Herbert Prohaska: "Als ich 1972 gekommen bin, war ja auch kein Geld da."

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Herr Prohaska, Ihre Austria muss am Sonntag zu Red Bull Salzburg. Haben Sie schon Befürchtungen, dass sie Ihnen Ihren 66. Geburtstag verdirbt?

Prohaska: Na ja, weil die Salzburger jetzt sieben Tore gegen Ried geschossen haben, muss das nicht heißen, dass es immer so weitergeht. Und: So erfreulich ihre Ergebnisse in den Freundschaftsspielen gegen Atletico Madrid und Barcelona auch waren, sie sind doch nur wenig aussagekräftig. Aber ja, die Austria wird gut spielen müssen, sonst könnte es schlimm ausgehen. Nur, ganz ehrlich: Den Geburtstag habe ich mir durch eine Niederlage nie verderben lassen, auch als Spieler nicht. Du ärgerst dich zwar zu Tode, aber das kann ich ja nicht an Familie und Freunden auslassen. Sicher war es besser, du hast gewonnen, da brauchst du dich nicht verstellen (lacht). Was schon hin und wieder passiert ist: dass wir uns mit Freunden ausgemacht haben, am Abend fortzugehen, und dann abgesagt haben, weil ich ein Match verloren habe.

Die Austria hat ohnehin erst zu Ihrem 55er zum ersten Mal an Ihrem Geburtstag verloren, solange Sie dort waren, überhaupt nie. Zu Ihrem 30er haben Sie bei einem 2:0-Sieg in Eisenstadt sogar das erste Tor der Saison geschossen. Noch Erinnerungen daran?

Prohaska: Im Kopf hab' ich's nicht mehr, aber ich hab' mir's sicher aufgeschrieben. Am Anfang habe ich ja alle Zeitungsartikel gesammelt, das ist mir irgendwann zu viel geworden, dann habe ich mir nur noch alle meine Spiele mit Ergebnis und Torschützen aufgeschrieben, Freundschaftsspiele, Länderspiele, alles. Also wenn mich wer fragt, könnte ich nachschauen.

Zurück zur Austria: Ähnlich schlecht wie zuletzt war sie nur in Ihrem ersten Austria-Jahr …

Prohaska: Als ich 1972 gekommen bin, war ja auch kein Geld da. Bis auf Krieger, Sara, Fiala und Köglberger waren alle Stammspieler abgegeben worden, und wir haben nur mit Jungen aus dem eigenen Nachwuchs oder wie ich, Spielern aus der Wiener Liga, gespielt. Nur: Wir haben einen Joschi Walter gehabt. Bei ihm hat man gewusst, es wird nicht lange dauern, bis er wieder einen Mäzen gefunden hat. Und im Winter sind ja dann auch schon Martinez und Morales verpflichtet worden, mit denen wir im nächsten Jahr schon wieder Vierter waren.

Schmerzt Sie die derzeitige Situation der Austria?

Prohaska: Es schmerzt schon, keine Frage. Auch wenn es blöd klingt, die Austria ist mein Verein. Ich war dort 14 Jahre als Spieler und vier Jahre als Trainer, da geht nix drüber. Das Problem der Austria ist: Sie hat immer noch den großen Namen. Deshalb setzt man immer noch Maßstäbe aus der Vergangenheit an, die diese Mannschaft nicht erfüllen kann. Ein Freund hat mich gefragt, wie ich in meiner "Krone"-Kolumne schreiben kann, dass es keine Blamage ist, gegen den Vierten von Island auszuscheiden. Dabei ist es gerade einmal fünf Jahre her, dass sogar unser damals hochgelobtes Nationalteam gegen lsland verloren hat. Die Austria war unter Peter Stöger Achter und hat mit Monschein und Sarkaria zwei der besten Spieler verloren, weil sie sie sich nicht mehr leisten kann, und musste sie ersetzen durch Spieler, die sie sich gerade noch leisten kann. Wie soll sie da besser geworden sein? Jetzt Austria-Trainer zu sein ist eine Mörderhack'n. Ich hoffe nur, dass nicht wie so oft im Winter ein Vereinsfunktionär kommt und sagt: Trainer Schmid ist doch nicht der Richtige. Da kann ich nur sagen: Stell ihm einen Kader hin, mit dem er arbeiten kann, und beurteile ihn dann!

Als die Austria Anteile verkauft hat, um die Lizenz zu erhalten, haben Sie sich da selbst beteiligt oder befreundete Geschäftsleute gefragt?

Prohaska: Nein, aber mich hat auch niemand gefragt. Aber es gibt ja immer noch viele großartige Leute, denen der Verein so am Herzen liegt, dass sie ihm einen ordentlichen Teil ihres Vermögens gegeben haben. Viele von den alten Freunden der Austria gibt es natürlich nicht mehr. In unserer Zeit war es ja so, dass wir jede Saison mit vier, fünf Millionen Schilling Minus abgeschlossen haben, dann ist der Joschi Walter zu seinen Freunden gegangen und hat gesagt: Du, du, du und du zahlts jeder eine Million – und die Austria war wieder schuldenfrei. Der Joschi würde ja heute narrisch werden, der hätte für seine Austria sicher schon seine Firma und sein Haus in Kitzbühel verkauft. Aber die Zeiten sind anders, und die Kosten im Fußball sind explodiert, die Vereine sind heute Konzerne.

Wagen wir einen Ausblick: Wo ist die Austria zu Ihrem 70er, in der 2. Liga oder wieder im Europacup?

Prohaska: Ich will ja nicht nur schwarz sehen, also Europacup! Außerdem bin ich dann schon in einem Alter, wo das vielleicht mein Herz nicht mehr aushalten würde, wenn die Austria in der 2. Liga spielt.

Verzeihen Sie die Frage, aber haben Sie sich schon überlegt, beim ORF in Pension zu gehen?

Prohaska: Dazu muss ich sagen, dass das ja immer der ORF entscheidet, ob er mit mir weitermachen will oder nicht. Ich bin jetzt zwar schon 21 Jahre beim ORF, aber er ist ja nicht meine Existenz. Ich mache das, weil ich gerne dort bin und gerne beim Fußball bin. Außer Fußball kann ich ja nichts. Die Frage könnte irgendwann sein, wie viel Fußball gibt es noch im ORF? Nächstes Jahr kommt einmal die WM in Katar. Danach wird's schon dünn. Dann gibt's einmal sicher keine WM und keine Euro, nur noch Länderspiele und den ÖFB-Cup. Wenn man sich irgendwann auch die Länderspiele teilen muss, weiß ich nicht, ob ich nur wegen dem Cup noch dort sitzen will. Aber das ist Zukunftsmusik.

21 Jahre ORF, das ist ja länger als Sie bei der Austria waren.

Prohaska: Ja! Die "Kleine Zeitung" hat einmal geschrieben, dass ich in den 21 Jahren beim ORF mehr verdient habe als als Fußballer bei Austria, Inter und Roma zusammen. Die haben nur einen kleinen Fehler gemacht: Ich war ja auch noch elf Jahre Trainer. Und wenn ich in 29 Jahren Fußball nicht mehr verdient hätte als in 21 Jahre ORF, hätte ich etwas grundlegend falsch gemacht. (Horst Hötsch, 8.8.2021)