Unterwerfung: Es ist ein harter Vorwurf, der den Grünen um die Ohren fliegt. Nicht nur um den öffentlich-rechtlichen Charakter des ORF besorgte Intellektuelle führen ihn im Munde, auch in den Reihen der Partei selbst macht sich Verstörung breit. Ein Schritt in die türkis gesteuerte Orbánisierung der Medienlandschaft scheint getan – mit den Grünen als Komplizen.

Entpuppt sich Roland Weißmann als Exekutor türkisen Durchgreifens auf die Berichterstattung, waren die grünen Stimmen ein peinliches Geschenk.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

In einem ersten Reflex will man da kaum widersprechen. Die kontrollsüchtige Kanzlerpartei hievt ihren Wunschkandidaten Roland Weißmann an die ORF-Spitze, dem der in der Vorgeschichte begründete Ruf eines ÖVP-Vertrauten vorauseilt. Doch die Grünen tragen das Ihre zur Imagekorrektur bei, indem sie ihre Stimmen im Stiftungsrat in koalitionärer Eintracht beisteuern.

Begründet hat Mediensprecherin Eva Blimlinger dies mit einem Deal, den die nunmehrige Regierungspartei in Oppositionszeiten wohl als "Postenschacher" gegeißelt hätte. Als Gegenleistung für die Wahl des Generaldirektors dürfen sich die Grünen offenbar zwei von vier ORF-Direktoren aussuchen. Von einem offenen, transparenten Verfahren, wie es die Partei bei allen möglichen Gelegenheiten propagiert, konnte da keine Rede sein: Weißmanns Kür stand bereits fest, ehe die Kandidaten zum Hearing im Stiftungsrat antraten. Auch die Direktorenbestellung im September wird so zum gelenkten Spiel, bei dem es nicht allein um die Kompetenz der Anwärter geht. Dass die Grünen beteuern, eh alle parteipolitischen Erwägungen auszublenden, ist lieb, aber keine Garantie.

Kleiner Spielraum

Und dennoch: Unterm Strich haben die Verteidiger des Handels ein entscheidendes Argument auf ihrer Seite, das schon in den bisherigen Debatten über die angebliche grüne Willfährigkeit in der Regierung stichhaltig war. Wer Verrat ruft, darf nicht die Frage der realpolitischen Möglichkeiten und Alternativen ausblenden. Natürlich widerspricht es hehren Grundsätzen, wenn die Grünen etwa die hartherzige Flüchtlingspolitik der ÖVP koalitionstreu mittragen. Doch wäre es besser, wenn stattdessen wieder die FPÖ ans Ruder käme? Und wer setzt sich dann für die Umwelt und andere grüne Anliegen ein?

Auch im ORF war der Spielraum klein. Das Konstrukt ist nun einmal so, dass die Parteien großen Einfluss genießen. Die Grünen hätten sich aus allen Absprachen nobel heraushalten können – und hätten nichts damit geändert. Dank einer Mehrheit im Stiftungsrat hätte die ÖVP auch dann ihren Favoriten an die ORF-Spitze hieven können. Weißmann hätte die Zier der breiten Mehrheit gefehlt, den Grünen aber der Hebel, über die Bestellung der Direktoren selbst etwas zu bewegen. Da es offenbar um die Zuständigkeiten für Finanzen und das Programm geht, wäre der Partei eine beträchtliche Chance entgangen, die Weichen im Rundfunk im Sinne grüner Anliegen mitzustellen.

Natürlich muss die Bilanz am Ende stimmen. Entpuppt sich Weißmann tatsächlich als Exekutor türkisen Durchgreifens auf die Berichterstattung, waren die grünen Stimmen ein peinliches Geschenk. Doch es wäre unfair, den Neuen an der Spitze, der offenbar mit einem kompetenten Konzept gepunktet hat, a priori als hoffnungslosen Parteisoldaten abzustempeln. Auch Menschen, die einer Partei einen Karrieresprung verdanken, sind nicht davor gefeit, ein Eigenleben zu entwickeln. Weißmann sollte nicht an der Vorgeschichte gemessen werden – sondern an seinen Taten. (Gerald John, 12.8.2021)