Österreich legt beim Umstieg auf Elektromobilität einen ordentlichen Zahn zu: Allein von Jänner bis Juni 2021 wurden 15.347 neue E-Autos zugelassen. Zum Vergleich: Insgesamt sind aktuell 59.289 strombetriebene Fahrzeuge auf Österreichs Straßen unterwegs.

In den nächsten Jahren dürfte es also steil bergauf gehen. Bereits 2030 – fünf Jahre früher als EU-weit – sollen keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden. Die rasche Umstellung auf E-Autos fordert nicht nur Hersteller und Konsumenten: Die Grundvoraussetzung für die Mobilitätswende ist eine ausgedehnte Ladeinfrastruktur. Das macht einen massiven Ausbau notwendig – vor allem im privaten Bereich.

Infrastruktur in der EU

Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten im Rahmen des Green Deals nun zu mehr Ladestationen verpflichten. Bereits Ende 2025 soll entlang der wichtigsten europäischen Schnellstraßen alle 60 Kilometer eine leistungsstarke E-Tankstelle stehen. Die Investitionskosten dafür schätzt die Kommission auf rund 15 Milliarden Euro. Derzeit ist die Ladeinfrastruktur innerhalb der Union sehr unterschiedlich stark ausgebaut. Von den rund 230.000 öffentlichen Stationen befinden sich 70 Prozent in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Aber auch hierzulande steht man nicht schlecht da: Beim Ausbau öffentlich zugänglicher E-Tankstellen befindet sich Österreich im vorderen Drittel Europas.

Vor allem in Ballungszentren und entlang der Autobahnen ist das Netz an Schnellladern gut ausgebaut.
Grafik: der Standard

Aktuell gibt es in Österreich rund 8000 öffentliche Ladepunkte. 5000 davon werden vom Bundesverband Elektromobilität Österreich (BEÖ) betrieben, einem Zusammenschluss der österreichischen Energieversorger. Auf Österreichs Autobahnen und Schnellstraßen stehen 30 E-Tankstellen mit etwa 160 Ladepunkten zur Verfügung – im Schnitt alle 80 Kilometer. Laut Asfinag wird der Ausbau noch heuer weiter vorangetrieben. Anfang 2022 kann dann alle 65 Kilometer Strom getankt werden. Langfristiges Ziel sei es, bis 2030 rund 1000 Säulen anzubieten. Dazu kommen eigene Stationen für E-Lkws.

Beim Ausbau der Infrastruktur mischen neben öffentlichen Energieversorgern und Privatunternehmen mittlerweile auch die Autobauer selbst mit, die damit ihr Angebot an Elektroautos attraktivieren wollen. BMW, Daimler, Ford, Volkswagen und Hyundai gründeten gemeinsam "Ionity", ein Unternehmen, das ein Netz von Ladestationen entlang der europäischen Autobahnen aufbauen soll. Die EU unterstützt das Projekt mit bis zu 195 Millionen Euro.

Enorme Preisspanne

Die Vielzahl unterschiedlicher Anbieter fördert den raschen Ausbau, führt allerdings dazu, dass die Kosten für Ladevorgänge stark variieren. Abgesehen von der Möglichkeit, spontan bei einem bestimmten Versorger zu laden, sind zahlreiche unterschiedliche Tarifsysteme am Markt. So gibt es etwa Bezahlmodelle mit oder ohne Grundgebühr, zeitabhängige Tarife, leistungsbezogene Tarife oder Pauschalen. Dazu kommt unter Umständen eine "Roaminggebühr", wenn man nicht bei seinem eigenen Vertragspartner lädt. An ein und derselben Ladesäule können deshalb Kosten zwischen 0,30 und 1,50 Euro pro Kilowattstunde anfallen – eine enorme Preisspanne. "Autobahneffekte" wie bei Benzin und Diesel gibt es laut Asfinag aber nicht.

Obwohl Österreich im internationalen Vergleich gut dasteht, zeichnet ein Blick auf die Karte ein differenziertes Bild: Während die öffentliche Infrastruktur in den Städten und an den Autobahnen relativ gut ausgebaut ist, besteht vor allem im ländlichen Bereich Nachholbedarf. Wer aktuell in Wien mit einem E-Fahrzeug unterwegs ist, findet leicht eine geeignete Ladesäule. Zum Problem könnte allerdings werden, auf der Langstrecke im Urlaubsverkehr oder im Freiland zu tanken.

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Preise an öffentlichen E-Tankstellen variieren stark. Am billigsten ist es, sein Elektroauto zu Hause aufzuladen.
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"Wenn sich Elektromobilität flächen deckend etablieren soll, bedarf es neuer Ideen und Partnerschaften", sagt Andreas Reinhardt, Vorsitzender des BEÖ. Im privaten Bereich sieht er das größte Potenzial: "Der nächste wichtige Schritt ist der rasche Ausbau von Lademöglichkeiten in Tiefgaragen von Mehrparteienhäusern." Derzeit werden bis 90 Prozent der E-Autos zu Hause oder am Firmenparkplatz geladen. Das Problem: Aufgrund der Notwendigkeit der Zustimmung aller Miteigentümer eines Gebäudes ist der Einbau von E-Tankstellen im städtischen Bereich schwer möglich.

Right to Plug

Unter dem Slogan "Right to Plug" will die Regierung das nun ändern: Die Errichtung einer Ladestation soll ab 2022 zu den "privilegierten Änderungen" im Wohnungseigentumsgesetz zählen. Damit könnten andere Miteigentümer ihre Zustimmung künftig nicht mehr verweigern. Um einen "geregelten Ausbau sicherzustellen", darf das "Right to Plug" laut Ministerium aber an gewisse Kriterien wie eine bestimmte Maximalleistung geknüpft werden. Durch die gesetzliche Neuerung rechnet der BEÖ mit einem deutlichen Anstieg der privaten Kapazitäten. Helfen werden dabei auch Förderungen: Im privaten Bereich bekommt man für eine Ladestation aktuell 600 Euro Zuschuss, für Mehrparteienhäuser zwischen 900 und 1800 Euro. Damit können die Kosten je nach Ausführung fast zur Gänze gedeckt werden.

Ausbau der Stromversorgung

Bei tausenden neuen Ladestationen innerhalb weniger Jahre stellt sich mittelfristig die Frage, wie weit die Stromnetze auf die Mehrbelastung vorbereitet sind. Dafür sind laut E-Mobilitäts-Experte Thomas Bruckmüller von der Technischen Universität Wien mehrere Parameter entscheidend: "Der zusätzliche Energiebedarf, der durch die Elektroautos anfallen wird, ist im Vergleich zum Gesamtverbrauch nicht dramatisch. Die Versorgung mit erneuerbarer Energie ist jedoch deutlich aufwendiger. Die täglichen Effekte bei der Ladung erhöhen zudem die erforderliche Stromleistung." Das dürfte vor allem auf lokale Verteilernetze Auswirkungen haben.

"Wir haben herausgefunden, dass bei einem E-Auto-Anteil von rund 50 Prozent die Maximalkapazität eines typischen ländlichen Verteilernetztrafos erreicht wird", sagt Bruckmüller. Mit einem intelligenten Lademanagement ließe sich diese Grenze weiter hinausschieben. Derzeit gebe es beim Bau der Ladeinfrastruktur aber einen gewissen "Wildwuchs". Sinnvolles Lademanagement werde kaum berücksichtigt. Ein E-Pkw-Anteil von 50 Prozent könnte laut Studien von Austriatech bereits im Jahr 2034 erreicht sein. Spätestens bis dahin muss also ein Ausbau oder Umbau der lokalen Verteilernetze gewährleistet sein. "Ein umfassender Netzausbau dauert üblicherweise sehr lang", sagt Bruckmülller. "Der Beginn von Netzerweiterungen dürfte deshalb schon deutlich vor 2030 notwendig sein." (Jakob Pflügl, 9.8.2021)