Schlägt Außenminister Alexander Schallenberg die Tür zur Welt zu?

Foto: AUSSENMINISTERIUM/MICHAEL GRUBER

Gewähren wir der belarussischen Sprinterin Kristina Timanowskaja schnell und unbürokratisch humanitäres Bleiberecht? Fehlanzeige! Lieber in diplomatischer Deckung bleiben und abwarten, bis jemand anders ihr zur Hilfe eilt. Ein paar Wochen davor blockieren wir bei Verhandlungen in Brüssel die geplante Verschärfung von EU-Finanzsanktionen gegen das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko. Wirtschaftsinteressen sind uns wieder einmal wichtiger als konsequentes Handeln im Einklang mit den europäischen Partnern.

Mir scheint, als schreibe der Außenminister im Fall Belarus gerade am nächsten Akt von "Österreichs Abschied von der Welt".

Einer der ersten Co-Autoren dieses Dramas war SPÖ-Verteidigungsminister Gerald Klug, als er 2013 die österreichischen Blauhelme vom Golan abzog – "situationselastisch" für ein paar billige Schlagzeilen. Die Uno verlor in der Mission ihr Rückgrat, stellte Österreich doch mehr als 40 Jahre das wichtigste Kontingent. Zurück blieb das Gefühl, dass auf unser Land im Ernstfall kein Verlass ist.

Mit viel Aufwand nach Wien geholt

Szenenwechsel ins Parlament: Dort brachte Peter Pilz im Juni 2019 den Antrag ein, das König-Abdullah-Zentrum für interreligiösen und interkulturellen Dialog (KAICIID) zu schließen. FPÖ und SPÖ waren dafür, die ÖVP stellte einen ähnlichen Antrag. Nicht mehr in Wien willkommen, übersiedelt das Zentrum nun endgültig nach Lissabon. Zehn Jahre davor hatte die Regierung das KAICIID ironischerweise noch umworben und mit viel Aufwand nach Wien geholt. Recht viel lächerlicher konnten wir uns nicht mehr machen. Wobei das Hissen der israelischen Fahne am Dach des Kanzleramts im Frühjahr dieses Jahres auch eine ziemliche Blamage war und unsere Glaubwürdigkeit als neutraler Vermittler im Nahen Osten schwer beschädigte.

Ob in der Nahost-Diplomatie oder im Umgang mit Autokraten: Dem Rückzug in die internationale Bedeutungslosigkeit liegt offenbar ein überparteiliches Programm zugrunde, vielleicht das einzige, das in den letzten Jahren unter wechselnden Mehrheiten "konsequent" weiterverfolgt wurde. Die Politik glaubt, mit einem Einsatz für globalen Frieden und europäische Werte innenpolitisch keine Meter zu machen. Komplexe internationale Problemstellungen müssen für populistische Hauruckaktionen herhalten.

Kooperation in Europa

Das ist kurzsichtig, beruht doch gerade Österreichs Erfolg in den letzten Jahrzehnten auf Kooperation in Europa und solidarischem Handeln an der Peripherie. Wir können nur als verlässlicher Partner und neutraler Vermittler international Gehör finden, nicht kraft unserer geografischen Größe oder wirtschaftlichen Macht. Dabei gäbe es durchaus noch Geschichten des Gelingens, wie die Atomgespräche mit dem Iran zeigen. Damit diese global bedeutsame Verhandlungsinitiative in Wien stattfinden kann, leisten österreichische Diplomatinnen und Diplomaten im Hintergrund großartige Arbeit als Gastgeber, Vermittler und Logistiker. Welche Bedeutung die Ausrichtung der Iran-Gespräche für unser Land hat, lässt sich nicht sofort in Zahlen messen, der Erfolg wirkt über Jahre nach. Doch wenn wir uns weiter von der Welt verabschieden, werden sich Aktionen wie diese nicht mehr ausgehen. Dann spielen wir in der geopolitischen Unterliga. Aber vielleicht wollen wir das ja? (Philippe Narval, 9.8.2021)