Spielmacher und Assistentin: Don Alfonso (Johannes Martin Kränzle) überredet Despina (Lea Desandre), sich doch bitte als Notar zu verkleiden.

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Diese sehr spezielle Version von Mozarts Così fan tutte war im Vorjahr gleichermaßen Opfer der Corona-Beschränkungen wie auch ein subtiler Nachweis, wie produktiv mit unwirtlichen Rahmenbedingungen gespielt werden kann. Für Salzburger Planungsverhältnisse wurden Dirigentin Joana Mallwitz und Regisseur Christof Loy ja doch ziemlich kurzfristig mit der Erstellung einer gestrafften Version der ins "Gefährliche" kippenden Liebschaften beauftragt.

Schließlich musste die an sich recht lange Oper ohne Buffet- und Smalltalk-Pause durchgespielt werden. Und siehe da: Bei aller Wehmut über den einen oder anderen Szenenverlust wirkte der musiktheatralische Schnellschuss sehr konzentriert – sogar verdichtet auf das Wesentliche.

Die gefährliche Wette

Heuer, im zweiten Jahr der Feier zum 100. Geburtstag der Salzburger Festspiele, versprüht die "geliftete" Version nach wie vor den Charme eines smart choreografierten Gefühlslehrstücks, einer präzisen Studie der Beziehungen und ihrer fragilen Architektur. Es hilft natürlich, dass in diesem unbeschwert beginnenden Spielchen, das die Wette von Don Alfonso auslöst, dieselbe Besetzung Substanz liefert wie bei der Premiere 2020.

Elsa Dreisig hat dabei als Fiordiligi emotional die größte Bürde der Schuld zu tragen: Die plötzliche Veränderung ihrer Gefühlswelt vermittelt sie mit impulsivem, robustem Gesang, der die erhebliche Zerrissenheit der Figur packend einfängt. Da offenbaren sich erhebliche Qualen des Selbstzweifels.

Purer Wohlklang

Marianne Crebassas Figur hat es leichter. Dorabella ist eine doch mehr Richtung Unbeschwertheit tendierende junge Dame. Den Partnerwechsel vollzieht sie schnell und ohne in Selbstzerfleischung zu verfallen. Vokal klingt das sehr präsent, nur manchmal etwas gar ins Herb-Dramatische kippend. Andrè Schuen wiederum ist mit purem Wohlklang charaktervoll unterwegs, um als Guglielmo zunächst Siegesgefühle zu empfinden. Amikal, auch leicht herablassend versucht er Freund Ferrando beizubringen, dass dessen Dorabella nicht ganz so standhaft blieb ...

Bogdan Volkov (als Ferrando) nimmt diese Demütigung als edel klingender Tenor hin und erfährt später ein bisschen Genugtuung. Auch die Freundin seines Freundes, Fiordiligi, ist schließlich bereit zur getürkten Spontanhochzeit. Hinterher wird klar: Die Sache wurde vom falschen Notar vertraglich fixiert, selbiger Notar war auch der falsche Arzt, der die beiden Scheintoten, Ferrando und Guglielmo, zuvor ins Leben zurückgeholt hat.

Der Drehpunkt

Und beide waren die maskierte Dienerin Despina, also Lea Desandre: Sie zelebriert die Rollenwechsel heiter; mit sehr kultiviertem Timbre besingt sie aber auch die Vorzüge unverbindlicher Liebschaften. Dreh- und Angelpunkt ist hier jedoch dieser reife Philosophieprofessor Don Alfonso, welcher der Jugend eine Lektion erteilen will. Johannes Martin Kränzle ist subtil in jeder Geste.

Ob er buffoneske Heiterkeit versprühen soll oder Wehmut über die verlorenen Illusionen und Reize des Lebens, ob er Despina überzeugen muss, ihm zu assistieren: Sein Don Alfonso ist der elegante, leicht melancholische Provokateur, der charmante Manipulator, den Kränzle auch vokal auf hohem Niveau zu repräsentieren versteht.

Unsicher wandern alle Figuren zum Schluss unruhig hin und her, staunen über das Flatterhafte und Kurzlebige der Gefühle. Was tun? In diesen Momenten der Ernüchterung lässt Loy mit finalen Umarmungen so etwas wie Versöhnung stattfinden.

Die Musik bleibt ernst

Im Orchestergraben, wo Dirigentin Joana Mallwitz die Wiener Philharmoniker leitet, bleibt es gewissermaßen immer ernst. Auch wenn hier federleichte Spielkultur vorherrscht und der Klang auch die philharmonisch-weichen Qualitäten entfaltet, wirkt die Ausstrahlung des Instrumentalen eher wie eine nachdenkliche, leicht düstere Spiegelung der gar nicht lustigen Tiefenschichten des Werkes.

Ja, Ferrando und Guglielmo, kommen heiter als Verwandte von Max und Moritz auf die Bühne, um die Wette zu beginnen. Was dann folgt, zeigt, dass dieser Maskenball der Empfindungen, Così fan tutte, jedoch keine komische Oper ist. Der Orchesterklang lässt es erahnen. (Ljubiša Tošic, 9.8.2021)