Wenn an dem Gerücht etwas dran ist, dass der ORF als Orgel der Nation den Österreicherinnen und Österreichern gehört, dann ist der Stiftungsrat das Instrument zu ihrer Enteignung. Wenn der ORF als Stiftung sich selbst gehört, und das heißt eindeutig nicht der Volkspartei, stellt sich die Frage, warum diese als Alleineigentümerin agieren und den Generaldirektor der Stiftung von ihren Gnaden bestellen kann. Klarer kann man die Tatsachen nicht beschreiben als Die Presse in ihrem Aufmacher von Mittwoch: Die ÖVP hat ihren ORF-Chef.

Ihren ORF-Chef! Da kann man nur gratulieren. Es war schon längst wieder Zeit für einen kleinen Erfolg. Seit die aus Steuermitteln im Bundeskanzleramt installierte Gehirnwäscherei Kurz immer weniger imstande ist, dem Publikum die porentiefe Reinheit des Regierungschefs glaubwürdig zu vermitteln, wurde die Ausdehnung der Message-Control auf weitere Gebiete des nationalen Bewusstseins unaufschiebbar.

Nicht dass es dem Kanzler unter dem aushauchenden Generaldirektor verwehrt gewesen wäre, mit seinen Corona-Flunkereien und Selbstbeweihräucherungen nach Belieben vor die Fernsehöffentlichkeit zu treten. Aber die Zeiten werden härter, die Fragen nach dem Fortbestand der türkis-grünen Koalition drängender, da will man nicht von einem ORF-Generaldirektor abhängig sein, dem in einer allerletzten Amtsperiode alles Mögliche und bisher nicht Mögliche einfallen könnte. Wer weiß, was ihm noch bis zur Amtsübergabe einfällt? Und auf die Journalisten ist ohnehin kein Verlass.

Edle Vorhaben, rosige Pläne

Wie man Demokratie ins Leere laufen lassen kann, zeigte sich, als die Kandidaten in fast schon rührender Weise ihre Pläne mit dem ORF für den Fall einer Bestellung ausbreiten durften, während alle Medien Roland Weißmann als so gut wie bestellt vom Dach pfiffen. Die edelsten Vorhaben, die rosigsten Pläne verendeten in der Banalität des politischen Spiels.

Mitgespielt haben – wieder einmal – die Grünen. Die Entschuldigung vor ihren Wählern und gleichzeitig ihre Durchhalteparole in der Koalition mit Kurz lautet: Wir verhindern Schlimmeres, indem wir uns am Schlimmen beteiligen. Dabei wäre in diesem Fall ihre Beteiligung gar nicht nötig gewesen, Kurz hätte seinen Kandidaten auch ohne sie durchgebracht. Ob sie künftig im ORF das grüne Kraut mit zwei Direktoren, die ihnen versprochen worden seien, fett machen, ist noch fraglich, sicher hingegen ist, dass sie den Ruf, endgültig zu einer für Postenschacher anfälligen Partei geworden zu sein, nicht mehr loswerden. Grün-Wähler reagieren auf einen solchen Verdacht besonders sensibel, was einer Partei, der ihre Wähler schon einmal die Gunst entzogen haben, nicht gleichgültig sein sollte. Vielleicht denken sie wie Kurz, bis zu den Wahlen werde Gras über diesen Bestellungsvorgang gewachsen sein.

Das könnte eine Täuschung sein. Das Thema wird weiterköcheln. Ob es nach dem eben abgelaufenen Schmierentheater wieder einmal zu einem ORF-Volksbegehren kommt, ist höchst ungewiss, auch wenn einige Herausgeber schon davon träumen. Doch wenn, ist die Gefahr groß, dass der Bundeskanzler dasselbe tut wie beim Antikorruptionsvolksbegehren. Er stellt sich als begeisterter Gegner seiner Machenschaften an die Spitze einer nationalen Reinheitsbewegung. (Günter Traxler, 12.8.2021)