Die Lockdowns haben dazu geführt, dass Gastropersonal abgewandert ist.

Foto: Heribert Corn

Kellner: "Trinkgeld ist eben kein offizielles Gehalt"

"Das beste Trinkgeld bekommt man im Restaurant. Im Café gibt es deutlich weniger. Da kommen viele junge Mütter, die so abgelenkt sind, dass sie oft komplett darauf vergessen. In Bars kann man auch gutes Trinkgeld machen, denn da sind die Gäste irgendwann betrunken und werden spendabel. Die besten Kunden sind übrigens die, die selbst schon in der Gastro gearbeitet haben.

Für mich war das immer nur ein Nebenjob, um mir in der Schule oder jetzt im Studium etwas dazuzuverdienen. Angefangen habe ich vor neun Jahren, mit 15.

Zuletzt habe ich 15 Stunden pro Woche als Kellner in einem Wiener Lokal gearbeitet und netto 500 Euro im Monat verdient. Das ist nicht viel, dafür habe ich circa zehn Euro pro Stunde Trinkgeld bekommen. Aber Trinkgeld ist eben kein offizielles Gehalt. Es wirkt sich nicht auf Pension oder Arbeitslosengeld aus. Bei vielen Arbeitgebern ist es auch so, dass man es sich nicht selbst auszahlen darf – sondern die Chefs das am Ende einer Woche machen. Die Gefahr ist natürlich, dass sie davon etwas abzwacken.

Obwohl die Bedingungen schlecht sind, die Chefs mies gelaunt, der Stress groß ist und es keine Zulagen für die Arbeit in der Nacht und am Wochenende gibt, mag ich die Gastro, weil es sehr amikal zugeht.

Im März 2020 sollte ich einen neuen Job beginnen. Dazu kam es gar nicht erst, es war Lockdown, und ich wurde arbeitslos. Zum Glück war ich davor angestellt, was in der Branche nicht selbstverständlich ist – es wird viel schwarz gearbeitet. Ich bekam 500 Euro im Monat vom Arbeitsmarktservice. Für mich hat das gereicht, weil mir meine Eltern aktuell noch meine Wohnung finanzieren.

Kürzlich habe ich meine jetzige Stelle gefunden. Derzeit suchen ja etliche Betriebe nach neuen Leuten. Aber wenn sie weiter so schlecht bezahlen, werden sich das viele zweimal überlegen."

Restaurantleiterin: "Man beutet sich selbst aus"

"Ich arbeite in einem Gastronomiebetrieb in einem Grazer Einkaufszentrum. Zu meinen Aufgaben gehört es, Dienstpläne zu erstellen und Leute einzuteilen. Das klingt jetzt spektakulärer als es ist, denn ich helfe auch bei der Bedienung, und über mit ist noch mein Chef, weil das Restaurant zu einer Kette gehört. Mein Verdienst für 40 Stunden sind 1.546 Euro netto. Der Vorteil an meinem Job: Er richtet sich nach den Geschäftszeiten. Wir haben also nicht ewig offen und auch nicht am Sonntag. Das schätze ich, weil Zeit für meinen Sohn bleibt.

Das Negative:Es wird Druck auf die Mitarbeiter ausgeübt, indem Überstunden eingefordert werden und gesagt wird:‚Schau, dein Kollege hat kein Problem mit dem Arbeitsaufwand!‘ Auch eine Herausforderung ist, immer freundlich zu bleiben, selbst wenn die Kunden ihre schlechte Laune an mir auslassen.

In die Gastronomie bin ich zufällig gekommen. Eigentlich habe ich Malerin gelernt. Dann hat sich mein damaliger Mann mit einer Pizzeria selbstständig gemacht, und ich war involviert. Also kenne ich auch die Seite der Arbeitgeber. Ich habe das so erlebt, dass die Gewinnspannen niedrig sind und man sich selbst und auch seine Mitarbeiter ausbeuten muss, damit sich das irgendwie rechnet. Ich habe zehn Jahre lang jeden Sonntag gearbeitet – das zerreißt einen irgendwann.

Kein Wunder, dass sich in der Coronazeit viele etwas Neues gesucht haben. In einer Teststraße habe ich mit einem ehemaligen Koch geredet, der gesagt hat:‚Ich bleib‘ hier, ich geh‘ nicht mehr zurück.‘ Ich kann ihn verstehen.

An meinem Neffen sehe ich, wie einen der Beruf kaputtmachen kann. Er ist 27, Kellner aus Leidenschaft, hat jede Menge Fortbildungen gemacht und arbeitet auf Kreuzfahrtschiffen. Und er ist bereits jetzt gesundheitlich sehr angeschlagen, weil der Stress massiv ist. Ich bewundere alle, die das 20 oder 30 Jahre machen und noch immer freundlich sind."

Küchenchef: "Ich verhandle zweimal im Jahr Gehalt"

"Es ist eine Branche, wo man viel Spaß haben kann. Weil man mit jungen Leuten zusammenarbeitet, weil man oft ein cooles Umfeld hat. Und weil die Chefs oft sehr bodenständig sind. Aber ja, es kann vorkommen, dass man mehrere Tage oder Wochen durcharbeiten muss. Das muss man natürlich wollen. Deshalb sage ich oft: Gastronomie ist mehr eine Lebenseinstellung als ein Beruf.

Wer in der Gastronomie arbeitet, kann aber richtig gutes Geld verdienen. Zwar ist der Kollektivlohn nicht hoch, aber für einen guten Mitarbeiter bezahlt ein Betrieb auch gerne mehr. Der Kollektivlohn für Küchenchefs liegt bei etwa 1.900 Euro brutto. Ich verdiene über 6.000 brutto. Mein Chef weiß gute Arbeit zu schätzen. Aber ich verhandle auch zweimal im Jahr mein Gehalt.

Ich bin jetzt 30 Jahre alt. Mit der Lehre als Gastronomiefachmann habe ich 2006 begonnen, sie ging bis 2010. Seitdem arbeite ich saisonal, also im Sommer und Winter jeweils woanders. Ich mag die Abwechslung, war schon in verschiedenen Bundesländern Österreichs und auch im Ausland, in Paris, Monaco und Portugal. Seit neun Jahren bin ich im Winter in Vorarlberg, seit ich 24 bin in der Position des Küchenchefs in einem Luxus-Skihotel. Im Sommer, also auch jetzt, arbeite ich in einem gehobenen Abendlokal in Wien. Im November geht es wieder nach Vorarlberg.

Warum viele Junge den Beruf nicht mehr machen wollen, liegt, glaube ich, daran, dass sie nicht am Abend oder am Wochenende arbeiten wollen. Auch die Wertschätzung der Kunden ist oft nicht besonders hoch, die Leute geben immer weniger Trinkgeld. Lehrberufe überhaupt sind nicht besonders attraktiv, obwohl sie wirklich gute Chancen bieten.

Natürlich spielen auch die Löhne eine Rolle. Manche Betriebe schmücken sich mit ihrem Namen und bezahlen Hungerlöhne. Ein Junger macht das aber nicht mehr für ein Zeugnis – er will eine Work-Life-Balance und gutes Geld verdienen. Aber auch diese Betriebe werden umdenken müssen." (Protokolle: Lisa Breit, 6.8.2021)