Carmen Thornton ist selbstständige Rechtsanwältin in Wien. Ihre Kanzlei ist spezialisiert auf Trennungen und Scheidungen sowie Obsorge- und Unterhaltsverfahren. Für den STANDARD schreibt sie zum Thema Familienrecht.

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Worauf lasse ich mich ein? Auch über das Rechtliche Bescheid zu wissen sei wichtig, sagt Carmen Thornton.

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"Drum prüfe, wer sich ewig bindet, ob sich das Herz zum Herzen findet": Was Friedrich Schiller bereits im Jahr 1799 wusste, hat noch heute Bestand. So unromantisch es auch klingen mag: Aus rechtlicher Sicht ist die Ehe ein Vertrag mit umfassenden Rechten und Pflichten. Und vor allem ist sie ein Vertrag auf Lebenszeit, den man nicht einfach kündigen kann. Eine Scheidung ist in Österreich nur aus bestimmten Gründen möglich. Was liegt also näher, als die Einzelheiten in einem Ehevertrag zu regeln?

Trotzdem sind Eheverträge in Österreich eher selten. Die Gründe dafür sind vielfältig. Eheverträge gelten als unromantisch. Und wer möchte schon vor der Hochzeit mit dem zukünftigen Partner darüber diskutieren, was im Falle einer Scheidung passieren soll? Außerdem sind viele der Meinung, dass die getroffenen Vereinbarungen im Scheidungsfall dann vor Gericht ohnehin nicht halten werden. Doch das stimmt nur bedingt.

Was geregelt werden kann

Grundsätzlich kann man in einem Ehevertrag alle vermögensrechtlichen Angelegenheiten regeln. So kann man vor der Hochzeit zu Beweiszwecken dokumentieren, welche Vermögenswerte die Partner in die Ehe eingebracht haben. Damit erspart man sich unnötige Streitigkeiten in einem späteren Aufteilungsverfahren. Es ist auch möglich, vertraglich festzulegen, wie das gemeinsam erwirtschaftete Vermögen nach einer Scheidung aufgeteilt werden soll oder wer die Ehewohnung bekommen soll.

Auch Vereinbarungen über den Unterhalt sind grundsätzlich zulässig. Regelungen, die einen Teil besonders benachteiligen oder gar existenzbedrohend sind, werden von der Rechtsprechung allerdings als sittenwidrig angesehen. Dies gilt etwa für einen vollständigen Unterhaltsverzicht, wenn ein Teil aufgrund der Kinderbetreuung über kein eigenes Einkommen verfügt, oder für benachteiligende Regelungen betreffend die Ehewohnung, wenn der andere Partner oder ein gemeinsames Kind auf diese Wohnmöglichkeit angewiesen ist.

Die persönliche Beziehung der Ehegatten kann in einem Ehevertrag hingegen nicht verbindlich festgelegt werden. Es ist daher nicht möglich, die eheliche Treue oder Beistandspflicht auszuschließen oder den Ehepartner zum Geschlechtsverkehr oder zur Zeugung von Nachkommen zu verpflichten. Solche Regelungen dokumentieren, wie sich die Ehepartner die gemeinsame Lebensführung vorstellen, sie sind aber nicht durchsetzbar. Auch Regelungen über die Obsorge und das Kontaktrecht nach einer Scheidung gelten als bloße Absichtserklärungen. Das Gericht kann daher im Streitfall auch andere Regelungen treffen, wenn dies dem Kindeswohl entspricht.

Ehevertrag: Pro und Kontra

Ist es naiv, ohne Ehevertrag zu heiraten? Nicht unbedingt: Denn an sich sind sowohl die Rechte und Pflichten während der Ehe als auch die Scheidungsfolgen im Gesetz umfassend geregelt. Wer ohne Ehevertrag heiratet, schließt genauso eine Vereinbarung ab, indem er sich diesen Regelungen unterwirft. Ob diese Rechtslage dann auch von beiden Partnern als gerecht oder passend empfunden wird, ist allerdings eine andere Frage.

Viel wichtiger als die Entscheidung, ob man einen Ehevertrag abschließt, ist daher, dass beide Partner wissen, worauf sie sich überhaupt einlassen. Genauso wie man einen Ehevertrag vor der Unterschrift sorgfältig durchlesen wird, sollte man sich vor der Hochzeit auch über die Rechtslage informieren. Ein Partner, der seine Karriere aufgibt, um sich um die Kinder zu kümmern, sollte sich beispielsweise darüber im Klaren sein, dass er aufgrund des Verschuldensprinzips grundsätzlich nur dann einen Unterhaltsanspruch hat, wenn die Ehe aus dem Verschulden des anderen geschieden wird. Ein hohes Risiko, wenn man bedenkt, dass man am Ende möglicherweise ohne finanzielle Absicherung dasteht und die Kinder dann möglicherweise lieber zum Ex-Partner ziehen, weil dieser ihnen mehr bieten kann.

Ein Ehevertrag ist daher sinnvoll, wenn man die gesetzlichen Regeln bewusst in einzelnen Punkten ergänzen oder konkretisieren möchte. So ist beispielsweise eine vertragliche Regelung zu empfehlen, wenn ein Partner im Unternehmen des anderen mitarbeitet oder wenn man vor der Eheschließung gemeinsam ein Haus gebaut hat, aber nur einer im Grundbuch eingetragen ist. Außerdem macht es Sinn, die Care-Arbeit vertraglich abzugelten und den Partner, der für den anderen etwas aufgibt und dadurch finanziell abhängig ist, vertraglich entsprechend abzusichern. Dabei sollte man auch bedenken, dass sich finanziellen Nachteile durch die Kinderbetreuung auch auf das spätere Einkommen und meistens sogar noch in der Pension auswirken.

Vorsicht geboten

Bei einem Verzicht auf gesetzliche Ansprüche sollte man hingegen sehr vorsichtig sein. Bei einem kinderlosen Paar mit großen Einkommensunterschieden spricht zwar grundsätzlich nichts dagegen, den Unterhalt betraglich zu begrenzen. In der Praxis ist es allerdings oft so, dass Eheverträge den Partner, der ohnehin schon zurücksteckt oder von dem anderen abhängig ist, noch zusätzlich benachteiligen. Die Entscheidung, einen nachteiligen Ehevertrag zu unterschreiben, nur um die Hochzeitsstimmung nicht zu zerstören, wird man spätestens nach der Scheidung bitter bereuen.

Und wenn man sich schon vor der Ehe nicht auf eine Lösung einigen kann, die beide Seiten als fair empfinden, sollte man es sich vielleicht zweimal überlegen, ob man tatsächlich heiraten möchte. Dann ist ein späterer Rosenkrieg nämlich vorprogrammiert – oder wie Friedrich Schiller in "Das Lied von der Glocke" zu sagen pflegte: "Der Wahn ist kurz – die Reu ist lang". (Carmen Thornton, 10.8.2021)