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Jungstar Andris Nelsons.

Foto: AP

Von der Quantität der Arbeitsbereiche her ist Andris Nelsons zweifellos in die Fußstapfen seines Landsmanns Mariss Jansons getreten. Wie der verstorbene Dirigent ist auch der junge Lette Chef zweier Orchester; er flitzt zwischen Leipziger Gewandhausorchester und Boston Symphony Orchestra. Zwischendurch gab es mit den Philharmonikern gar schon ein Neujahrskonzert. Zudem konnte es sich Nelsons leisten, in Bayreuth eine Premiere zurückzulegen, nachdem ihm offenbar der Bayreuther Musikchef Christian Thielemann zu sehr mit Ratschlägen unter die Arme greifen wollte.

Brauchte einst Mariss Jansons allerdings einige Jahrzehnte, um den Status eines global gefragten Maestros zu erlangen, ist Nelsons (Jahrgang 1978) sehr schnell vom Talent zum Star geworden. Mitunter haftet seinen Interpretationen denn auch der Hang zur großen effektvollen Geste an, die Details unter sich begräbt. Nicht jedoch bei Mahlers 3. Symphonie, die Nelsons im Großen Salzburger Festspielhaus mit den Wienern, der eindringlich und klar singenden Violeta Urmana und dem Chor des Bayerischen Rundfunks (plus Kinderchor) umsetzte.

Diese symphonische Ungeheuerlichkeit, die Mahler nahe bei Salzburg komponierte (Steinbach am Attersee), erfordert eine kontrollierte, jedoch nicht zu kontrollierte Entfesselung der symphonischen Kräfte, die sich in schillernden Farbspielen und harmonischen Exzessen manifestieren. Behutsam modelliert Nelsons die zahllosen Ausdrucksebenen, mit Spannung aufgeladen scheinen auch die Momente des komponierten idyllischen Stillstands. Und wenn sich zum Finale alles Adagio-gemäß aufschwingt zur melancholischen Verklärung, ist noch ausreichend philharmonische Konzentration und Motivation zugegen, um diesen typischen Mahler-Klang zu evozieren. (Ljubiša Tošić, 9.8.2021)