Am Freitag soll der Streik laut Gewerkschaft wieder enden.

Foto: Markus Mainka

Frankfurt – Vor sechs Jahren war es das letzte Mal in Deutschland so weit: Nun haben sich die Mitglieder der Gewerkschaft GDL erneut mit großer Mehrheit für einen Arbeitskampf ausgesprochen. Und es geht sofort los. Die Lokführergewerkschaft GDL bestreikt bereits ab Dienstagabend den Güterverkehr. Die Personenzüge wie auch die gesamte Infrastruktur der Bahn sollen ab Mittwoch, 2.00 Uhr, für 48 Stunden bestreikt werden, kündigte GDL-Vorsitzender Claus Weselsky an. Die Deutsche Bahn hat für Mittwoch und Donnerstag 75 Prozent ihrer Fernzüge gestrichen.

Einen weitgehend störungsfreien Verkehr erwarte die Deutsche Bahn erst wieder für Freitag, wie das Unternehmen mitteilte. Offiziell endet der Arbeitskampf am Freitag um 2.00 Uhr. Priorität haben nach Bahn-Angaben die besonders stark genutzten Verbindungen wie zwischen Berlin und dem Rhein-Ruhr-Gebiet, zwischen Hamburg und Frankfurt sowie die Anbindung wichtiger Bahnhöfe und Flughäfen. Ziel sei ein zweistündliches Angebot mit besonders langen Zügen auf den Hauptachsen.

Verspätungen und Zugausfälle

Trotz des Ersatzfahrplans könne man nicht garantieren, dass alle Reisenden wie gewünscht an ihr Ziel kommen. Man bitte daher Fahrgäste, die nicht zwingend fahren müssen, ihre Reise möglichst zu verschieben. Die für den Streikzeitraum gelösten Karten könnten bis 20. August bei aufgehobener Zugbindung genutzt oder erstattet werden.

Beim Regionalverkehr werde das eingeschränkte Angebot stark schwanken. Es gehe in den Metropolregionen und im ländlichen Raum darum, ein Grundangebot für Schüler und Pendler sowie wichtige Zubringer zu Fernverkehrszügen oder Flughäfen beizubehalten. Die Informationen würden in die elektronischen Informationssysteme eingepflegt. Der Ersatzfahrplan für den Fernverkehr sollte ab 15.00 Uhr in der Fahrplanauskunft auf bahn.de und in der App DB Navigator abrufbar sein.

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95 Prozent der GDL-Mitglieder für Arbeitskämpfe

"Die Bahn hat bisher provoziert und keine Interesse an einer Einigung gezeigt", begründete Weselsky den Streik nach den gescheiterten Tarifverhandlungen. In einer Urabstimmung hätten sich 95 Prozent der GDL-Mitglieder für flächendeckende Arbeitskämpfe ausgesprochen. Dies zeige deutlich die Stimmung der Belegschaft.

Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bat beide Seiten, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. "Alle müssen ein Interesse daran haben, das Vertrauen in die Bahn als zuverlässiges Verkehrsmittel aufrechtzuerhalten – erst recht nach den harten Monaten der Corona-Pandemie", sagte er.

550-Millionen-Euro-Hilfe für Deutsche Bahn

Wie am Dienstagnachmittag außerdem bekannt wurde, haben die EU-Wettbewerbshüter grünes Licht für Beihilfen von 550 Millionen Euro an die Deutsche Bahn gegeben. Damit sollen Corona-Schäden ausgeglichen werden, die zwischen Mitte März und Juni 2020 entstanden, wie die EU-Kommission mitteilte. Neben dem Staatskonzern sollen auch dessen Tochterunternehmen profitieren können.

Bereits vor der Corona-Krise hatte der Staatskonzern mit schrumpfenden Gewinnen und Unpünktlichkeit zu kämpfen. Nach einem Verlust im Corona-Jahr 2020 von fast sechs Milliarden Euro waren es im ersten Halbjahr 2021 immer noch 1,4 Milliarden. Dazu kommen die Milliardenkosten der Flutkatastrophe. Seit April und mit den Corona-Lockerungen hatte die Bahn allerdings wieder einen Aufwärtstrend gespürt. Gerade der Güterverkehr entwickelte sich zudem positiv. Auf der anderen Seite ist die Bahn auch wegen chronischen Personalmangels gerade bei Lokführern verwundbar für Streiks.

Frühere Lohnerhöhung gefordert

Die GDL hatte die monatelangen Tarifgespräche bereits Anfang Juni für gescheitert erklärt. Die Deutsche Bahn hatte der GDL zuletzt Lohnerhöhungen in zwei Schritten angeboten: 1,5 Prozent zum 1. Jänner 2022 und 1,7 Prozent zum 1. März 2023, bei einer Laufzeit bis Ende Juni 2024. Der GDL reicht dies nicht aus. Sie fordert unter anderem frühere Lohnerhöhungen und einen Corona-Bonus von 600 Euro.

Bahn-Personalvorstand Martin Seiler appellierte an die GDL: "Es gilt jetzt, an den Verhandlungstisch zu kommen und dort Lösungen zu vereinbaren". In einer Zeit, wo viele reisten und im Urlaub seien, sei ein Streik völlig unangemessen. Juristisch werde man aber zunächst nicht gegen den Arbeitskampf vorgehen. Es gelte jetzt, eine Einigung zu finden.

Gewerkschaft gegen Gewerkschaft

Mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hatte der Konzern bereits im vergangenen Jahr einen Sanierungstarifvertrag geschlossen, den die GDL als völlig unzureichend kritisiert hat. Zusätzlich kompliziert wird nun die Tarifrunde dadurch, dass EVG und die GDL beide den Anspruch erheben, für fast alle der 185.000 Beschäftigten in Deutschland beim Schienenpersonal zu verhandeln. Die Bahn sieht sich aber gezwungen, das Tarifeinheitsgesetz anzuwenden. Danach gilt ein Tarifvertrag nur dort, wo die jeweilige Gewerkschaft die Mehrheit hat. Laut Bahn hat die GDL nur in 16 der rund 3.000 Einzelbetriebe des Konzerns die Mehrheit. (red, APA, Reuters, 10.8.2021)