
Mit der Aktion will "Die Tagespresse" Aufmerksamkeit auf die Inseratenpolitik der Bundesregierung lenken.
Die Richter am Handelsgericht Wien staunten wohl nicht schlecht, als diese Woche eine Klage der "Tagespresse" auf ihrem Tisch landete: Das Satireportal brachte ein Unterlassungsbegehren gegen den Nationalratsabgeordneten Andreas Hanger (ÖVP) ein. Er sei eigentlich ein Satiriker, lege das aber nicht offen. Damit grabe er der "Tagespresse" als echtem Satireportal das Wasser ab. Die Klage wurde vom Handelsgericht nun zugelassen und Hanger zugestellt. In der Sache hat das Verfahren aber kaum Aussicht auf Erfolg.
In der Klagsschrift, die von der Wiener Kanzlei Höhne, In der Maur & Partner eingebracht wurde, stützt sich "Die Tagespresse" auf Bestimmungen im Wettbewerbsrecht und beantragt eine einstweilige Verfügung: Hanger solle in Zukunft einen drei mal vier Zentimeter großen Anstecker tragen, mit dem er sich als Satiriker zu erkennen gibt.
Das Handelsgericht Wien ließ das Verfahren zwar zu, stellte aber klar, dass dies nicht bedeute, dass die Klage auch "plausibel" sei. Für deren grundsätzliche Zulässigkeit sei das gar nicht erforderlich.
Nicht ganz unschlüssig
Eine Klage wird nur dann von vornherein zurückgewiesen, wenn das falsche Gericht angerufen wird oder das Vorbringen gänzlich unschlüssig ist. Selbst dann würde der Richter allerdings einen Verbesserungsauftrag erteilen und dem Kläger die Chance geben, seinen Antrag zu korrigieren. Im Allgemeinen sind die Voraussetzungen für die Zulässigkeit daher sehr gering, erklärt Johannes Öhlböck, Anwalt für Wettbewerbsrecht: "Grundsätzlich kann in Österreich jeder jeden klagen, wie er will." Dass die Klage nun zugelassen und zugestellt wurde, wundert ihn daher nicht. Ein anderer Wiener Anwalt, der namentlich nicht genannt werden will, war über die Zulassung dagegen überrascht. Das Handelsgericht hätte also wohl auch anders entscheiden können.
Hanger muss sich nun innerhalb einer Frist von 14 Tagen zum Antrag auf einstweilige Verfügung äußern. Erst wenn dieses vorläufige Verfahren abgeschlossen ist, findet der eigentliche Gerichtsprozess statt. Dass es überhaupt so weit kommt, darf aber stark bezweifelt werden.
Eigentliches Ziel erreicht
Alle vom STANDARD kontaktierten Juristen rechnen nämlich mit der Abweisung des Antrags. Das Verfahren werde "nicht von großem Erfolg gekrönt sein", ist Öhlböck überzeugt. Es liege auf der Hand, dass Hanger kein Satiriker, sondern ein extrovertierter Tagespolitiker sei. "Selbst, wenn es so wäre, dass er das alles nicht ernst meint, sehe ich keine Anspruchsgrundlage", sagt Öhlböck. Auch Comedians können sich nicht gegenseitig klagen, nur weil sie konkurrieren. Dass Hanger – wie von der "Tagespresse" behauptet – nicht offenlege, dass er Satiriker sei, ändere daran nichts.
Ihr eigentliches Ziel dürfte die Satirezeitung aber jedenfalls erreicht haben: Aufmerksamkeit für die Inseratenpolitik der Regierung und deren Millionenzuwendungen an Boulevardmedien. Nach eigenen Angaben hat "Die Tagespresse" über ein Werbenetzwerk 712,58 Euro an Regierungsinseraten erhalten. Damit will das Satireportal nun die Gerichtsgebühren zahlen und dafür sorgen, dass das Geld zurück an die Steuerzahler fließt. (Jakob Pflügl, 6.8.2021)