Eine Freundschaft mit Hindernissen: zwischen Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache und dem Immobilienunternehmer Siegfried Stieglitz.

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Siegfried Stieglitz hängt seine langjährige Freundschaft mit dem ehemaligen Vizekanzler und blauen Parteichef Heinz-Christian Strache noch ziemlich nach. Der oberösterreichische Immobilienunternehmer wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) verdächtigt, zu türkis-blauen Zeiten gegen Parteispenden an den FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" einen Aufsichtsratsposten in der staatsnahen Asfinag bekommen zu haben. Er weist die Vorwürfe zurück, es gilt die Unschuldsvermutung. Ende Juli wurde Stieglitz schließlich von der Staatsanwaltschaft einvernommen. Das Einvernahmeprotokoll, über das die "Presse" zuerst berichtete, lässt tief blicken. Es liegt auch dem STANDARD vor.

Stieglitz lernte Strache im März 2011 kennen, erzählte er den Ermittlern. Anlass sei eine Geburtstagsfeier in einer Privatvilla eines Geschäftspartners gewesen. Damals wurde Stieglitz zum Honorarkonsul der mazedonischen Regierung bestellt. Es habe jedoch Probleme mit der Zulassung gegeben. Die muss der Bundespräsident unterschreiben. Stieglitz will mit dem damaligen Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) bereits in Gesprächen gewesen sein, um die Sache in Gang zu bringen. Doch das soll nicht so recht geklappt haben. Strache eilte erstmals zu Hilfe und stellte seinem Freund jemanden vor, der "bei den Schwarzen einen guten Zugang hat und ein langjähriger guter Freund von ihm selbst sei", sagte Stieglitz.

"Ich brauche dich"

Mehr als sechs Jahre später stehen die Freiheitlichen mit der ÖVP um Kanzler Sebastian Kurz in einer Koalition. Strache ist Vizekanzler. Im Wahlkampf stellte Stieglitz den Freiheitlichen einen Wahlkampfbus zur Verfügung. Strache freut sich in Chats mit Parteifreunden, dass das "kostenlos" passiert sei. Stieglitz sagte in der Einvernahme, dass der Bus um 14.450 Euro an die FPÖ vermietet wurde.

Bei der FPÖ-Weihnachtsfeier 2017 soll der gerade erst gekürte blaue Infrastrukturminister Norbert Hofer zu Stieglitz dann gesagt haben: "Du, ich brauche dich als Aufsichtsrat." Für welches Unternehmen, das soll noch keine Rolle gespielt haben. Zumindest für Hofer, den der Unternehmer über seinen Freund Strache kennengelernt hatte. Stieglitz träumte nämlich laut eigenen Aussagen schon davon, Bahnhöfe für die ÖBB zu entwickeln. Doch dieses Mandat bekam jemand anderer. Stieglitz war frustriert, weil er sich für besser geeignet hielt.

Um Posten ging es laut Stieglitz schon vor der Regierungsbeteiligung. Im Sommer 2017 habe er sich mit Strache und Hofer zu dritt im Wiener Hotel Ritz-Carlton auf der Dachterrasse unterhalten. Der seinerzeitige FPÖ-Chef soll Stieglitz schon damals gefragt haben, ob er im Falle einer Koalition die eine oder andere Position übernehmen könnte. "Zum Beispiel die Funktion eines Attachés, wobei ich bis heute nicht weiß, was das genau ist", sagte Stieglitz. Kurz sei es auch um Aufsichtsratsposten gegangen, da sei aber betont worden, dass die Qualifikation passen müsse. Von einem Nationalratsmandat habe Strache seinen Freund abgehalten.

Einzug per Teletext im Fitnessstudio

Im Jänner 2018 ist Stieglitz noch immer kein Aufsichtsratsmitglied. Er wird langsam unruhig und bittet Strache, mit Hofer zu reden. Bei einem Termin mit Hofers damaligem Kabinettschef René Schimanek deponierte Stieglitz die Asfinag als Wunsch, nachdem aus der ÖBB nichts geworden war und "weil ich sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau wesentliche Kompetenzen habe". Schimanek soll ihm dann einen Ordner mit etwa hundert Kandidaten gezeigt, aber gesagt haben: "Du liegst ganz oben." Stieglitz war froh und mit Schimanek per Du. Tage später war Stieglitz laut seiner Aussage gerade im Fitnessstudio, als er via Teletext erfuhr, dass er Asfinag-Aufsichtsrat werde.

Als die Ermittler Stieglitz damit konfrontierten, dass aus seinem Lebenslauf nicht hervorgehe, in welchen Unternehmen er welche Position innehat, entgegnete der Unternehmer: "Man hat mir nicht gesagt, dass der Lebenslauf bestimmte Anforderungen bezüglich Inhalt und Länge aufweisen muss."

Ein Spatenstich in der Karriere

Tatsächlich wurde Stieglitz dann Anfang März 2018 Aufsichtsratsmitglied in der Asfinag. Also begann er sich über seine neue Funktion zu informieren. Beim Friseur lernte er eine Korruptionsstaatsanwältin kennen, die ihm als Frau "Staatsanwalt" vorgestellt worden sein soll. Danach lud er sie auf ein Getränk ein, man sei bis ein Uhr in der Früh zusammengestanden. Die Staatsanwältin soll Stieglitz darauf aufmerksam gemacht haben, dass eine Aufsichtsratsposition "eine unbeschränkte persönliche Haftung impliziere", sagte Stieglitz aus. Die Juristin habe ihm angeboten, ihm weitere Informationen zukommen zu lassen. Es war eine Seite des Skriptums "Aufgaben des Aufsichtsrats" und kam per Whatsapp. Stieglitz will zwar über die Rechte und Pflichten Bescheid gewusst haben, die Schulung nach der Ernennung sei aber "für viele Neuland" gewesen.

Ende Oktober 2018 soll Hofer Stieglitz bei einer Spatenstichfeier noch einen weiteren Aufsichtsratsposten angeboten haben, konkret für die ÖBB. "Ich wollte in möglichst viele Aufsichtsräte staatsnaher Unternehmen ernannt werden", gibt Stieglitz zu Protokoll. Damit sei eine hohe gesellschaftliche Anerkennung verbunden. Das Sitzungsgeld von anfänglich 500 Euro sei angesichts der stundenlangen Vorbereitungen hingegen kein Anreiz.

Doch aus der ÖBB wurde nichts. Zur Postbus AG wollte Stieglitz als Ausgleich nicht. Das könne er sich selbst machen, will Stieglitz ÖBB-Aufsichtsratschef Gilbert Trattner (FPÖ) gesagt haben. Vom angeblichen Wortbruch Hofers, den die WKStA in dieser Causa ebenfalls im Blick hat, war Stieglitz enttäuscht. Der Ex-Infrastrukturminister dementiert in seiner Vernehmung eine Zusage. Stieglitz wurde übrigens auch nicht OMV-Kontrolleur, worauf er ebenfalls gespitzt hatte.

Gestückelte Spende als "Sicherheitsmaßnahme"

Vom FPÖ-nahen Verein "Austria in Motion" erfuhr Stieglitz von Strache 2017 auf jener Dachterrasse des Hotels Ritz-Carlton. Strache soll ihn um einen Gefallen gebeten haben, er solle an den Verein spenden, nicht direkt an die Partei. Den Verwendungszweck will Stieglitz nicht hinterfragt haben. Auch die Statuten las er laut eigenen Angaben nicht. Die Spende im Jahr 2018 habe er wie jene im Jahr davor gestückelt überwiesen, als "Sicherheitsmaßnahme, um nicht aufzufallen". Die zweite 10.000-Euro-Spende sei quasi in etwa eine Rücküberweisung der Kosten für den Bus gewesen, den Stieglitz der FPÖ im Wahlkampf zur Verfügung gestellt hatte. Warum? Stieglitz: "Um mir nicht den eventuellen Vorwurf gefallen lassen zu müssen, mich an der FPÖ bereichert zu haben." (Jan Michael Marchart, Fabian Schmid, 6.8.2021)