Vor knapp sechs Jahren einigten sich 195 Staaten auf das Pariser Klimaabkommen. Es besagt, dass die globale Erwärmung auf 1,5 Grad über der vorindustriellen Durchschnittstemperatur beschränkt werden soll. Diese Schwelle werden wir aber allerspätestens in den kommenden 20 Jahren erreichen oder sogar übertreffen – so lautet eine der zentralen Aussagen des soeben veröffentlichten ersten Teils des Sechsten Sachstandsberichts (AR6), der vom UN-Ausschuss für Klimawandel (IPCC) herausgegeben wird. Erstmals seit 2013 liefert er eine ausführliche Zusammenfassung über die naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels. Vorausgegangen ist eine zweiwöchige Abschlusskonferenz – offiziell im schweizerischen Genf angesiedelt, fand sie diesmal pandemiebedingt virtuell statt.

Nach der Hochwasserkatastrophe in Deutschland waren nicht nur schnell aufgestellte Straßenschilder teils unter Wasser.
Foto: Imago

Dabei wird das Rad nicht neu erfunden: Schon seit Jahrzehnten warnen Klimaforscherinnen und -forscher vor dem menschlichen Beitrag zum natürlichen Klimawandel, der durch extrem ansteigende Treibhausgaskonzentrationen für eine rapide Erwärmung sorgt. Seit der Industrialisierung setzen wir so große Mengen an Kohlenstoffdioxid (CO2) frei, dass die Konzentration dieses Gases von jahrtausendelang relativ konstanten 260 bis 280 CO2-Teilchen pro eine Million Gasteilchen (parts per million, ppm) ab dem 19. Jahrhundert auf rund 400 ppm angestiegen ist.

Damit einhergegangen ist ein globaler Temperaturanstieg von bisher 1,1 Grad. So extreme Klimaveränderungen hat es in den letzten Jahrhunderten, teils sogar Jahrtausenden, nicht gegeben, heißt es im Bericht. Und manche der Veränderungen, die wir schon in Gang gesetzt haben – etwa der Anstieg des Meeresspiegels, der sich nur langsam, aber umso nachhaltiger ändert –, werden für die kommenden hundert und tausend Jahre irreversibel sein.

Die Erwärmung wird in der nördlichen Hemisphäre stärker sein, wie die Grafiken im Bericht veranschaulichen.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Das sollte für sich sprechen. Denn: "IPCC-Berichte sind Konsensberichte von zahlreichen Wissenschafterinnen und Wissenschafter", sagt die Meteorologin Helga Kromp-Kolb von der Wiener Universität für Bodenkultur, die sich schon seit langem mit den Berichten des Weltklimarats beschäftigt. Tausende Einzelstudien werden von Fachleuten im Bereich der Klimaforschung mitunter bis ins Detail durchdiskutiert. Das Ergebnis ist ein Kompendium soliden Wissens – und als solches beinhaltet es keine kontroversen Erkenntnisse.

Die übersichtlichere "Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger" (Summary for Policymakers), die zu den Berichten geliefert wird, ist noch dazu von den 195 im Klimarat vertretenen Regierungen mitgestaltet und abgesegnet. Insofern enthalte auch der aktuelle Bericht der Arbeitsgruppe I keine sensationellen Aussagen, sagt Kromp-Kolb: "Aber er zeigt, dass sich die Unsicherheiten verkleinern und man sich in Bereichen Aussagen zutraut, in denen die vorigen IPCC-Berichte noch sehr zurückhaltend waren."

Inger Andersen, Exekutivdirektorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, fand in der Pressekonferenz klare Worte. Die Berichte weisen seit mehr als drei Jahrzehnten auf die Gefahren hin, die die Erwärmung des Planeten mit sich bringt: "Niemand ist sicher, und es wird immer schneller schlimmer. Wir müssen den Klimawandel als unmittelbare Bedrohung behandeln – genauso wie die damit verbundenen Natur-, Biodiversitäts- und Umweltverschmutzungskrisen." Dazu müsse jedes Unternehmen, jeder Investor und jeder Bürger seinen Teil beitragen, sagt Andersen.

Was unter die wichtigsten Aspekte des aktuellen Reports fällt, wird im folgenden Überblick dargestellt:

Hohe Wahrscheinlichkeit wird zur Gewissheit

Der Forschungsfortschritt sorgt dafür, dass Fachleute Aussagen mit wesentlich höherer Sicherheit treffen. Im aktuellen Bericht schreibt der Weltklimarat daher ganz unmissverständlich: "Es ist eindeutig, dass der menschliche Einfluss das Klima erwärmt hat." Obwohl dies schon vor zehn Jahren klar war, hat man sich erst in diesem IPCC-Bericht zu dieser dezidierten Formulierung durchgerungen, weil die exakte Berechnung des menschlichen Einflusses früher schwieriger war. Ähnliches gilt auch für andere Analysen, etwa wie häufig sich Extremereignisse einstellen oder wie viel CO2-Budget übrig bleibt, bevor bestimmte Temperaturschwellen erreicht werden.

Daten aus der Vergangenheit und Modelle helfen, bisherige und zukünftige Entwicklungen immer besser zu beschreiben. Hier rechts zu sehen: die unterschiedlichen Konzentrationen an atmosphärischem Kohlendioxid, je nachdem, ob wir für niedrige oder hohe Emissionen sorgen – basierend auf zwei entsprechenden Zukunftsszenarien.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Der Grund dafür: Heute können Informationen aus unterschiedlichen Beweisketten besser zusammengeführt werden, sagt der belgische Klimawissenschafter Joeri Rogelj. Er forscht am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien sowie am Imperial College London und ist einer der Leitautoren des Berichts, an dem insgesamt mehr als 200 Forschende mitgewirkt haben. Beobachtungsdaten, Modelle und auch urzeitliche Informationen aus Eisbohrkernen zeichnen zusammen ein immer deutlicheres Bild.

Dieses Bild ist aber alles andere als rosig. Leider habe sich nämlich die Ungewissheit, die mittlerweile bereinigt wurde, zu unseren Ungunsten verändert, sagt Rogelj: "Die Chance, dass wir Glück haben und sich der Planet nicht so stark erwärmt, ist geringer geworden." Im letzten Report hieß es noch, wenn wir die CO2-Emissionen verdoppeln, dann wird die globale Durchschnittstemperatur um mindestens 1,5 Grad erhöht. Nun weiß man, dass die Temperatur bei dermaßen viel CO2 in der Atmosphäre um mindestens 2,5 Grad steigen würde. Aktuell sind wir eher auf dem Weg zu plus drei Grad. "Das heißt, es ist noch dringender und notwendiger, die Emissionen rasch zu reduzieren."

In diesen Gebieten wird die Trockenheit zunehmen.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Auch Klimaextreme können wissenschaftlich immer besser auf den menschlichen Einfluss zurückgeführt werden. Besonders deutlich ist das bei Hitzewellen, die häufiger vorkommen und intensiver geworden sind. Andere Ereignisse wie Starkregen, Dürre und tropische Wirbelstürme treten ebenfalls immer häufiger auf – ein Trend, der sich bei stärkerer globaler Erwärmung verschlimmert.

Temperaturextreme werden häufiger: Plus zwei Grad bedeutet, dass eine ungewöhnliche Hitzewelle, die vor 1900 nur einmal in zehn Jahren aufgetreten wäre, im gleichen Zeitraum etwa fünfmal vorkommt. Extremereignisse, die sonst nur einmal alle 50 Jahre zu erwarten wären, würden rund 14-mal auftreten. Bereits jetzt gibt es solche Ereignisse 2,8- bis 4,8-mal öfter und in größerer Intensität.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Die aktuellen Waldbrände und Hitzewellen sind also erst der Anfang, sagt Rogelj: "Solche Extremereignisse werden öfter vorkommen, und neue, noch nie da gewesene Veränderungen werden auftreten." Könnte die Veröffentlichung des Berichts zu einem Zeitpunkt, an dem in Europa und den USA große Gebiete in Flammen stehen, eine größere Wirkung erzielen? "Ich hoffe zumindest, dass die Extremereignisse in der Öffentlichkeit die Aufmerksamkeit darauf lenken können, was geschieht und was wir dagegen tun müssen", sagt der Forscher.

Daneben werden im Bericht jene Ereignisse besprochen, die zwar mit geringer Wahrscheinlichkeit passieren, dann aber extreme Folgen hätten. Zu diesen fatalen Fällen, die auch als Kipppunkte oder "Black Swan Events" bezeichnet werden, zählt etwa das Verhalten der Eisschilde, die bei unwiderruflichem Abtauen einen hohen Anstieg des Meeresspiegels bewirken würden. Noch immer sind solche Ereignisse eher schwierig einzuschätzen. Aber die Wahrscheinlichkeit ihres Eintretens steigt mit der globalen Erwärmung.

Regionale Risiken

Ein Schwerpunkt im aktuellen Bericht ist für Douglas Maraun, Klimawissenschafter an der Karl-Franzens-Universität Graz und ebenfalls Leitautor des Reports, besonders wichtig: "Früher ging es quasi um die Täterfrage: Gibt es den Klimawandel? Und wer ist schuld daran? Jetzt hat sich der Fokus verschoben in Richtung der Frage: Welche Klimarisiken gibt es?" Diese wurden zusammenfassend einerseits in Infoblättern zu größeren Regionen der Welt aufbereitet, andererseits in einem virtuellen und interaktiven Atlas. Letzterer wurde mit dem Bericht veröffentlicht und ist unter interactive-atlas.ipcc.ch verfügbar – inklusive der dahinterstehenden Daten.

Für Österreich, das im Atlas in die Region Zentral- und Westeuropa fällt, sind folgende Ergebnisse aus den Berichten zu Europa, Gebirgsregionen und städtischen Gebieten relevant:

  • Hitze: Die Temperaturen werden weiterhin steigen, Hitzewellen immer häufiger und intensiver. Schwellenwerte, die für Ökosysteme und Menschen kritisch sind, werden bei einer globalen Erwärmung um zwei Grad und mehr erreicht. Erreichen wir die zwei Grad plus weltweit um das Jahr 2050, werden Dürreperioden häufiger auftreten. Weil Städte Wärmeinseln sind, werden hier vor allem die Minimum- und Nachttemperaturen steigen.
  • Regen: Extremer Niederschlag und daraus folgende Überschwemmungen werden öfter vorkommen, wenn die globale Erwärmung 1,5 Grad übersteigt. Flüsse werden häufiger über die Ufer treten. Versiegelte Flächen, die nur stellenweise Wasser in den Boden sickern lassen, beeinflussen den Wasserkreislauf.
  • Eis: Gletscher, Permafrost und die Dauer der Schneesaison gehen bereits zurück, eine Entwicklung, die bei der weiteren Erwärmung noch stärker wird. In den Alpen wird die Schneedecke unter Höhen von 1.500 Metern im Lauf des Jahrhunderts immer weiter zurückgehen.
  • Luft: In Städten und anderen Bereichen mit hoher Luftverschmutzung werden die Ozonwerte steigen.
Schon bei einer Erwärmung um zwei Grad kommt eine Dürre, die vor 1900 einmal pro Jahrzehnt aufgetreten wäre, durchschnittlich dreimal häufiger vor. Das beeinflusst Landwirtschaft, Wasserversorgung und auch die menschliche Gesundheit.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Klimaveränderungen sind bereits in allen Regionen der Welt zu spüren. Dass dabei auch Schwankungen und zeitweise gegenläufige Ereignisse auftreten, ist normal, sagt Kromp-Kolb: "Die globale Erwärmung schreitet unbeirrt fort, die überlagerte natürliche Variabilität maskiert diese Entwicklung." Sie liefert ein anschauliches Beispiel: Wenn man sich die globale Erwärmung als Person vorstellt, die mit ihrem Hund spazieren geht, so ist der Weg der Person klar. Der Hund, der in diesem Vergleich die natürliche Variabilität darstellt, läuft dabei allerdings manchmal vor, manchmal hinter der Person.

Zu den globalen Problemen zählen unter anderem der auftauende Permafrostboden und der langsam, aber sicher steigende Meeresspiegel. Der Report zeigt auch: "Je wärmer es wird, desto weniger wirksam werden die natürlichen Kohlenstoffsenken an Land und im Ozean", sagt Kromp-Kolb, "und desto dramatischer müssen die Emissionskürzungen sein."

Welche Konsequenzen die regionalen und globalen Entwicklungen beispielsweise für Wasserversorgung, Ökosysteme, Energie- und Lebensmittelproduktion haben, wird erst im Bericht der Arbeitsgruppe II thematisiert, der im Februar 2022 veröffentlicht werden soll.

Fünf Zukunftsszenarien

Der IPCC beschreibt mögliche zukünftige Veränderungen unterschiedlich. Einerseits ist da der Temperaturanstieg, etwa um 1,5 Grad, wenn wir Glück haben, oder um zwei oder vier Grad. Andererseits werden die Verläufe von fünf Szenarien mit sehr niedrigen bis sehr hohen Treibhausgasemissionen beschrieben. Im Haupttext heißen diese Prognosen – wenig intuitiv – etwa SSP1-1.9 oder SSP5-8.5.

Der Verlauf der CO2-Konzentrationen bei den fünf Zukunftsszenarien.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Beim Pfad mit sehr niedrigen Emissionen wird mit Negativemissionen gerechnet. Das Senken des CO2-Gehalts hätte bereits beginnen müssen. "Wenn wir diesem Verlauf folgen würden, könnten wir die globale Erwärmung stark einschränken und am Ende des Jahrhunderts wieder bei oder unter 1,5 Grad liegen", sagt Rogelj. Wahrscheinlicher sind aktuell jedoch die darüberliegenden Szenarien. Im Bericht wird dies zwar nicht thematisiert, "aber unsere derzeitigen politischen Strategien bringen die globalen Emissionen vor 2030 nicht nach unten".

Die bisherige und prognostizierte Entwicklung der globalen Durchschnittstemperatur im Rahmen der fünf Szenarien.
Bild: IPCC, 2021: AR6 WGI Report

Dabei macht jede Temperaturersparnis einen Unterschied, wie Maraun und seine Kolleginnen und Kollegen einhellig betonen. "Jedes Zehntelgrad Erwärmung, das vermieden wird, reduziert die Gefahr von Extremereignissen", sagt er. "Es geht ja nicht um die Frage '1,5 Grad oder gar keinen Klimaschutz?'."

Die Folgen einer Kursänderung wären natürlich nicht sofort erkennbar, kurzfristige "Emissionspausen" hätten keinen nachhaltigen Effekt. Aber der Bericht zeigt: "Die notwendigen radikalen Emissionsminderungen würden schon in fünf bis zehn Jahren eine Abflachung der Konzentrationskurve zeigen", sagt Kromp-Kolb, und immerhin "in 20 bis 30 Jahren eine der Temperaturkurve".

Der Ausblick

Die wissenschaftlichen Grundlagen wurden angepasst, mit allen Verbesserungen an Modellen und aktualisierten Daten, die in etwa sieben Jahren Forschungsfortschritt passiert sind. Wie geht es nun weiter?

Der Bericht selbst liefert keine Empfehlungen zu konkreten politischen Maßnahmen, heißt es stets von den beteiligten Forschenden. Aber er macht überdeutlich, was geschieht, wenn die radikalen Emissionseinschränkungen auf sich warten lassen. Ein zentraler Satz lautet: "Wenn es nicht zu sofortigen raschen und umfangreichen Reduktionen der Treibhausgasemissionen kommt, dann wird das Beschränken der globalen Erwärmung auf 1,5 oder sogar zwei Grad außerhalb unserer Reichweite liegen."

Erwartungsgemäß werden die Fakten des Reports bei der kommenden Klimakonferenz, der COP26, die ab 31. Oktober in Glasgow stattfindet, aufgegriffen. "Die Regierungen berücksichtigen diese Informationen, wenn sie dort neue Zusagen und neue Emissionsreduzierungen vorlegen, die sie dieses Jahr im Rahmen des Pariser Abkommens bekanntgeben müssen", sagt Rogelj.

Die Zahlen sprechen für sich: Um mit 66-prozentiger Wahrscheinlichkeit die 1,5-Grad-Grenze wie geplant einhalten zu können, beträgt das verbleibende globale Treibhausgasbudget 400 Gigatonnen CO2. Für Österreich bedeutet das etwa 400 Megatonnen CO2, sagt Kromp-Kolb: "Bei den derzeitigen Emissionen wäre das österreichische Budget in etwa fünf Jahren aufgebraucht." Die 20 Jahre, in denen der Schwellenwert erreicht wird, wirken vor diesem Hintergrund wie eine optimistische Schätzung.

Nicht jeder Aspekt des Weltklimas ist bisher genau erfasst, nicht überall stehen die zu erwartenden Trends mit allergrößter Gewissheit fest. Entsprechend muss die Forschung auch künftig weiter Daten sammeln und auswerten. Aber schon seit einem Jahrzehnt wissen wir genug, sagt Rogelj: "Wir wissen, dass der Klimawandel erhebliche Risiken und Leid für die Bevölkerung mit sich bringt. Und wir wissen auch, was wir tun müssen, um ihn zu verhindern – nämlich heute damit beginnen, unsere Emissionen zu reduzieren."

Das Ziel ist nicht ein abstraktes Retten des Klimas, sondern ein lebenswerter Planet für die Menschen. Katastrophale Ereignisse kommen in jedem Fall auf uns zu, bei einer niedrigeren Erwärmung aber "weniger häufig und weniger intensiv", betont Kromp-Kolb. "Dieses 'weniger' würde jedoch Millionen Menschen weniger Leid bescheren und nicht wenigen den Tod durch Hitze, Hunger oder Ertrinken ersparen." Dass wir hier noch immer einen großen Einfluss auf den künftigen Kurs haben, zeigt der erste Teil des Sachstandsberichts ganz klar. (Julia Sica, 9.8.2021)