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In Israel wird seit 1. August ein drittes Mal geimpft.

Foto: AP / Maya Alleruzzo

Der junge Mann, der beim Eingang zum Klinikgebäude seinen Ordnerdienst versieht, bekommt nun selbst einen Ordnungsverweis. "Sie müssen die Maske aber schon über Nase und Mund tragen, nicht nur am Kinn!", ruft eine ältere Patientin im Vorbeigehen, "und sagen Sie das auch allen anderen, die hereinkommen!"

Er geht also wieder los in Israel, der tägliche Kampf zwischen Corona-Besorgten und Achselzuckern. Zugleich wird es immer schwieriger, den Ernst der Lage zu leugnen. Das Virus breitet sich mit hohem Tempo aus. Zuletzt wurden über 6000 Neuinfektionen gezählt, die Spitäler füllen sich mit schwer erkrankten Covid-Patienten, auch wenn sie noch nicht auf den Höchstständen der letzten Welle sind: Schnelle Ausbreitung, viele schwere Fälle – man muss kein Mathematikgenie sein, um zu wissen, was das in naher Zukunft für die Spitäler bedeutet. Wenn man nicht sofort gegensteuert, warnte Experte Ran Balicer kürzlich, "dann werden wir bald das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Fallzahl der Welt sein".

In kürzester Zeit hat sich Israel vom Vorzeigeland zum Sorgenkind entwickelt. Vieles deutet darauf hin, dass das eine mit dem anderen zusammenhängt. Israel war nämlich nicht nur früh dran mit seiner Impfkampagne, sondern auch besonders schnell fertig, was die Durchimpfung seiner älteren Einwohner betrifft. Bereits im März waren über 90 Prozent der über 70-Jährigen geimpft. Seither sind fünf Monate vergangen. Der Impfschutz lässt nach – ausgerechnet bei jenen, die ihn besonders dringend benötigen.

Nachlassender Schutz

Es sind Menschen über 60 Jahre, Personen mit Vorerkrankungen und unterdrücktem Immunsystem. Dazu kommt, dass in Israel zwischen Erst- und Zweitstich nur etwa drei Wochen Abstand waren, im Unterschied zu durchschnittlich zwölf Wochen Abstand etwa in Großbritannien. Das führt laut einer Pitch-Study der University of Liverpool zu einer deutlich niedrigeren Antikörperbildung. Menschen aus Risikogruppen werden seit 1. August in Israel ein drittes Mal geimpft.

Bis diese Auffrischungen den vollen Schutz bieten, wird sich das Virus aber weiter ausbreiten. Mit wenn auch vermindertem Schutz: Ungeimpfte Ältere haben noch immer ein viermal höheres Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs als Gleichaltrige mit Impfung. Die Impfung wirkt also. Das zeigen Daten für über 60-jährige, wie der biomedizinische Datenwissenschafter Dvir Aran vom Israel Institute of Technology auf Twitter zeigt.

Tägliche Appelle an die Bevölkerung

Die Regierung richtet sich nun mit täglichen Appellen an die Bevölkerung: Noch sei es möglich, einen Lockdown rund um die hohen Feiertage im September zu vermeiden, wenn alle mithelfen. Letzten Endes seien die Menschen selbst verantwortlich dafür, Quarantäneregeln und Abstandsgebote einzuhalten.

Schulen sollen so oder anders mit häufigen Tests offengehalten werden. Im besten Fall funktioniert dieses System. Geht es schief, kann das böse enden: Ultraorthodoxe Familien leben tendenziell in beengten Verhältnissen, in kleinen Haushalten mit vielen ungeimpften Kindern und kaum Möglichkeiten zur Selbstisolation. In den Synagogen treffen sie dann auf ältere Personen. Hier gilt die Regel, dass der Zutritt nur mit Immunpass oder Testergebnis erlaubt ist, übrigens nicht. (Pia Kruckenhauser, Maria Sterkl aus Jerusalem, 11.8.2021)