Impfaktionen ermöglichen die Coronaimpfung ohne Termin.

Foto: Regine Hendrich

Eine generelle Impfpflicht will die Politik nicht, und das kann auch eine liberale Gesellschaft nicht wollen. Leute mit Zwang gegen ihren Willen impfen zu wollen, das geht einfach nicht, egal wie gut oder schlecht die Argumente auf beiden Seiten sein mögen. Die Politik kann dort eingreifen, wo sie direkten Zugriff hat: Bei öffentlich Bediensteten, die in ihrem Job mit anderen Menschen in Berührung kommen, ist eine Impfung als Voraussetzung für die Ausübung des Berufs sinnvoll, in weiten Teilen wird das (auf Landesebene) auch vorausgesetzt.

In allen anderen Bereichen kann die Politik den Menschen attraktive Angebote machen oder ihnen auf die Nerven gehen und sanften Druck ausüben: Impfen in der Kirche, im Bus oder auf dem Boot wird überraschend gut angenommen. Und wer sich für jeden Flug, für jeden Lokalbesuch, fürs Kino, Konzert oder Theater ständig testen muss, wird der Einfachheit und Bequemlichkeit halber vielleicht doch die Impfung in Erwägung ziehen.

Den Diskurs suchen

Dort, wo der Einfluss der Politik endet, muss die Gesellschaft einspringen und weitermachen. Und den Diskurs mit jenen suchen, die sich bisher noch nicht impfen haben lassen, warum auch immer. Den allermeisten ist klar, dass nur die Impfung – bei möglichst vielen Menschen – einen effektiven Schutz in dieser Pandemie bietet, neben Tests, Masken und Abstandhalten, wie es schmerzhaft genug in unser Alltagsverhalten übergegangen sein sollte.

Erst wenn möglichst viele Menschen geimpft sind und damit nicht nur sich, sondern auch die Gesellschaft schützen, haben wir die Chance, zu so etwas wie einer Normalität zurückzukehren, in der wir uns nicht ständig bedroht fühlen müssen. Das ist zumindest jetzt Stand der Dinge, wer weiß, welche Mutationen noch auftauchen und wie sie sich auswirken.

Diejenigen, die sich nicht impfen lassen, haben ihre Gründe. Über die kann man streiten, das sollten wir auch tun. Besser noch: nicht streiten, sondern reden. Geduldig und neugierig, ohne Aggression und Schuldzuweisung. Das können wir auf allen Ebenen tun: mit Freunden und Familienmitgliedern, mit Kolleginnen und zufälligen Bekannten. Wo es um eine vage Skepsis geht, mögen die Gespräche leichter sein. Wo es um wissenschaftliche Details geht, muss man sich eben informieren. Auch das Lesen dieser Zeitung hilft.

Überzeugungsarbeit leisten

Wir müssen Überzeugungsarbeit leisten, ohne zu verurteilen und auszugrenzen. Die Auseinandersetzung mit der Pandemie darf nicht dazu führen, dass die Gesellschaft eine weitere Spaltung erleidet und auseinanderdriftet. Dass Impfgegner hauptsächlich im rechten Eck zu finden sind, stimmt nicht, Skepsis gegenüber der Corona-Impfung ist in allen politischen Lagern vorhanden. Und es sind keineswegs empathielose, radikale Verschwörungstheoretiker. Obwohl: Die gibt es auch.

Abgesehen davon: Einem Impfgegner damit zu kommen, dass er ein rechter Trottel ist, wird diesem nicht weiterhelfen und mit Sicherheit nichts an seinen Positionen und seinem Weltbild ändern, eher im Gegenteil. Überzeugungsarbeit ist anstrengend und bedingt auch zuzuhören und die Argumente des anderen verstehen zu wollen. Das nennt man Respekt, und der schadet übrigens auch in anderen Lebensbereichen nicht. Und jene, die sich gar nicht überzeugen lassen wollen, die müssen wir dann auch aushalten. (Michael Völker, 14.8.2021)