Andreas Hanger (ÖVP) sollte sich nun zum Antrag äußern.

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Die Spatzen kichern es von den Dächern: Der Nationalratsabgeordnete Andreas Hanger (ÖVP), einer breiteren Öffentlichkeit vor allem wegen seiner, sagen wir, besonders pointierten politischen Äußerungen bekannt, wird von der Satirezeitung "Die Tagespresse" auf Unterlassung geklagt, und zwar gestützt auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).

Laut der – durchaus aufwendig gemachten – Klagsschrift sei es nämlich so, dass der Genannte unter dem Deckmantel politischer Tätigkeit mit seinen wiederkehrenden Presseaussendungen in Wahrheit ebenfalls Satire verbreite. Dadurch würde nicht nur ein Wettbewerbsverhältnis zur Klägerin als Grundvoraussetzung für deren Klagslegitimation begründet, sondern auch – so die Quintessenz – der klagenden Partei wirtschaftlich das Wasser abgegraben (unlautere Behinderung iSd § 1 UWG) und das Publikum über das Vorliegen ernstzunehmender publizistischer Inhalte getäuscht (Irreführung iSd § 2 UWG).

Schweigen wäre Zustimmung

So weit, so köstlich. Wer nun aber erwartet hat, das angerufene Handelsgericht Wien würde mit der augenscheinlich nicht ernstgemeinten Eingabe wortwörtlich kurzen Prozess machen, der staunte nicht schlecht. Denn statt einer Abweisung verlautete von dort nach übereinstimmenden Medienberichten Folgendes: Die Klage sei "schlüssig", weshalb man sie dem Beklagten, gemeinsam mit dem gleichzeitig eingebrachten Antrag auf einstweilige Verfügung (eV), zur Äußerung binnen 14 Tagen (Provisorialverfahren) und Klagebeantwortung binnen vier Wochen (Hauptverfahren) zugestellt habe.

Zwar deutet der Beisatz des Gerichts, dass daraus noch nicht auf die "Plausibilität" des Klagsvorbringens geschlossen werden könne, darauf hin, dass im Justizzentrum Wien-Mitte die Bäume für die Klägerin nicht in den Himmel wachsen. Dennoch: Wer die gesetzte Äußerungsfrist ungenutzt verstreichen lässt, benötigt zumindest starke Nerven, da Schweigen in diesem Fall als Zustimmung zum Antrag gewertet wird.

Entgegen einiger Äußerungen aus der Anwaltskollegenschaft – DER STANDARD berichtete – erscheint der vom Handelsgericht eingeschlagene Weg durchaus hinterfragenswert. Dies schon deshalb, weil die behaupteten Verstöße gegen das UWG ein "Handeln im geschäftlichen Verkehr" voraussetzen würden, wozu aber der Klage nichts entnommen werden kann. Tatsache ist, dass der Bereich der politischen Auseinandersetzung nach ständiger Rechtsprechung schlicht nicht hierhergehört. Selbst wenn man dem – einigermaßen spitzfindig – entgegenhalten wollte, dass es ja im konkreten Fall gerade nicht um Politik gehe, sondern eben um Satire, so scheitert die Schlüssigkeit immer noch spätestens am gewählten Unterlassungsbegehren.

Keine rechtliche Grundlage

Demnach soll dem Beklagten nämlich ganz konkret vorgeschrieben werden, einerseits jegliche öffentliche Äußerung als Politiker mit dem Beisatz zu versehen: "um Missverständnisse zu vermeiden, stelle ich klar, dass es sich bei dieser meiner Aussage um Satire handelt", und andererseits bei sämtlichen öffentlichen Auftritten einen Anstecker mit der Aufschrift "Satiriker" zu tragen. Hierfür gibt es zwar gleich mehrere Sterne in puncto Humor, aber – wie an der Stelle nicht vertieft werden muss – keinerlei rechtliche Grundlage.

Die herumgeisternde Ansicht, dass vor Abweisung des Antrags auf einstweilige Verfügung ein Verbesserungsauftrag zu erteilen sei, übersieht, dass eine solche Möglichkeit im Provisorialverfahren bei Unschlüssigkeit gar nicht besteht (z. B. OGH 10.7.2007, 4 Ob 86/07m; 3 Ob 31/16d). Aber auch im Hauptverfahren scheidet bei fehlendem Rechtsschutzinteresse ein Verbesserungsversuch aus (z. B. OGH 12.3.1998, 8 ObA 57/97h).

Wenigstens im Ergebnis hat aber die Vorgehensweise des Handelsgerichts trotz alledem etwas für sich, auch wenn der Grund dafür sich erst bei näherem Hinsehen erschließt: Die Möglichkeit, eine Urteilsveröffentlichung auf Kosten des Prozessgegners anzuordnen (§ 25 UWG), besteht in der Regel nur zugunsten der Klagsseite. Tatsächlich hat die "Tagespresse" eine Publikation in der "Kronen Zeitung" und im STANDARD sowie zweimalige Verlesung im ORF begehrt. Ausnahmsweise kann aber auch der jeweilige Beklagte über das hierfür geforderte "berechtigte Interesse" verfügen.

Gegenstand medialer Berichterstattung

Eine Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsabweisenden Urteils kommt nach der Rechtsprechung insbesondere dann in Betracht, wenn das betreffende Gerichtsverfahren – etwas vereinfacht gesagt – auch zum Gegenstand medialer Berichterstattung geworden ist. In Anbetracht der doch mit einiger Ernsthaftigkeit geführten öffentlichen Diskussion rund um die gegenständliche Klage erscheint somit ein Veröffentlichungsanspruch des Beklagten, auch jenseits der eigenen Website der Klägerin, zumindest nicht undenkbar – zumal § 25 UWG dafür nach seinem Wortlaut gerade keine Geschäftsverkehrsbezogenheit verlangt. Was es hierfür allerdings in jedem Fall braucht, ist ein darauf gerichteter Antrag. Die Möglichkeit, ein solches Gegenbegehren zu stellen, wäre dem beklagten Abgeordneten bei Unterbleiben einer Klagszustellung genommen worden.

Nebenbei bemerkt: Inwieweit eine derartige "negative" Urteilsveröffentlichung (oder überhaupt ein gesondertes Widerrufsverlangen nach § 7 UWG bzw § 1330 ABGB wegen vermeintlicher Herabsetzung) für die Beklagtenseite im aktuellen Fall wirklich von Vorteil ist, wird sich diese bestimmt gut überlegen. So oder so muss sich die "Tagespresse", was die damit einhergehenden, potenziell überaus beträchtlichen Kosten betrifft, wohl kaum – Stichwort: Crowdfunding – allzu großen Sorgen machen. (Mathias Görg, 12.8.2021)