Der Weg zur höheren Durchimpfungsrate führt über Frauen, die Entscheidungsträgerinnen in Sachen Gesundheit.

Foto: AFP/Mario Tama

Mitte Oktober wäre es so weit: Da ist bei den ersten Menschen, die in Österreich gegen Corona geimpft wurden, die Impfung sozusagen abgelaufen – zumindest, was ihren Drei-G-Nachweis angeht. Man gehe momentan davon aus, dass der Impfschutz nach den ersten beiden Dosen für neun Monate gegeben sei, erklärte dazu Maria Paulke-Korinek, Leiterin der Abteilung Impfwesen im Gesundheitsministerium, am Montag auf Ö1. Doch es fehle bislang an genaueren Daten, weshalb das Ministerium selbst eine Studie in Auftrag gegeben hat, die untersuchen soll, wann die Auffrischung nötig wird.

Für immunsupprimierte Patienten mit erhöhtem Infektions- und Erkrankungsrisiko werde eine entsprechende Testung auf neutralisierende Antikörper empfohlen, um festzustellen, ob sie Impfschutz haben oder eine Auffrischung brauchen. Generell werde man mit jenen Gruppen, die im Jänner und Februar zuerst geimpft wurden, auch den dritten Durchgang beginnen, heißt es aus dem Ministerium auf Anfrage des STANDARD. Genügend Impfstoff habe man bereits lagernd. Ob es auch sogenannte Kreuzimpfungen, also mit einem anderen Vakzin als bei den ersten Terminen, geben werde, sei noch offen.

Vielen fehlt der erste Stich

Doch vor dem dritten Stich brauchen viele überhaupt erst noch ihre erste und zweite Dosis. Den Zahlen des Impf-Dashboards des Gesundheitsministeriums zufolge haben 5,4 Millionen Menschen– das sind 59,9 Prozent der Gesamtbevölkerung – bisher zumindest eine Corona-Impfung erhalten, davon haben 4,8 Millionen Menschen (54,2 Prozent) den vollständigen Impfschutz. Zugleich aber steigen die Neuinfektionen. Am Montag wurden bundesweit 450 innerhalb von 24 Stunden gemeldet.

Was sich in den Zahlen ebenfalls zeigt: Durch alle Altersgruppen hinweg ist die Durchimpfungsrate bei Frauen etwas geringer als bei Männern. Auch die Daten des Austria Corona Panel Project der Uni Wien, für das seit Mai 2020 je 1.500 Personen regelmäßig befragt werden, zeigen, dass Frauen deutlich zurückhaltender bei der Impfentscheidung sind als Männer: So zählten demnach im Mai 23 Prozent der Frauen zur Gruppe der Impfskeptiker, bei den Männern haben damals 18 Prozent die Frage, ob sie sich ehestmöglich impfen lassen werden, (eher) verneint.

"Vaccine's Gender Paradox"

Aber woher kommt es, dass Frauen dem Stich skeptischer gegenüberstehen als Männer? Das "Vaccine's Gender Paradox" wurde auch in einer Studie aus Mailand untersucht: Zwar halten sich Frauen stärker als Männer an die Corona-Regeln, sind besorgter, dass eine Infektion mit Covid zu einer schweren Krankheit führt, und verharmlosen das Virus seltener.

Allerdings: Bei der Impfung gegen das Virus sind sie kritischer als Männer und lassen sich seltener stechen – wie aus den ausgewerteten Daten von zehn Industriestaaten mit insgesamt mehr als 13.000 Befragten hervorgeht. Laut den Studienautoren sind Frauen nämlich seltener der Meinung, dass die Impfung die einzige Lösung für die Corona-Pandemie ist, und sagen eher, dass Covid-19 von großen Unternehmen geschaffen wurde.

Frauen entscheiden

Die Politikwissenschafterin Barbara Prainsack von der Uni Wien sagt, das Problem sei vielschichtig. So seien sich Frauen als "Gesundheitsentscheidungsträgerinnen" der Familie einer größeren Verantwortung bewusst, sie wollen besonders sorgfältig entscheiden. Außerdem seien Frauen eher skeptisch, was "die Rolle von großen Industriekonzernen und wirtschaftlichen Akteuren betrifft", sagt Prainsack im Gespräch mit dem STANDARD: Dass Frauen also weniger Corona-, dafür aber impfskeptischer sind, passe zu ihrer Konzernkritik. "Personen, die diese Form der Skepsis haben, kann man nicht abholen, indem man ihnen gesundheitliche Vorteile einer Impfung nahebringt", sagt Prainsack. Viel eher müsse man ihre Sorgen ernst nehmen und die Kritikpunkte auch thematisieren, um so wieder Vertrauen zu schaffen.

Außerdem brauche es Multiplikatoren – wie die Hausärztin oder einen Nachbarn –, die auf Augenhöhe zur Impfung motivieren. Nur mit einem niederschwelligen Impfangebot, etwa mit Bussen und Booten, erreiche man die "richtigen Impfskeptiker nicht". Sehr wohl könne man so aber Leute abholen, die vielleicht ein wenig bequemer sind, die sich eine Anreise oder Anmeldung sparen wollen. Auch Jugendliche könnten dadurch angesprochen werden. Für die kann sich Prainsack, die für die Gesamtbevölkerung wenig davon hält, auch Impfanreize vorstellen. "Aber nicht in Form von Bargeld, sondern vielleicht von Investitionen oder Gutscheinen für etwas Sinnvolles. Auch weil für Jugendliche der individuelle Nutzen nicht zu hoch scheint." Allerdings müssten diesen Bonus auch jene nachträglich erhalten, die bereits geimpft wurden. (Oona Kroisleitner, Steffen Arora, 10.8.2021)