Bild nicht mehr verfügbar.

Bei der Betreuung von Kleinkindern befindet sich Österreich europaweit im hinteren Drittel.

Foto: AP / Russ Dillingham

Wien – Aufholbedarf bei frühkindlicher Bildung ortet eine gemeinsam mit dem Wirtschaftsforschungsinstitut Eco Austria durchgeführte Studie der ÖVP-nahen Julius-Raab-Stiftung. Der europäische Vergleich zeige, dass sich Österreich bei der Betreuung unter Dreijähriger abgeschlagen im letzten Drittel wiederfindet. Stiftungspräsidentin und WKO-Vizepräsidentin Martha Schultz nimmt das zum Anlass, einen Rechtsanspruch für Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr zu fordern.

Bereits im Juni hatte Schultz in einer gemeinsamen Forderung von Kammern, ÖGB und Industriellenvereinigung auf "flächendeckende und leistbare" Kinderbetreuungsplätze ab dem ersten Geburtstag bis zum 14. Lebensjahr gedrängt. Denn frühkindliche Betreuung und Bildung unterstützen die elterliche Teilnahme am Arbeitsmarkt und fördere die Kindesentwicklung, hieß es.

29 Länder verglichen

Als Beleg dafür präsentierte die Julius-Raab-Stiftung, der Schultz als Präsidentin vorsteht, am Donnerstag eine Studie. In dieser wurden 29 Länder (EU27, Schweiz, Norwegen) zu den Themen Kinderbetreuung, Beschäftigungsquote von Frauen sowie Frauenbild in der Gesellschaft verglichen und vier Länder – Dänemark, Deutschland, Frankreich und die Niederlande – genauer unter die Lupe genommen.

Einen deutlichen Aufholbedarf Österreichs legen die Ergebnisse bei der Betreuung der unter Dreijährigen nahe: Während in Dänemark in dieser Altersklasse etwa 66 Prozent und in den Niederlanden 65 Prozent betreut werden, liegt die Betreuungsquote in Österreich lediglich bei 23 Prozent. Dabei zeigten Studienergebnisse, dass besonders sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten von frühkindlicher Bildung profitieren, meinte Monika Köppl-Turyna, Direktorin von Eco Austria.

Intransparenz und finanzielle Überlastung

Dass es in Österreich bei der Kinderbetreuung eine Mischförderungen der Gebietskörperschaften gibt, führe zudem zu Intransparenz sowie mangelnder Administrierbarkeit der Finanzierungen, so Köppl-Turyna. Ferner seien durch die Einzugsgebiete die Einrichtungen mancher Gemeinden finanziell überlastet, während andere dieses Problem nicht haben. Auch beim Anteil der Frauen in Teilzeit stehe Österreich im Vergleich schlechter da. Der EU-Durchschnitt liege bei 27 Prozent, in Österreich hingegen sind mit 49 Prozent fast die Hälfte aller Frauen in Teilzeit. Das habe Gehaltseinbußen und geringere Pensionen zur Folge.

Schultz drängt daher auf eine bundesweite frühkindliche Bildungsoffensive. "Nur so werden wir es schaffen, Familie und Beruf besser zu vereinbaren und jedem Kind die gleichen Chancen zu geben", so Schultz.

Kritik von Neos

Für die Neos ist die Erkenntnis nicht neu. Ärgerlich sei jedoch, dass jetzt aus dem ÖVP-Umfeld Forderungen kommen, "die die ÖVP selbst seit Jahr und Tag ignoriert, ablehnt oder verschleppt", sagte Neos-Bildungssprecherin Martina Künsberg Sarre. "Wer, wenn nicht die ÖVP, die im Bund und den meisten Bundesländern in der Regierung sitzt, ist für diesen Missstand verantwortlich?" Neos-Anträge für einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung, für einen Stufenplan für kleinere Gruppen und für bundesweite Qualitätskriterien lägen auf dem Tisch. Erst im Juni wurde jedoch ein pinker Antrag auf Rechtsanspruch im Parlament vertagt. (APA, 12.8.2021)