDARD: Haben Sie sie überzeugt, dass der Einsatz von Wasserstoff auch in der Mobilität sinnvoll ist?

Brunner: Der Weg stimmt. Die Grünen sind Wasserstoff am Anfang kritisch gegenübergestanden. Das hat sich geändert. Gott sei Dank.

STANDARD: Wir können viel zu wenig Wasserstoff produzieren. Wird das wie bei Strom: Wir produzieren sauberen und importieren dreckigen?

Brunner: Ziel ist, Wasserstoff zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen zu produzieren. Wir können nicht sagen, wenn wir jetzt dazu nicht die Möglichkeit haben, wir tun nichts. Wir dürfen die Entwicklung nicht verschlafen.

STANDARD: Wir haben jetzt ein Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz, aber wir brauchen Windräder und Starkstromleitungen, die niemand vor der Haustür haben will. Wie schaffen wir das?

Brunner: Das Gesetz war ein Riesenprojekt und ist auch ein Rieseninvestitionspaket in die Wirtschaft. Wir haben Klimaziele, zu denen wir alle stehen. Dann muss ich auch die nötige Infrastruktur bauen können.

Der türkise Staatssekretär setzt auf Wasserstoff.
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STANDARD: Apropos Infrastruktur: Sie fliegen regelmäßig beruflich von Wien nach Vorarlberg. Kann man das als Klimastaatssekretär rechtfertigen?

Brunner: Die Leute erwarten sich, dass man nicht nur in Wien im Büro sitzt. Ich fahre möglichst oft mit dem Zug. Und oft mit dem Wasserstoffauto, da spare ich drei Tonnen pro Jahr ein. Und wenn es terminlich nicht anders möglich ist, dann fliege ich auch. Natürlich kompensiere ich meinen CO2-Ausstoß.

STANDARD: Das Klimaschutzgesetz ist noch in Abstimmung. Wir warten alle schon sehr lange darauf. Was sagen Sie zum bisherigen Entwurf?

Brunner: Der Entwurf ist mit uns nicht abgestimmt. Da sind auch manche Einzelmaßnahmen drin, die da nicht hingehören. Das Thema MÖSt kann Teil einer ökosozialen Steuerreform sein.

STANDARD: Dieser Automatismus soll ja erst in Kraft treten, wenn Österreich die Klimaziele verfehlt. Ist es nicht Aufgabe der Regierung, dafür zu sorgen, dass das nie passiert?

Brunner: Auf jeden Fall. Aber die MÖSt-Erhöhung ist auch bei dem Vorschlag gestanden, der wie gesagt nicht abgestimmt war. Und über den Vorschlag werden wir jetzt diskutieren.

STANDARD: Aber wir haben ja durch die NoVA-Erhöhung ohnehin schon eine Ökologisierung.

Brunner: Das war aus meiner Sicht auch ein Fehler.

STANDARD:Hat das nicht eine sehr ökosoziale Komponente? Größere und damit weniger ökologische Autos wurden teurer, kleinere mit weniger Ausstoß wurden günstiger.

Brunner: Nein, aus meiner Sicht nicht. Es zwingt viele Unternehmen dazu, jetzt in eine neue Flotte zu investieren, und dann fehlt das Kapital, um später zum Beispiel eine E-Flotte zu kaufen. Es gibt das Angebot noch nicht. Die Betriebe müssen jetzt Kapital binden, das ist der falsche Weg.

STANDARD: Wann soll denn die Ökosteuerreform kommen?

Brunner: Da möchte ich jetzt der Taskforce natürlich nicht vorgreifen. Die verhandeln …

Standard: ... heißt es seit einem Jahr. Finanzminister Blümel hat beim CO2-Preis 25 Euro je Tonne ins Spiel gebracht. Ist der Preis angemessen?

Brunner: Das ist sicher ein Richtwert, der in Ordnung ist. In diese Richtung sollte es schlussendlich gehen. Wichtig ist, dass es auf jeden Fall marktbasiert ist. Man muss sich anschauen, was vom deutschen Modell auf Österreich übertragbar ist.

STANDARD: Bis 2040 soll Österreich klimaneutral werden. Wann wird der letzte Verbrenner neu zugelassen?

Brunner: Ich bin prinzipiell dagegen, dass man Dinge verbietet – auch beim Verbrennungsmotor. Wir müssen dafür sorgen, dass er CO2-neutraler wird. Es gibt so viel Potenzial bei alternativen Kraftstoffen und E-Fuels. Wir müssen technologieoffen agieren und uns nicht jetzt schon auf eine Technologie festlegen. Im individuellen, urbanen Personenverkehr wird die E-Mobilität eine wichtige Rolle spielen. Auf der langen Strecke und im Schwertransport ist es Wasserstoff, und für den bestehenden Fuhrpark braucht es alternative Treibstoffe.

STANDARD: Ist der Zug der Verbrenner nicht längst abgefahren?

Brunner: Wenn der Markt entscheidet, dass es irgendwann keine Verbrenner mehr gibt, ja. Der Markt hat zwar nicht immer recht, aber meistens schon. Man muss Technologien aber auch anschieben – wie im Erneuerbaren-Bereich.

STANDARD: Österreichs Emissionen sind in den vergangenen Jahren – mit Ausnahme von 2020 – gestiegen. Wie soll der Ausstoß reduziert werden?

Brunner: Wir bringen viele Dinge aufs Papier – aber das ist geduldig. Wir müssen ins Tun kommen und Projekte auf den Boden bringen. Investitionen müssen angeschoben werden; wir brauchen Innovation, und es ist auch eine psychologische Frage. Die Bevölkerung und die Wirtschaft müssen mitgenommen werden. Die Wirtschaft ist zum Teil schon viel weiter als die Politik, die haben schon Lösungen in der Schublade. Drüberfahren ist nicht der richtige Weg, da fühlen sich manche vor den Kopf gestoßen.

Der Vorarlberger ÖVP-Politiker hält wenig davon, Straßenprojekte immer wieder neu zu evaluieren.
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STANDARD: Die Evaluierung neuer Asfinag-Projekte hat für Zwist in der Koalition gesorgt. Ist das in Anbetracht neuer Gesichtspunkte wie der Klimaziele nicht selbstverständlich?

Brunner: Prinzipiell kann man immer alles evaluieren. Projekte wie die S18-Schnellstraße oder der Lobautunnel sind ja rauf und runter geprüft worden. Bei der S18 gibt es eine Empfehlung der Asfinag-Experten, die sagen, welche Trasse ökologisch am meisten Chancen auf eine Umsetzung hat und eine Entlastung der Bevölkerung bringt. Das ist gerade erst geprüft worden. Das Gleiche gilt für den Lobautunnel: Die Seestadt Aspern ist ja in Erwartung des Tunnels gebaut worden.

STANDARD: Die Seestadt Aspern ist an die U-Bahn angebunden. Wenn ein Umstieg auf Öffis im Wiener Speckgürtel nicht gelingt, wo dann?

Brunner: Das reicht doch nicht aus. In der Donaustadt erwarten sich Bewohner dringend eine Entlastung. Wir brauchen beides – öffentlichen Verkehr und Straßen. Das ist wie bei den Technologien: Wir werden alles brauchen, da reicht eine nicht. Ich hätte gerne mehr Praxisnähe und Realismus in der Diskussion.

STANDARD: Befürchten auch Sie, wie Kanzler Kurz, dass uns Klimaschutz zurück in die Steinzeit führt?

Brunner: Klimaschutz ist eines der wichtigsten Themen unserer Generation. Das nimmt jeder ernst, das zeigt auch das Regierungsprogramm. Wenn wir auf Forschung und Entwicklung setzen, ist es auch eine Chance für den Standort.

STANDARD: Also ja oder nein?

Brunner: Man muss es einfach pragmatisch angehen. Wir sind uns in den Zielen einig, der Weg zwischen den Grünen und uns ist aber unterschiedlich. (Regina Bruckner, Nora Laufer, 6.8.2021)