Afghanische Sicherheitskräfte versuchen Städte, im Bild Herat, vor der Einnahme durch die Taliban zu schützen.

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Die Hoffnungen haben sich rasch zerschlagen, dass die Taliban ernsthaft versuchen würden, eine Machtteilung mit der international anerkannten Regierung zu erreichen, bevor sie den Machtanspruch in Afghanistan stellen. Aber auch wenn die Verhandlungen, unter Druck der Regionalmächte, doch noch weitergehen sollten, werden die Taliban von einer Position der militärischen und territorialen Stärke aus agieren, die Kabul und vielleicht noch ein paar andere große Städte zu belagerten Wagenburgen machen wird.

Die Katastrophe war angesagt. Wie schnell sie sich entwickelt, verweist Diskussionen wie jene in Österreich, wie und wen man doch noch schnell abschieben könnte – weil es ein paar Leute hören wollen, denen die Rechtslage egal ist –, in die populistische Irrelevanz.

USA haben sich völlig zurückgezogen

Dabei stimmt der Eindruck, dass die USA sich bereits völlig zurückgezogen haben und den Dingen einfach ihren Lauf lassen, nicht einmal – oder noch nicht. Seit Ende Juli hat die US-Armee ihre Luftangriffe verstärkt, unter den Taliban soll es viele Opfer geben. Man kann sich vorstellen, was kommt, wenn die USA diese Unterstützung, wie angekündigt, ab Mitte September völlig einstellen beziehungsweise nur mehr unter dem Titel "Terrorismusbekämpfung" eingreifen.

Dass die paschtunische Taliban-Bewegung, die Mitte der 1990er-Jahre von Pakistan ausgehend Afghanistan eroberte und dieses zum sicheren Hafen für Al-Kaida machte, nichts mehr mit Terrorismus zu tun haben soll, daran muss man sich zwanzig Jahre nach 9/11 gewöhnen. Viel mehr als den pragmatischen Ansatz, dass ihr geplantes "Islamisches Emirat" nicht gleich alle Staaten in der weiteren Nachbarschaft gegen sie aufbringen sollte, traut man ihnen nicht zu.

Verheerende Kosten-Nutzen-Bilanz

In jenen Staaten, die sich in Afghanistan stark engagiert haben, wird die Hilflosigkeit von den Versicherungen begleitet, wie viel man in den zwanzig Jahren beim Aufbau der staatlichen Institutionen und der gesellschaftlichen Entwicklung geleistet hat. Darin, dass sich das Rad nicht völlig zurückdrehen lässt, besteht die einzige Hoffnung.

Die Kosten-Nutzen-Bilanz ist nach zwanzig Jahren unterm Strich verheerend, darüber hinaus ist die Karawane der globalen Interessen längst weitergezogen. Ohne die USA wäre eine sinnvolle militärische Präsenz in Afghanistan für die Nato auch gar nicht stemmbar. Die Rückkehr der Taliban hatte ja schon lange eingesetzt, bevor zuerst US-Präsident Donald Trump und danach Joe Biden das Signal zum Abzug gaben. (Gudrun Harrer, 8.8.2021)